Zen - Lehrgespräche (11)
Warum denken wir überhaupt etwas
und nicht vielmehr nichts?
Woher kommen die Gedanken, die wir dann aufschreiben? Wer oder was initiiert sie im Unbewussten und wie gelangen sie ins Bewusstsein? Zunächst: Wer freundlich genug zu seinen Gedanken ist und sie auch schriftlich festhält, ist ständig mit Gedanken unterwegs. Gedanken werden durch gefühlte Fragen bewegt. Bewegende, weil motivierende Fragen spielen im Unbewussten mit möglichen Antworten und lassen jene, welche ihnen passen, ins Bewusstsein. Es kann sein, dass das Unbewusste ein Leben lang nur mit einer einzigen Frage spielt. Der Philosoph Volkmann-Schluck sagte einmal in einer Vorlesung, dass ein großer Denker gar nur einen einzigen Gedanken denkt. Wie kommt es, dass jemand diesen Gedanken findet und andere nicht? Wenn die ursrüngliche schöpferische Kraftt das Nichts ist, dann bedarf es des Mangels, um überhaupt etwas hervorbringen zu können. Das ist der tiefere Grund dafür, dass Askese wesentlich zu einem Kloster gehört. Aber was ist das Nichts im Nichts, das da zu etwas antreibt? Vielleicht gewährt folgendes Ereignis einige Auffschlüsse zu diesen Gedanken.
Yi, der jüngere Bruder von Yiya, hat sich nach langen Überlegungen entschlossen, ins Kloster einzutreten. Nun sitzt er in dem kleinen Empfangszimmer und wartet auf den Novizenmeister des Klosters. Schließlich wird er von diesem sehr freundlich begrüßt. Sofort wird er dann nach den Gründen für seine Entscheidung gefragt. Yi: "Ganz offen gesagt, mich interessiert das Nichts, und ich möchte mich in der Stiille in das Nichts versenken können, um der größen Kraft aller Ursprünge begegnen zu können!" Der Novizenmeister: "Das kannst Du doch außerhalb des Klosters!" Aber Yi entgegnet verwundert: "Das genau nehme ich nicht an, da ich außerhalb nicht die erforderliche Askese und das Schweigen einhalten kann!" Der Novizenmeister widerspricht: "Nein, Du kannst Dich doch auch für ein Leben als Einsiedler entscheiden.“ Yi erschrocken: "Ich bin dafür nicht geeignet. Ich brauche die Kraft und den Schutz der Gemeinschaft!" Jetzt erkundigt sich der Novizenmeister nach Yi's handwerklichen Fähigkeiten und fragt, ob er etwas von Garten- oder Feldarbeiten versteht. Als Yi das alles bejahen kann, unterzieht er ihn einer Prüfung in Philosophie und den Heiligen Schriften. Nach gut vier Stunden entscheidet der Novizenmeister, es mit Yi als Novizen zu versuchen. Yi sitzt nun in der Kapelle und weiß plötzlich nicht mehr, was er hier soll. Alles atmet hier die Anwesenhei eines Gottes, den Yi nicht fühlen kann. Warum sollte sich ein Gott auch in eine Kirche einperren, um dann trotz Allgegegenwart draußen als abwesend zu gelten?
wfschmid - 9. Juli, 05:25
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