Flucht aus dem Konkreten ins Allgemeine
Das Zusammenwirken von Aisthätrion, Pneuma und Nous gelangt als Denken unter verschiedenen Sichtweisen zum Vorschein. Diese unterschiedlichen Erscheinungsweisen ergeben sich daraus, wie ein Denker die verschiedenen Kräfte gewichtet. Während der Vorherrschaft der Religionen herrscht das Erleben der Natur als Wirken von Göttern vor. Das Wahrnehmen (aisthätrion) wird vor allem als göttliches Geschick erfahren.
Im Zeitalter des Mythos liegt das Augenmerk vor allem auf der Seele (pneuma). Das innere Wahrnehmen gewinnt an Bedeutung. Das vernunftbegabte Lebewesen versucht das Wirken der Götter nachzuvollziehen, indem sie es als Geschichten wie der Dichter Homer in Ilias oder Odyssee künstlerisch ins Werk setzt. Der Mythos wird schließlich durch den Logos (nous) der Vorsokratiker abgelöst.
Wie immer das Denken des vernunftbegabten Lebewesens fortschreitet, es bleibt durch das Zusammenwirken von Aisthätrion, Pneuma und Nous maßgeblich bestimmt. Das Zusammenspiel von Empfinden (Wahrnehmen), Fühlen und Deuten (Glauben) ist von Natur aus vorgegeben und wirkt sich in vernunftbegabten Lebewesen recht unterschiedlich aus.
Grundsätzlich aber verhalten sich vernunftbegabte Lebewesen natürlicherweise vor allem lebewesenhaft, also instinktbetont, triebgesteuert oder bedürfnisorientiert. Das Verhalten von Menschen unterscheidet sich also nicht wesentlich von dem von ihrer Art her nahestehenden wilden Tieren.
Wo immer Menschen sich zusammentun, um eine Polis zu bilden, organisieren sie sich kaum anders als eine Herde von Primaten. Am einfachsten lässt sich das am politischen Verhalten beobachten. Macht- und Besitzstreben, Futterneid, Geltungstriebe und Raffgier teilen verfügbares Kapital als Mittel zum Zweck schöngefärbter Interessen auf.
Die Gabe der Vernunft erscheint von Anfang an als Färbemittel menschlicher Existenz.
wfschmid - 19. Januar, 04:00
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