Hinter dem Horizont

Die Vernunft konnte keine Ruhe finden, bis sie Lethe, den Strom des Vergessens entdeckte. Erst in der Bewegung des Werdens erkennt die Vernunft das ihr eigene Sein. Sie erfährt sich wieder ursprünglich: als Bilderleben. Bilder entstehen spielerisch und fließen ineinander, bevor sie wieder vergehen.
Und in dem Augenblick, in dem sie versucht, ein schönes Bild festzuhalten, erscheint ihr wieder der Verstand. “Was hast Du hinter dem Horizont zu suchen?”, will der Verstand von der Vernunft wissen. Die Vernunft antwortet dem Verstand, dass sie ihn gesucht habe. “Wer hat Dich 'getötet', damit Du mich finden kannst?” Die Vernunft erklärt, dass ihr das allein durch das Denken gelungen sei. “Niemand vermag durch Denken allein hinter den Horizont zu gelangen!” Die Vernunft verbessert sich und sagt, dass ihr das Denken eine Vision schenkte, also eine Vision, die sie hinter den Horizont schauen lasse. “Dann siehst Du mich also als Erscheinung?” Die Vernunft bejaht das. “Dann kennst Du ja auch jetzt mein Geheimnis?”. Weil die Vernunft vermutet, dass der Verstand jenes Werden meint, welches paradoxerweise als Sein erscheint, nickt sie.
Da die Vernunft den Verstand ja offensichtlich wahrnehmen kann, akzeptiert er die visionäre Grenzüberschreitung der Vernunft.
wfschmid - 3. November, 05:30
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