Zwischen Mythos und Logos
Unterwegs erzählt Doxa der Vernunft, dass sie genau zwischen Logos und Mythos geboren wurde und lachend stellen beide fest, dass sie eigentlich gleich alt sein müssen. Allerdings haben sie keine Erinnerungen, weder an ihre Kindheit noch an ihre Jugendzeit. Vor dem Haupteingang zum Museum trifft Doxa zwei ihrer Freundinnen, die Zwilingsschwestern Episteme[1] und Piste. Die beiden begrüßen die Vernunft wie eine alte Bekannte. Zu viert betreten sie das Museum, in dem sie zu dieser Zeit kaum Besucher antreffen, obwohl der Eintritt frei ist.
Sie betreten den bedeutungslosen oder absoluten Anfang des Systems durch Zufall. Es ist eine Art Vorhalle, in der sich keine Werke befinden. Piste ist Theosophin und erklärt ihren Begleiterinnen, dass in diesem ersten aller Zeiträume noch das Nichts herrscht und aus dessen Sein erst Zeit und Raum werden. Dieser Ursprung allen Werdens wird auch Schöpfung genannt. Sie weist darauf hin, dass diese Ausstellung nicht den mythischen Schöpfungs-geschichten verschiedener Religionen folgt, sondern der Intuition Jedermanns, der offen ist, die Gegenwart seines Gottes zu erfahren.
Die Vernunft sieht sich vergeblich nach dem Zugang zum nächsten Raum um. Piste bermerkt das und erklärt “Jedes System ist Teil eines anderen Systems!” Wir merken das nicht, aber sobald wir reflektieren, dass alles Teil von allem ist, öffnet sich der Raum bzw. das System.
Diese Worte empfindet die Vernunft sympathisch, da für sie alles ohnehin nur als Gestalt einer gedachten Form erscheint.
Sie und Piste verlassen als erste den Vor-Raum der Vor-Zeit. Nach einiger Zeit folgt Doxa, die sich noch bemühte, Episteme behilflich zu sein.
Doxa fragt Piste, wo Episteme bleibt. Piste verweist auf deren übliche Schwierigkeiten, sich in der Welt des Glaubens fortzuwegen. Sie hegt aber keinerlei Zweifel daran, dass Episteme es schafft.
Schließlich gelangt auch sie in den erweiterten Raum. Die Vernunft erkundigt sich nach dem Grund für Episteme’s Verzögerung. “Ich musste erst alle wissenschaftlichen Prinzipien loslassen, um mich wieder bewegen zu können!”, sagt sie. Auf Nachfragen der Vernunft meint sie, dass Glauben und Wissen sich eben ausschließen. Dann fügt sie noch hinzu, dass wohl auch der Besuch in diesem Museum eine Hilfe darstellt, um sie zu verstehen. Es existieren nämlich systemübergreifende Sätze, nämlich Axiome, denen alle zustimmen, Wissende wie Glaubende.
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[1] ἐπιστήμη, episteme – Wissen, Wissenschaft, „wahre“ Erkenntnis und pisth, piste - „Glaube“
wfschmid - 23. Oktober, 05:15
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