Interview zum Unterricht (5)

IL: Die meisten jungen Lehrer machen spätestens dann den ernsthaften Versuch, das Lernen zu lernen, wenn sie sich unvermittelt vor die Aufgabe gestellt sehen zu lehren. Mit Hilfe ihrer Fantasie verschaffen sie sich ihre Vorstellung vom Lehren und Lernen. Sie gehen mit der grössten Selbstverständlichkeit davon aus, dass sich die Schüler schon nach ihren Vorstellungen richten werden. Die Schüler wiederum gehen davon aus, dass ihre Lehrer sehr genau wissen, was sie tun, wenn sie unterrichten. Also befolgen sie in der Regel mit mehr oder weniger Anstand, was der Lehrer ihnen sagt und zu tun aufgibt. Das wiederum vermittelt dem Lehrer die Überzeugung, dass funktioniert, was er sich vorgestellt hat. Aber so kann ja dieser täppische Zirkeltanz nicht weitergehen.
IR: Bedenken Sie, dass jedes Kind weiss, wie gelernt wird. Dieses vorschulische Wissen verliert es im Verlauf der Schulzeit. Wenn Sie also etwas Wesentliches über das Lernen in Erfahrung bringen wollen, dann müssen Sie nur die vorschulische Zeit des Menschen sehr genau beobachten und Sie werden sehr schnell erfahren, was es bedeutet, natürlich zu lernen. Lassen Sie uns doch einfach einmal diese Grundsätze natürlichen Lernens sammeln und zusammenstellen. Die ersten Grundsätze natürlichen Lernens haben alle Lebewesen. Der erste Grundsatz besteht darin, seinem Gefühl zu folgen. Das Gefühl lässt uns erfahren, was gut ist für uns und was nicht. Das gefühlte Lernen ist von Natur aus in jedem Lebewesen angelegt. Dieses Lernen wird vom Instinkt geregelt: der Durst sagt, wann getrunken werden muss, der Hunger sagt, wann gegessen werden muss, die Müdigkeit sagt, wann geschlafen werden soll, der Bewegungsdrang sagt, wann gelaufen oder gespielt werden soll .... Diese natürlichen Soll-Werte bestimmen alle Lebewesen von Geburt an. Alle anderen Grundsätze bauen auf diesem auf.
wfschmid - 12. September, 06:37
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