Unilogo

11
Mai
2015

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte

Gedanken werden zumeist spontan bewusst. Es ist nicht das Ich, das denkt. Gedanken scheinen ohne unser Hinzutun hervor. Aber wir können sie überdenken, bevor wir sie mitteilen.

Mir fällt ein, was ich schreiben kann. Bevor ich das tue, kann ich überprüfen, was das besagt, was ich schreiben soll. Ich muss nicht alles schreiben, was mir einfällt. Aber wer oder was entscheidet eigentlich darüber? Meiner Ansicht nach ist es das Gewissen.

Gewissen bedeutet für mich „summa summarum“.
Insgesamt, alles in allem sind es meine bisherigen Erfahrungen, die mich in dem beeinflussen, was ich sagen oder verschweigen soll.

Während ich das schreibe, bemerke ich, dass das gar nicht zutrifft, was ich hier sage. Es ist Ulrikes Wunsch, dass ich jeden Tag einen Beitrag im Begriffskalender veröffentliche. Und es war zunächst das Gefühl der Trauer, über das ich schreiben wollte.

Die Scheu, das schon wieder zu tun, hielt mich davon ab. In Wahrheit ist es Eitelkeit, nicht schwach zu erscheinen. Da bot sich als Alibi der erste Satz des gestrigen Beitrages an.

Da ich zunächst nicht wusste, worüber ich schreiben sollte, wenn nicht über meine Trauer, nahm ich dieses Angebot gerne an. Ich sage das, weil ein Text gewöhnlich den tatsächlichen Beweggrund seiner Veröffentlichung nicht offenlegt.

Ich überlege. Was bringt dieser Exkurs eigentlich ein? Er zeigt jene Bewegungen, welche schließlich dazu führen, was ausgesagt wird.


Entschuldigung

Ein Gedanke zu mir kommt,
fragt, ob er mir auch frommt.
Das geht so unentwegt.
Keineswegs unüberlegt.

Gedanken sind Vorhaben,
verraten Dir Soll und Haben.
Bist Du ehrlich.
sind sie unentbehrlich.

Wer oder was besorgt Gedanken
und weist sie in ihre Schranken?
Unbewusstes öffnet die Tür.

Du kannst nichts dafür!

10
Mai
2015

Talmud (»Lehre«, Sammlung der Gesetze und religiösen Überlieferungen des Judentums)

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

9
Mai
2015

.






Ulrike G. Schmid

9. Mai 2015

Naturbestattung


13 Uhr








.

8
Mai
2015

Es tut so weh !

... und Einsamkeit wächst mit jedem Tag

Trauer schänkt Verhalten nicht unerheblich ein. Mit der Dehnung der Zeit verringern sich zugleich schöpferische Einfälle. Überfallende Bürokratie umhüllt den Trauernden wie ein Fangnetz. Vergesslichkeit desorientiert, und Verpflichtungen werden verdrängt.

Trauernde wirken auf andere wie Aussätzige.

7
Mai
2015

Wenn Du begreifen willst

Wenn Du begreifen willst, musst Du Schreiben. Das Denken zeigt sich Dir in Sprache. Du musst Gedanken aufschreiben, wenn Du sie behalten willst. Tust Du das nicht, dann schwinden sie ebenso schnell wie sie sich Dir gezeigt haben.

Unklar ist, wer sich was ausdenkt. Vermutlich sind es Neuronen, die mit Deinen Worten spielen und ihre Spielergebnisse in Deiner Sprache hervorscheinen lassen. Dein Text ist so persönlich wie Dein Fingerabdruck.

In Deinem Text drücken sich Deine Triebe und Bedürfnisse aus und prägen Deinen Textgeruch. Man muss einen Autor mögen können, um sich mit seinen Texten ernsthaft auseinandersetzen zu können. Ansonsten heißt es „Mir stinkt, was er schreibt!".

Sobald man sich nur schreibt, sondern miteinander spricht, macht sich unsere Sprache noch viel deutlicher körperlich bemerkbar. Es ist vor allem der Klang und Rhythmus der Stimme, der uns einnimmt oder zurückweichen lässt. Die Wahl der Worte bestimmt die Stimmung einer Begegnung. Es ist wichtig, die gleiche Sprache zu sprechen, wenn wir nicht missgestimmt auseinandergehen sollen.

Wer liest oder hört, spürt, was Schreiber oder Sprecher in Wahrheit meinen. Die Kunst des Lesens oder Hörens bedeutet, nicht zu entdecken, was gesagt, sondern das, was verschwiegen wird

6
Mai
2015

Zeiten der Trauer

In Zeiten der Trauer erfährst Du besonders besonders scharf zwei asoziale Prinzipien.

Kapital ist der höchste Wert einer kapitalistischen Gesellschaft: ‚GELD REGIERT DIE WELT!‘ „Haben Sie Ersparnisse?“ war die erste Frage der Pflegerin Schwester Ina vom katholischen Sozialdienst Stuttgart-West. Bevor sie sich um die Pflege kümmerte, erklärte sie mir erst einmal wie viel was kostet.

Jeder ist sich selbst der Nächste: „ABZOCKE IST KAPITALISTISCHE LIEBE!“ Kaum von den Pflegekräften erholt legen dich Bestatter rein.

Zeiten der Trauer sind vor allem in jeder Hinsicht teuer.

5
Mai
2015

Für Momo

Überfall

still und tief
grenzenlos und leer

Überfall
die kleine Seele trauert
um die Harmonie
des Vertrauten,
das Schutz und Wärme gibt;
in der Tiefe des Anverwandten
findet sie ihre Hoffnung wieder.
alles bleibt in einer Hand

Ulrike am 3. Januar 2015

4
Mai
2015

Erfahrungsurteil

Erkennen bedeutet etwas durch Erfahren einsehen. Einsehen beinhaltet Begreifen durch Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten. Erkenntnis ernährt sich vorwiegend von dem, worüber jemand von Natur verfügt.

Begabung besorgt Erfahren, Gefühl gewichtet, Intelligenz ordnet und Vernunft wertet.

Erkenntnis ist erfahrene, gefühlsmäßige Beurteilung des eigenen Verhältnisses zu etwas. Erkenntnisse bestimmen Verhalten und damit auch die Gestaltung der Existenz.

Urteile und Beurteilungen aus Erfahrung sind selbst- und nicht wie Wissen fremdbestimmt.

3
Mai
2015

Wahr nehmen

Wir sind nicht, sondern werden fortwährend.

Dasein ist Fiktion.
Zwischen Vorher und Nachher bleibt das Jetzt Illusion.

Als Morgen von Gestern entgeht uns Heute ständig.

Wir haben keine Bleibe zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Momente des Bewusstwerdens sind geträumte Augenblicke, in denen wir zu existieren meinen. Dasein bildet sich durch Einbildung. Inmitten des Werdens träumen wir von Sein.

Erziehen soll von Trugbildungen befreien, um zur Anpassung zu verführen.

Nur wenige widerstehen solcher Verfremdung.

Gelebtes Leben erscheint am Ende völlig sinnlos, weil ständig vorbei gelebt. Enttäuschung als Ende lebenslanger Täuschung. Wahrnehmen Erfahren offenbart sorgfältigem Beobachten und kritischem Betrachten jeden Sinn und Zweck als Eigensinn und Selbstzweck.

2
Mai
2015

Schreiben, um zu begreifen

Der Tod macht alle Gedanken über ihn zunichte. Ich erfahre ihn völlig anders als angenommen. So überrascht mich völlig, dass er mir so heimlich das Leben nehmen kann, dass das ich es gar nicht merke.

So sitze ich mit einer Krankenschwester und einem Pfleger an Ulrikes Sterbebett und niemand von uns weiß etwa lange fünf Minuten lang, ob Ulrike noch lebt oder bereits gestorben ist, ein hoch traumatisches Ereignis !

Hinterher erahne ich den Todeszeitpunkt intuitiv als jenen Augenblick, in welchem sich die Fingernägel von Ulrikes rechter Hand kurz (wohl wegen des Sauerstoffmangels) blau verfärbten.

Es berührt mich seltsam, dass ich das hier so aufschreibe. Meine innere Stimme meint, das gehe niemanden etwas an. Aber widersprüchliche Gefühl drängen mich dazu, damit ich endlich glaube und annehmen kann, was geschehen ist.

Seit Jahrzehnten begreife ich schreibend. Also muss ich auch in diesem dunklen Augenblicken schreiben, um zu begreifen!

Das hilft vielleicht nur mir allein weiter. Aber ich schreibe das ja auch nur für mich. Das ist das, was mir der Tod zeigt, nämlich, dass ich alles von mir Geschriebene für andere nichts wert ist, weil alle für sich selbst ihre Erfahrungen machen müssen.

1
Mai
2015

Korrektur (Analog Joh. 1,1–18)

Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγος)
und das Wort war unbewusst,
und das Wort war Intuition.
Im Anfang war es intuitive Eingebung.
Alles ist durch das Wort geworden
und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

Das Original, nämlich der Prolog zum Johannesevangelium, ist Ausdruck religiösen Gefühls des Lieblingsjüngers des Jesus von Nazareth.

