Neuschöpfung
Manche werden von ihren inneren Kräften gedrängt, ohne ihr besonderes eigenes Wort entdeckt zu haben. Weil sie es entweder nicht finden oder auch sich nicht für ein inneres Wort entscheiden können, versuchen sie, selbst für sich ein geeignetes Wort zu schaffen. Einige solcher Worte wie das “Sein”, “Wesen” oder “Begriff” waren sogar Entdeckungen, welche die gesamte Abendländische Philosophie über zweieinhalb Jahrtausende ganz entscheidend geprägt haben. Ein solches selbst geschaffenes Wort ist ein solch seltener Glücksfall, dass jeglicher Versuch von Anfang an aussichtslos erscheint.
Aber für sich ein bereits existierendes Wort neu zu entdecken, beinhaltet zugleich auch den Grund für neue, weil eigene Gedanken. Jeder große Denker denkt nur einen großen Gedanken, dessen vielfache Auslegungen sich spiralförmig aus einem einzigen Wort als dessen Urgrund entwickeln. Und manche Denker versuchen dem Sog des eigenen Wortes zu entkommen, weil sie nach einem neuen Weg suchen. Aber was immer sie auch unternehmen, letztendlich erhalten sie nur Färbungen des einen selben Gedankens. Aus diesem Grund haben auch künstlerisch Schaffende ihr eigenes, einziges Thema in allen jeweils möglichen Variationen. Die Stabilität eines Kerngedankens bergründet sich daraus, dass er als Kerngedanke einen Knotenpunkt aller kreativen Netzverbindungen darstellt und von daher alle schöpferischen Vorgänge auf sich konzentriert. Aussichten auf eine wirkliche Neuschöpfung als Zweitknoten ergeben sich nur aus radikalem Umgebungs- und Fachwechsel.
Gedicht
Ein Wort
von Annegret Kronenberg
Ein Wort liegt
zwischen uns.
Ein Wort verbindet uns.
Ein Wort trägt uns.
Liebe.
wfschmid - 13. Dezember, 06:45
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks