Pfingsten
Ein Nietzsche-Wort zu Pfingsten:
“Ein Gott, der allwissend und allmächtig ist und der nicht einmal dafür sorgt, daß seine Absicht von seinen Geschöpfen verstanden wird, – sollte das ein Gott der Güte sein?
Der die zahllosen Zweifel und Bedenken fortbestehn läßt, jahrtausendelang, als ob sie für das Heil der Menschheit unbedenklich wären, und der doch wieder die entsetzlichsten Folgen bei einem Sich-vergreifen an der Wahrheit in Aussicht stellt?
Würde es nicht ein grausamer Gott sein, wenn er die Wahrheit hätte und es ansehen könnte, wie die Menschheit sich jämmerlich um sie quält?
Aber vielleicht ist es doch ein Gott der Güte, und er konnte sich nur nicht deutlicher ausdrücken!
So fehlte es ihm vielleicht an Geist dazu? Oder an Beredsamkeit? Um so schlimmer!
Dann irrte er sich vielleicht auch in dem, was er seine »Wahrheit« nennt, und er ist selber dem »armen betrogenen Teufel« nicht so fern!
Muß er dann nicht beinahe Höllenqualen ausstehn, seine Geschöpfe um seiner Erkenntnis willen so, und in alle Ewigkeit fort noch schlimmer, leiden zu sehen und nicht raten und helfen zu können, außer wie ein Taubstummer, der allerhand vieldeutige Zeichen macht, wenn seinem Kinde oder Hunde die schrecklichste Gefahr auf dem Nacken sitzt?
Einem derartig schließenden und bedrängten Gläubigen wäre wahrlich zu verzeihen, wenn ihm das Mitleiden mit dem leidenden Gott näher läge als das Mitleiden mit den »Nächsten«, – denn es sind nicht mehr seine Nächsten, wenn jener Einsamste, Uranfänglichste auch der Leidendste, Trostbedürftigste von allen ist.
Alle Religionen zeigen ein Merkmal davon, daß sie einer frühen unreifen Intellektualität der Menschheit ihre Herkunft verdanken, sie alle nehmen es erstaunlich leicht mit der Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen: sie wissen noch nichts von einer Pflicht Gottes, gegen die Menschheit wahrhaftig und deutlich in der Mitteilung zu sein."
Friedrich Nietzsche
“Ein Gott, der allwissend und allmächtig ist und der nicht einmal dafür sorgt, daß seine Absicht von seinen Geschöpfen verstanden wird, – sollte das ein Gott der Güte sein?
Der die zahllosen Zweifel und Bedenken fortbestehn läßt, jahrtausendelang, als ob sie für das Heil der Menschheit unbedenklich wären, und der doch wieder die entsetzlichsten Folgen bei einem Sich-vergreifen an der Wahrheit in Aussicht stellt?
Würde es nicht ein grausamer Gott sein, wenn er die Wahrheit hätte und es ansehen könnte, wie die Menschheit sich jämmerlich um sie quält?
Aber vielleicht ist es doch ein Gott der Güte, und er konnte sich nur nicht deutlicher ausdrücken!
So fehlte es ihm vielleicht an Geist dazu? Oder an Beredsamkeit? Um so schlimmer!
Dann irrte er sich vielleicht auch in dem, was er seine »Wahrheit« nennt, und er ist selber dem »armen betrogenen Teufel« nicht so fern!
Muß er dann nicht beinahe Höllenqualen ausstehn, seine Geschöpfe um seiner Erkenntnis willen so, und in alle Ewigkeit fort noch schlimmer, leiden zu sehen und nicht raten und helfen zu können, außer wie ein Taubstummer, der allerhand vieldeutige Zeichen macht, wenn seinem Kinde oder Hunde die schrecklichste Gefahr auf dem Nacken sitzt?
Einem derartig schließenden und bedrängten Gläubigen wäre wahrlich zu verzeihen, wenn ihm das Mitleiden mit dem leidenden Gott näher läge als das Mitleiden mit den »Nächsten«, – denn es sind nicht mehr seine Nächsten, wenn jener Einsamste, Uranfänglichste auch der Leidendste, Trostbedürftigste von allen ist.
Alle Religionen zeigen ein Merkmal davon, daß sie einer frühen unreifen Intellektualität der Menschheit ihre Herkunft verdanken, sie alle nehmen es erstaunlich leicht mit der Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen: sie wissen noch nichts von einer Pflicht Gottes, gegen die Menschheit wahrhaftig und deutlich in der Mitteilung zu sein."
Friedrich Nietzsche
wfschmid - 24. Mai, 05:38
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Trackback URL:
https://wolfgangschmid.twoday.net/stories/1022436366/modTrackback