Letztlich ist es dieser Gefühlsausdruck, der mein erstes Buch „Totzeit“ (1968) maßgeblich bestimmt. Die nächtlichen Stimmungen während des Schreibens dieses Buches gibt am besten folgendes Gedicht aus dieser Zeit wieder.

Neonuntergang

Bläue in altmodischen Scheibengardinen.

Altbaugehäuse hinter Rauhfaser.

Zerstörtes Uhrwerk in Ebenholz.
Verkümmerte Pflanzen auf dem Fensterbrett.

Rest von starkem Kaffee in ziegelroter Keramiktasse.

Staubteilchen auf milchig brauner Brühe.
Zerknüllte Notizen. Papierknäuel auf dem
Holzfußboden.

Fast fünfzig Jahre später nehme ich das Anliegen meines ersten Buches wieder auf. Es ist Ulrikes Tod, der mich dazu veranlasst.

Dieser mir immer noch unbegreifliche Tod lies es mir Schuppen von den Augen fallen.

30
Apr
2015

Rückkehr zum Nullpunkt


Erleben des Sterbens drängt Denken in Ursprünge zurück. Reflektierte Erfahrungen lösen sich auf. Das Hervorscheinen des Nullpunkts durch ein traumatisches Ereignis erscheint anders als der naive existentielle Anfang.

Zwischen naivem existentiellem Anfang in früher Kindheit befindet sich eine erfahrungsarme oder -reiche Strecke. Auf dieser Strecke werden Befindlichkeit des Daseins markiert. Je mehr Wissen auf der Strecke vorgefunden wird, desto weniger prägen Erfahrungen diesen Abschnitt.

Mit anderen Worten: Je komplexer Theorien erscheinen, desto weniger Praxis weisen sie auf. Aber die Annahme eines solchen Verhältnisses würde ein tiefes Missverständnis von Theorie verraten.

Wissen bedeutet nämlich „mögliche Praxis“ oder vorstellungsmäßige Vorwegnahme der Umsetzung eines Vorhabens.

Was die Strecke zwischen naivem existentiellem Anfang und Ende entscheidend bestimmt, das ist vor allem Versuch und Irrtum. Es ist nämlich Neugier, die dazu drängt, Wissen immer wieder auf die Probe zu stellen.


29
Apr
2015

s e l t s a m


Ich empfinde es seltsam, dass ich schreibe, um mit meiner Trauer zurecht zu kommen. Es ist wohl meine Art, mich wenigstens etwas von den Schmerzen abzulenken. Ich weiß jetzt, was es bedeutet, wenn man seine Trauer ohne Hilfe selbst „begleiten“ muss. Vor allem reagiere ich überempfindlich.

Ich habe viele (1-malige!!!), Trauerbekundungen erhalten.
Da war es tröstlich, dass sich Olaf nicht so verhielt.

28
Apr
2015

So krank ist das System

Der Katholische Sozialdienst Stuttgart West schickte gestern einen Brief an meine vor einer Woche verstorbenen Frau, die von diesem Dienst gepflegt wurde.
Wie krank ist denn das?

Zeichengebung nach dem Tod?

Du (alias Tod): Informationen erzeugen sich aus den Tiefen des Unbewussten und werden durch die innere Stimme schweigend ausgesprochen.

Ich: Habe mir das alles irgendwie anders vorgestellt. Jetzt scheint es mir doch so, dass sich Existenz auf eine Art geistigen Substrats „reduziert“. Andererseits verwundert das nachträglich angesichts vollkommener Auflösung des Sinnenfälligen nicht. Offensichtlich verwest der Körper. während die Seele und Geist nach wie vor anwesen. Diese Anwesenheit scheint symbolhaft hervor. Es sind jene Ereignisse, welche Symbolhaftes sinnlich vernehmbar, eindeutig deutbar ins Werk setzen. Offenkundig bleibt eine Art Selbst-Bewusstsein erhalten, das Beziehungen über den Tod hinaus bewahrt.

Du: Immerhin bestehen auch die Möglichkeiten grandioser Projektionen, mit denen sich das Selbst zu trösten versucht.

Ich: Es existieren aber Ereignisse, die sich nicht projizieren lassen wie die Armbanduhr, die zum Todeszeitpunkt stehen bleibt, eine verdorrte Nelke, die plötzlich erblüht, eine Kerze, die aus unerfindlichen Gründen erlischt, eine Lieferung, die wider aller Erwarten eintrifft.
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Seit 19 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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