Von nichts kommt nichts
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Dieses Grundgesetz der realen Welt besagt, dass etwas gewesen sein muss, damit etwas sein kann. Jede Wirkung hat ihre Ursache, jeder Zweck seinen Grund, und Vernunft kann ohne Geist nichts werden. Wirklichkeit setzt Möglichkeit als notwendige Bedingung voraus.Die Wiege der Vernunft liegt in der angeborenen neuronalen selbstorganisatorischen Bildungsfähigkeit des Gehirns. Als gewaltiges geistvolles System erscheint es logisch zwangsläufig als Modellierung eines schöpferischen Geistes. Im Gegensatz zur Wirklichkeit der Tätigkeit des geschaffenen Geistes erscheint deren Existenz als Möglichkeit empirisch unzugänglich.
Nach dem Grundgesetz der realen Welt lässt sich allerdings die Ursache einer Wirkung naturgemäß nicht unmittelbar erfassen, sondern einzig und allein durch Rückschluss von Eigenschaften auf Wesentliches. Häufig wird aber aus dem Zurückgehen aufgrund eines ungeheuerlichen Trugschlusses Enttäuschung. Es wird nämlich fälschlicherweise erwartet, dass sich die ideale Welt der Möglichkeit genau so verhält wie die reale Welt der Wirklichkeit. Wird beispielsweise die reale Welt als Tätigkeit eines Schöpfers wahrgenommen, dann lässt sich der Schöpfer selbst als Erscheinung der idealen Welt niemals unmittelbar real wahrnehmen. In der realen Welt sind nicht mehr als Spuren der idealen Welt zu entdecken.
Nun behaupten allerdings Philosophen wie Platon, dass das geistbegabte Wesen über den Sinn des idein verfügen, der das Wahrnehmen der idealen Welt erlaubt.
Dieser Sinn ist allerdings nicht wie die anderen Sinne von Geburt an vorhanden, sondern muss allererst gleichsam als „neuronale Schlafende Knospe im Gehirn“ eigens geweckt werden. Letztlich ist es das Abenteuer, das Fantasie, Vernunft und Verstand erleben, jenes Abenteuer also, von welchem diese Erzählung hier handelt.
Die naturgegebenen Fähigkeiten des neugeborenen Wesens liegen darin, aus den Spielen der Sinnesreizungen und sich dadurch wiederholenden neuronalen Erregungen für sich einen Sinn zu gestalten.
Sinn bedeutet zuerst, über ein Muster verfügen, nach dem sich Verhalten koordinieren lässt. Es muss schnell ein Bewegungsablauf gefunden werden, der aus der vorgefundenen vollkommenen Hilflosigkeit befreit. Bewegungs- und Mitteilungsdrang sorgen durch natürliche unwillkürliche Verlautbarungen für erste Hilfen, um quälende Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Das natürliche neuronale Bildungsvermögen beinhaltet das emotionale Bewerten von Vergleichen und das Festhalten günstigen Vorgehens. Gleichzeitig finden natürliche Gestik und Mimik ihren Ausdruck, und motorische Fähigkeiten nehmen zu. Lernen, sich zu drehen, zugreifen, schließlich auch zu krabbeln und sich aufzurichten befreit zunehmend mehr aus der Fesselung des Unvermögens, sich auszudrücken und mitzuteilen. Die Entwicklung vollzieht sich rasant. Innerhalb eines Jahres wird aus einem hilflosen Neugeborenen ein neugieriges, aufgewecktes Wesen. Die im Wechselspiel zwischen Genen und Umwelteinflüssen entwickelte neuronale Architektur des Gehirns bietet der Vernunft längst ein weiterhin ausbaubares und erweiterbares Haus. Bereits in der Embryonalphase produzierte das wachsende Gehirn etwa 15 Millionen Zellen pro Stunde. Schon 10 bis 12 Wochen nach der Zeugung beginnen die Nervenzellen mit geordneten, zielgerichteten Aktivitäten. Schalt- und Regelkreise werden angelegt und Verbindungen vielfach mehrfach hergestellt. Mit dem Entstehen interaktiver kommunikativer Netze werden die Bedingungen für die Möglichkeit der Vernunft geschaffen. Bereits bei der Geburt verfügt das Gehirn über etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die noch klein und kaum vernetzt sind. Kurz nach der Geburt werden Verbindungen[1] geknüpft. Die entstehenden groben Muster werden nach und nach verfeinert. Allerdings werden mehr Verbindungen hergestellt, als das Gehirn jemals gebauchen kann. In der Folge werden dann Verbindungen, die nur selten oder nie benutzt werden, wieder aussortiert.
