Logik des Mythos
Dem Dichter Angelus Silesius[1] werden zwar die gleichen (inneren) Spiegelungen bewusst wie dem Philosophen Platon, aber er betrachtet sie nicht als göttlich, sondern als zutiefst menschlich.
Nicht nur der Glaube, sondern auch unser Wissen erscheint uns einzig und allein als Spiegelung, so dass nun die wissenschaftliche Gewissheit zur philosophischen Selbst-Gewissheit wird, und ein Axiom als nicht mehr als ein Dogma zum Vorschein gelangt. “Ich glaube an die Identität ‘a = a’ ” wie an die Dreifaltigkeit. Die Richtigkeit der Wissenschaft wandelt sich zur Wahrheit der Kunst.
Die Wahrheit der Selbst-Spiegelung offenbart aber möglicherweise auch, wie Mystiker, Dichter und Philosophen das erscheint, eine Widerspiegelung der Natur.
Dem Glauben und nicht dem Wissen nach erscheint es so, als könne das Andere vielleicht irgendwie so sein wie es sich das Wesen dank seiner Vernunft vorstellt.
Die Hoffnung wächst, dass die eigene Vorstellung mehr ist als eine Fata Morgana.
Es scheint aber sehr schwierig, auszumachen, ob das Schauen von Spiegelungen auf irgendeine Art und Weise doch die Wahrheit offenbart.
Wird davon ausgegangen, dass der Mensch vernunftbegabt ist und die mythischen Hinweise eines Sokrates, Platons oder Moses zutreffen, dann könnte das menschliche Erbgut eine Art Gen enthalten, das religiöses Empfinden ermöglicht.
Den kanadische Neuropsychologen Michael Persinger[2] veranlasst dies zu folgender Überlegung: Wenn ich die fürs Religiöse zuständigen Hirnregionen eines Menschen stimuliere, verschaffe ich ihm damit auch religiöse Gefühle? Er entwickelte einen Helm, der ein sich bewegendes Magnetfeld erzeugt. Diesen Helm liess er Versuchspersonen zwanzig Minuten lang tragen. Vier von fünf Probanden beschrieben die ausgelösten Empfindungen als übernatürlich oder spirituell. Sie fühlten die Gegenwart eines höheren Wesens, eine Berührung Gottes, Transzendenz.
Demnach könnte ein allgegenwärtiges Wesen (“Geist in der Materie”) sich offenbaren. indem es das Gehirn beeinflusst und auf dem Weg der Spiegelungen religiöse Vorstellungen und Empfindungen erzeugt. Erscheinungen der Heiligen bekämen dann eine “natürliche” Erklärung.
Der “Umweg” über Spiegelungen sichert das kulturell bedingte, individuelle Verstehen und Auslegen des allgegenwärigen Wesens.
Der Logos des Mythos vollzieht sich dann als Phänomenologie des inneren Erscheinens.
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[1] nachzulesen in: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3776/1
[2] Neuropsychological Bases of God Beliefs; Praeger Publishers; 1 edition (October 15, 1987)
wfschmid - 14. Oktober, 05:25
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