Ich habe nur meine Welt
Welt, das ist immer das Gesamt der Vorstellungen, in welchen der einzelne Mensch bei sich selbst zu Hause ist. Religion, Philosophie, Kunst und Wissenschaft sind Wege, die aus der individuellen subjektiven Sicht von dem, was uns umgibt, herausführen. Der Weg, der hier gewählt worden ist, ist der philosophische wissenschaftliche Weg.Das ist der zureichende Grund für das Training des Bewusstseins als trennscharfe Organisation der Bildung von Begriffen.
Das Ergreifen von Welt hängt vom Begreifen ab, also von der Anzahl verfügbarer Begriffe. Begriffe sind Informationen, die im Bewusstsein eine klare Vorstellung über den Ablauf von Handlungen erzeugen und unser bewusstes Verhalten regeln.
Ein Begriff ist erst dann und nur dann vollständig, wenn er unser Bewusstsein ganzheitlich anspricht. Was bedeutet das?
Ein Begriff regelt 1. unser Wahrnehmen, d.h. er beinhaltet das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Er macht uns achtsam für bestimmte Ereignisse oder Situationen. Unser Gehirn reagiert auf die Vergegenwärtigung eines Begriffs und spiegelt diese Reaktion in unserem Bewusstsein als Stimmung. Weil Begriffe Orientierungswert für das Gehirn haben, verbessert sich unsere Stimmung um so mehr, je klarer der Begriff ist, den wir gerade vergegenwärtigen. Schlecht gestimmte Menschen sind sehr oft begriffsstutzig oder gar begriffslos.
Ein Begriff regelt 2. unser Betrachten, d.h. er beeinflusst die Dauer unserer Auseinandersetzung mit einem Wahrnehmungs- bzw. Bewusstseinsinhalt. Er sagt uns, wie intensiv wir uns auf Ereignisse oder Situationen einlassen sollen. Das Gehirn reagiert auf diesen begrifflich geregelten Hinweis, indem es uns Gelassenheit schenkt und eine angemessene Nähe zulässt oder einen hilfreichen Abstand bestimmt. Gestresste Menschen haben sehr oft das Gefühl für den Augenblick (= Gelassenheit) verloren.
Ein Begriff regelt 3. unser Beobachten, d.h. er lässt uns offen werden für das Entdecken von Zusammenhängen. Das Gehirn reagiert darauf emotional, fördert also das Suchen nach entsprechenden Eigenschaften, indem es neugierig macht. Neugier ist die Kraft des Suchens. Menschen, die nicht schöpferisch tätig sind, fehlen Begriffe.
Ein Begriff regelt 4. unser Begreifen, d.h. er lässt uns spüren und aufspüren, was sich, in dem, was wir gerade vergegenwärtigen, Neues zeigt. Begreifen und das Entdecken von Neuem ist ein und dasselbe. Ein Begriff zeigt das, was er beinhaltet, immer wieder anders. Weil das schöpferische Gehirn Wiederholungen meidet, zeigt es uns auch längst Erkanntes immer wieder unter einer neuen Perspektive und unter einem anderen Aspekt. Das Gehirn belohnt das Begreifen, indem es neben der Stimmung auch die Einstellung zu einem Ereignis oder einer Situation sehr positiv bestimmt. Negative Einstellungen zeugen von fehlenden Begriffen.
Ein Begriff regelt 5. unser Tun, d.h. er bewegt uns dazu, das anders Wahrgenommene, das unterschiedlich Betrachtete, das abweichend Beobachtete und das neu Begriffene auch auszuprobieren, indem es in die Tat umgesetzt wird. Das Gehirn spiegelt diesen Tatendrang gefühlsmäßig im Bewusstsein wieder. Engagierte Menschen sind reich an Begriffen.
Der schöpferisch spielende Mensch weiß damit sehr wohl etwas anzufangen. Blitzartig, spontan spielt sein Gehirn mit dem Begriff „Rechteck“, indem es beispielsweise das geometrische Konstruieren oder das künstlerische Gestalten eines Rechtecks ganz anschaulich wie in einem Kurzfilm ins Bewusstsein projiziert. Das Ich kann sich im Kopfkino auch eine Art Trickfilm anschauen. Da gestaltet sich ein Raum, in dem sich das Rechteck bewegt und die wenigen Eigenschaften besonders in Szene setzt, wie z.B. seine Diagonalen. Damit zeigt sich aber das Gehirn nicht zufrieden. Zum Begreifen gehört nicht nur der Kopf (Geist) und Herz (Gefühl), sondern auch die Hand (Initiative). Bei wem das in den Zusammenhang mit Bild-er-leben gesetzte Rechteck schöpferisches Handeln in Gang setzt, der ergreift auch die Initiative. Das Rechteck könnte so beispielsweise der Anlass zu einem Gedicht, zu einer Kurzgeschichte, zu einer Skizze oder zu sonst irgendeinem schöpferischen Tun gewesen sein. Die Initiative selbst muss gar nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Anlass stehen. Naheliegend war jedoch dies: die Initiative zu ergreifen und über das "Innenleben des Rechtecks" zu berichten. Allein schon diese Initiative beweist, das man sich auf den Umgang mit Begriffen versteht. Und hier gilt die Tat, nicht der Vorsatz.
Aufgabe: Personifizieren Sie das Rechteck und beschreiben Sie dessen Charakter!
wfschmid - 3. September, 05:10
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