Aber je mehr Stimulationen das Gehirn erfährt, um so mehr Verbindungen bleiben erhalten. Viele Erfahrungen ermöglichen viele neuronale Möglichkeiten. Und je mehr Neuronen untereinander verbunden werden, um so höher wird die Leistungsfähigkeit des Gehirns. Jedoch kann die Vernunft erst von jenem Augenblick zum Vorschein gelangen, von welchem ab Erfahrungen und Erlebnisse aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden können.[2] Gleichzeitig mit dieser Fähigkeit entwickelt sich das Vermögen, sich in die Rolle und die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Antworten auf Geräusche, in Gesichter starren, Geräusche machen wie gurgeln und krähen, lächeln, Lachen und Bewegungen verfolgen sind Vorgänge[3], die sich als Bilderleben aktiv und passiv einprägen. Lautbilder sind z.B. aktiv wie selbsterzeugte Geräusche oder das Lachen. Da eingeprägtes Bilderleben und Vergegenwärtigen von Bilderleben durch Vergleichen Übereinstimmungen und Unterschiede zum Vorschein bringen, enstehen Bilderspiele und besondere Bild-Erlebnisse. Die Fähigkeit aufgrund verfügbarer Bilder Vorstellungen in Form von Erinnerungsbildern zu erzeugen, führt allmählich zum Geschick, sich auch zukünftige Bilder vorzustellen, auch wenn es sich dabei zunächst nur um vergangene Bilderlebnisse handelt, die nunmehr besser als die gegenwärtigen scheinen. Die Vernunft wird gleichsam als Antizipation der Zukunft aus der Gegenwart und aus der Vergangenheit gezeugt. Eine der ersten Nutzanwendungen der Vernunft besteht in der Bestellung einer in der Zukunft gesehenen Befriedigung eines Grundbedürfnisses. So erscheint die Venus vor 25000 oder 30000 Jahren als ins Werk gesetzte Prospektive einer wesentlich zum Leben gehörenden Erfahrung. Die Venus von der Hohe Fels und die Venus von Willendorf sind die ersten Zeugen aus der Kindheit der Vernunft.
Im Gegensatz zur Vernunft tritt die Intuition[4] als Sinn der idealen Welt nicht unmittelbar als Bilder-Leben in Erscheinung, sondern lediglich mittelbar als Gefühl. Wir können die ideale Welt nicht sehen, hören, ertasten, schmecken oder riechen, aber fühlen. Aber aus Gefühlen können Vorstellungen entstehen, die bisweilen sogar als Erscheinungen gedeutet werden. Wenn die reale Welt als ideale Welt fortbesteht, dann können dort Existierende nur über Gefühle kommunizieren. Gewöhnlich liegen aber über das Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten und Begreifen von Gefühlen kaum nennenswerte Ergebnisse vor. Es ist anzunehmen, dass hier die Erzählung des gemeinsamen Abenteuers von Fantasie, Vernunft und Verstand mehr Aufschluss geben wird.
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[1] Synapsen
[2] Das geschieht im Alter zwischen drei und vier Jahren (infantile Amnesie)
[3] innerhalb der ersten beiden Monate
[4] διαίσθηση
wfschmid - 7. Januar, 05:10
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