Interview zum Unterricht (8)

IL: Die genannten drei Prozesse des Lernens sind allen Lebewesen von Natur aus eigen. Sie scheinen die Lebewesen alles lernen zu lassen, was ihnen für ihr Leben nützt. Unterscheidet sich nun der Mensch dadurch von anderen Lebewesen, dass er Vorgänge des Lernens in Gang setzt, die ihm nicht unbedingt für das Leben nutzen? Und sind dies jene Verhaltensänderungen, welche erst mit Beginn der Schulzeit einsetzen?
IR: Ich bin mir nicht sicher, ob man die Frage nach dem Nutzen für das Leben so stellen kann. Natürlich hausen Mönche in völlig abgeschiedenen Gegenden der Welt, die nicht mehr für ihr Leben brauchen als das, was unbedingt zur Befriedigung der Grundbedürfnisse gehört. Aber auch diese Mönche lesen die Heilige Schrift und schreiben Kommentare dazu oder verfassen eigene Texte. Schon das Lesen und Schreiben erfordert Fähigkeiten, die über die natürliche Ausstattung hinausgehen. Soweit wir wissen symbolisieren außer dem Menschen keine anderen Lebewesen. Allenfalls setzen sie Markierungen. Sobald aber Wörter angeeignet werden, die über das unmittelbare Verlautbaren hinausgehen, wachsen die Ansprüche an das Verhalten. Neben dem unmittelbaren Verhältnis zur Natur entsteht das mittelbare Verhältnis zu ihr durch verweisende Symboliken.
wfschmid - 15. September, 16:10
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