Dilemma
© urs
Eines der wenigen Bildungsgesetze der Natur ist die Alternative, deren „Entweder-Oder“ sich in der Regel in der Gleichzeitigkeit verbirgt. So vollzieht sich Werden sowohl als Entstehen als auch als Vergehen. Sobald ein Wesen geboren ist, ist es auch schon alt genug, um zu sterben. In jedem Anfang beginnt bereits das Ende.Alles entsteht aus dem Streit des Gegensätzlichen. Existieren vollzieht sich als ständiges Entscheiden für oder gegen eine Entwicklung. Jeder Moment ist ein Dilemma bzw. Zwiespalt zwischen Vergangenheit und Zukunft ohne Aussicht auf Gegenwart. Der Augenblick des Jetzt existiert nur als Idee. Das Aufgehen im Augenblick bleibt, will unerreichbar, negative Utopie.
Auch das Moment entkommt nicht der Unentschiedenheit der Perspektive oder des Aspekts. Jede Wirkung verweist auf ihre Ursache, die wiederum nach ihrem Grund verlangt. Und umgekehrt fordert jede Ursache ihre Wirkung heraus, weil deren Grund ihren Zweck verfolgt.
Alles ist zu Einem verflochten. Alles ist eines. Jedes Teil ist Teil eines Ganzen und zugleich selbst wiederum ein Ganzes, das Teile enthält. Und jeder Vorgang ist auch wiederum Rückgang. Das Verdichten kehrt sich in Auflösen um und das Hinzufügen in Wegnehmen.
Jede Wirklichkeit bejaht eine Möglichkeit und verneint zugleich eine andere. Auch die Vernunft ist in sich wiedersprüchlich angelegt. Bevorzugt sie Gedanken, so vernachlässigt sie jene, welche auch möglich gewesen wären.
Die Natur selbst ist durch die Information der Energie aus dem Streit zwischen Geist und Materie geboren, und sie hinterlässt Dunkle Materie als Spur dieses Dramas. Hinter dem Schwarzen Licht und jenseits der Dunklen Materie verbirgt sich unsichtbar ursprüngliche Information.
Auch der in einem Wesen sich wiederholende Anfang der Vernunft geschieht als spielerisches Entwirren gegebener Möglichkeiten nach angeborenen allgemeinen Regeln der Natur und unter besonderen Einflüssen jeweiliger Umgebungen.
Trotz individueller Vielfalt sind alle Entwicklungen in etwa vergleichbar.[1] Das verweist auf vorgegebene physische bzw. sensomotorische Grundmuster, welche die Entwicklungen vergleichbar organisieren.
Fantasie, Vernunft und Verstand fragen sich selbstverständlich unterwegs auch, welchem Grundmuster sie als Gruppe von ihrer Organisationsform her eigentlich folgen. Es ist ihnen schon klar, dass alles Werden sich dreifach entfaltet, nämlich von der Vergangenheit her in der Gegenwart auf die Zukunft hin. Sie können sich allerdings nicht erklären, wem welches Moment zukommt. Der Verstand mutmaßt, dass er für die Vergangenheit Verantwortung trage und der Vernunft die Zukunft gehöre, während die Fantsie die Vergangenheit in die Zukunft als Gegenwart gestalterisch überführe. Der Fantasie aber missfällt diese Überlegung, läuft sie doch darauf hinaus, dass es an ihr liegt, auf welche Art und Weise sie der Lichtgestalt begegnen werden.
Angesichts des Unbehagens der Fantasie fragt sich der Verstand, ob die Fantasie überhaupt zwischen realer und idealer Welt zu unterscheiden vermag. Vielleicht existiert für sie diese Trennung gar nicht. Statt lange zu spekulieren, erkundigt sich der Verstand bei der Fantasie.
Dabei stellt sich das Selbstverständnis der Fantasie als „prima inter pares“[2] heraus. Letztlich läuft das darauf hinaus, dass die Fantasie „Vernunft“ und „Verstand“ als zwei ihrer wichtigsten Tätigkeitsformen betrachtet. Vernunft ist das spielerische Gestalten und Verstand das spielerische Formen. Beide Tätigkeiten dienen zum Vergnügen und zum Entspannen des Geistes.
Die Fantasie gestaltet Existenz als Spiel, und zwar je nach Beruf als Theater- oder Sportspiel, wobei sie das Entarten zum Kampfspiel als Dominanz des Instinkts über den Geist betrachtet.
Der Verstand erkennt sich als Form der Selbstreflexion und vergegenwärtigt sich als eine der Tätigkeiten des Geistes. Das Personifizieren dieser Tätigkeit als Verstand dient dem Spiel der Fantasie mit sich selbst.
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[1] Entwicklung Monate 1 - 6
[2] Erste unter Gleichen
wfschmid - 8. Januar, 05:15
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