Meine Welt ist dort, wo ich wesentlich bin.
Es ist heutzutage nicht mehr so klar, was "wesentlich" oder gar die "Frage nach dem Wesen" bedeutet. Mit anderen Worten, das vor Jahrzehnten noch heiß diskutierte "Sein" (das Wesen von allem Seienden) ist in Vergessenheit geraten. Die Aussage "Meine Welt ist dort, wo ich wesentlich bin!" wird dem Inhalt nach vielleicht besser verstanden, wenn ich sage: "Ich bin dort zu Hause, wo mein Herz ist!"
Nun ist es aber so, dass man nicht einfach Worte durch andere Worte ersetzen kann, ohne den Sinn zu verändern. Aber was soll man tun, wenn die Bedeutung jenes Wortes verloren gegangen ist, welches man gerade gern benutzen möchte. Es ist in der Tat so, dass viele Worte, über die wir damals während meines Studiums noch hoch engagiert diskutierten, von heutigen Studierenden nicht einmal mehr verstanden werden. Angesichts der Rede vom "Sein des Seienden" würde man heutzutage von einem Studierenden nur ratlos angeschaut. Es ist so, dass viele Worte einfach unbemerkt entschwinden.
Auf der anderen Seite gibt es auch Wörter, die nahezu in aller Leute Mund sind und doch von niemandem verstanden werden. Wer weiß denn schon zu sagen, was unter dem Wort "Bildung" verstanden werden soll. Es geht hier nicht um Wehklagen angesichts überalterter Wörter, sondern dahinter steckt vielmehr die Frage, was eigentlich mit dem Entschwinden von Sprache einhergeht. Dahinter verbirgt sich wiederum der Gedanke, dass doch das, was auf Sprache angewiesen ist, das Denken ist. Folglich entzieht sich mit einer bestimmten Sprache auch ein bestimmtes Denken. "Cool" ist eben doch eine andere Eigenschaft als "gelassen". Das Wort "cool" verrät hier bereits sehr viel weniger von der gemeinten Eigenschaft. Mit dem Eigenschaftswort "gelassen" teilt die Sprache immerhin noch etwas von der Freiheit mit, von etwa lassen zu können, fähig sein, etwa loszulassen. "Cool" ist "abgefahren", frech, geil oder schlichtweg "unterkühlt". "Cool" ist eben cool, weil das ältere Generationen nicht so verstehen können.
Aber es ist nicht der Protest der Jugendlichen gemeint, der sich sehr oft in einer Sprache für Insider äußert, sondern der von niemandem beabsichtigte Schwund von Sprache. Der tiefere Grund, warum ich überhaupt darüber spreche, ist letztlich die Schwierigkeit, die Bedeutung von Wesen in die heutige Sprache zurückzuholen. Ich möchte für das Phänomen des Wesens sensibilisieren. Natürlich findet man das Wort "Wesen" noch an, wenn man nach ihm im Internet sucht, was man heute vowiegend "googeln" nennt und damit zugleich für Google, die bekannteste Suchmaschine, wirbt.
So heißt es bei Wikepedia, der größten Informationshalde: "Das Wesen (gr. ousia, lat. essentia, quidditas) ist das, was bei jeglicher Veränderung einer Sache gleich bleibt: das „Wesenhafte“ bzw. das unterscheidende Hauptmerkmal einer Gegebenheit (das „Wesentliche“). In diesem Sinne kann es das Allgemeine, den Sinngehalt, die Gattung oder die Idee des betrachteten Gegenstands meinen, in Gegensatz zum Einzelnen, Individuellen und den zufälligen Änderungen unterworfenen Erscheinungen." (Wesen (Philosophie))
Und hier zeigt sich das Problem: Das ist nicht falsch ausgedrückt; es bringt aber auch nicht das zur Sprache, was "Wesen" wirklich meint. Da hilft es auch nicht, dass man sich auf die griechische Sprache bezieht und "ousia" sagt.
wfschmid - 17. März, 05:30
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