Täuschung
Gewöhnlich nehmen wir an, dass die Dinge so sind wie wir annehmen. So nehmen wir an, dass wir unvoreingenommen an alles herangehen, mit dem wir zu tun haben. Wir bemerken nicht, dass wir uns in unserem eigenen Film befinden und diesen so intensiv erleben, dass wir ihn sogar für unsere Wirklichkeit halten. Uns fällt nicht auf, dass wir das, was wir erfahren, vorweg für uns inszenieren. Jeder von uns lebt in seiner eigenen Welt. Und weil das so ist, gibt es zwischen uns Gemeinsamkeiten, über die wir uns sogar auszutauschen vermögen. Da wir uns wechselseitig über unser Weltverständnis verständigen können, entsteht sogar der Eindruck, dass wir an einer gemeinsamen Welt teilhaben.
Wenn sich aber alle täuschen, dann fällt es nicht mehr auf, wenn sich jeder täuscht. Wenn alle glauben, dann glauben alle das, an das geglaubt wird, so selbstverständlich, dass es für selbstverständlich existierend gehalten wird. Solange wir uns in dem Schein, den wir Welt nennen, zurechtfinden, zeigt sich kein Grund, gegen diese Art von Selbstverständlichkeit etwas zu unternehmen. Wer, der meint auf dem rechten Weg zu sein, lässt sich schon sagen, dass er sich irrt. Ein Glaube, der besonders stark gefühlsmäßig gefestigt ist, zeigt sich besonders widerstandsfähig gegen Argumente, die ihn gefährden. Zudem stellt sich die Frage, wie es möglich sein sollte, einer durchgängigen Täuschung zu entkommen, wenn man grundsätzlich nur Erfahrungen darin gesammelt hat. Wird dann der Ausweg nicht selbst zu einem scheinbaren Ausweg, also zur Täuschung?
wfschmid - 18. Dezember, 05:00
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