Wie komme ich zu einem Bild von mir?

Eine vertraute Situation: Eine Bekannte sagt beiläufig in einem Gespräch etwas über mich. Sie benennt mit großer Selbstverständlichkeit eine Eigenschaft oder eine Verhaltensweise. Sie ist sich sicher, dass sie mir nichts Neues mitteilt. Deshalb ging es ihr auch so leicht über die Zunge. Einen Spiegel hat sie mir unwissentlich hingehalten. Ich muss nun genau hinschauen, um mich in diesem Bild zu erkennen.
Das Bild von sich, das jeder täglich mit sich trägt, ist kein Standbild. Es ist eher eine unscharfe Filmaufzeichnung. Die meiste Zeit passiert garnichts. Es ist müssig, sich ständig selbst zu beobachten. Das, was ich tue, ist ein brauchbarer Spiegel. Geschieht jedoch etwas, das der Erwartung zuwiderläuft, dann frage ich nach. Jetzt kann ich nachträglich Sequenzen abrufen, sie mir mehrfach unter unterschiedlichen Perspektiven und Aspekten anschauen. Korrekturen können geplant werden, wenn es eine ähnliche Konstellation gibt.
Damit habe ich auch noch kein Bild von 'mir'. Ich kann aber schon Auskunft geben. Wahrscheinlich kann ich entscheiden, ob das Bild, das mir ein anderer zeigt, treffend oder überbelichtet, unscharf ist oder gar einen ganz anderen Menschen abbildet.
(urs)
wfschmid - 23. Oktober, 19:56
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks