Zen - Lehrgespräche (1)
Zen bedeutet meditative Versenkung. Das visuelle Symbol ist der Kreis, das japanische Symbol für Erleuchtung, Stärke, Eleganz. Es steht für das Universum und die Leere. Der Zen-Meister Ensô schöpft seine Leere aus der Kraft der Erleuchtung, in der er die vollkommene Leere schaut. Seit Jahren hat er Schüler, die ihn von überall in der Welt her besuchen. Der Novize Yiya erhielt von ihm als erster Novize in Kyoto die Erlaubnis, die Lehrgespräche des Meisters aufzuzeichnen. Einige dieser Lehrgespäche dürfen hier wiedergegeben werden.
Erstes Lehrgespräch
Yiya: "Meister, ich habe Dich vor Jahren aufgesucht, weil ich die Fülle der Leere nicht mehr ertragen konnte! Du hast mir das Dritte Auge geöffnet und mich schauen lassen, was mich so sehr belastet. Und ich habe erfahren, dass Niedergeschlagenheit das innere Leben zu Boden drückt bei dem, der versucht, das Wesen ohne die Liebe zur Kunst zu schauen!"
Ensô: "Den stärksten Halt schenkt uns das Frei-Sein von allem. Den stärksten Halt findest Du, indem Du nichts mehr festhälst. Es ist ein langer Weg des Loslassens, bis Du endlich, frei von allen bindenden Gedanken, das Nichts schauen darfst!"
Yiya: "Woran erkenne ich, dass ich so weit bin?"
Ensô lächelt und sagt: "Das ist überaus einfach. Wenn Du die Sprache der Tiere und Pflanzen verstehst, dann bist Du auf dem wahren Weg!"
Ensô setzt voraus, dass er von Yiya auf Grund von Erfahrung verstanden wird. Das ist auch der Fall, denn Yiya vermag in den Augen eines Tieres intuitiv zu lesen, was es zum Ausdruck bringen möchte. Aber er ist unzufrieden, weil er nicht zu vermitteln vermag, was er ganz deutlich empfindet, was ihm ein Wesen mitteilt, dem er in die Augen blickt. Nie empfindet er einen Augenblick so intensiv wie bei diesem Augen-Blick. So beschließt er, seinen alten Lehrer aufzusuchen, um diesen um Hilfe zu bitten. Dieser alte Lehrer fragt den jungen Novizen zuerst nach dem Beweggrund für den Wunsch, überhaupt vermitteln zu wollen. Nachdem ihm Yiya das zu erklären versucht hat, erklärt ihm der Lehrer, dass viele in jungen Jahren glauben, anderen etwas Wichtiges aufdrängen zu müssen. Wenn diese langen Jahre des Predigens endlich vorbei sind, fangen sie an bockig und trotzig zu argumenieren, ohne damit auzufallen. Das sind die Jahre des engagierten Verkaufens, nach denen die meisten von ihnen aufgeben. Nur wenige erkennen, dass sie weder als Prediger noch als Vertreter erfolgreich sein können. Die hohe Kunst des Unterrichtens besteht darin, nichts zu sagen. Unterrichten können bedeutet, zu zeigen vermögen. Zeige anderen solche Augen-Blicke, denn sie haben wie Du von der Natur die Gabe zu verstehen.
wfschmid - 29. Juni, 05:30
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks