Sensibler Punkt

<<== Villa Hefti
Sensible Punkte sind Ereignisse, welche die Lebenslinie zeichnen. Es sind ausschlaggebende Momente einer Biografie. Manche versuchen, solche Punkte durch das Schreiben von Tagebüchern festzuhalten. Das gelingt kaum, da diese Ereignisse im Augenblick ihres Auftretens als sensible Punkte meistens nicht auffallen. Aber in seltenen Fällen tun sie das doch, indem sie verhaltensändernde Entscheidungen herbeiführen.
Von dieser Art von Auffälligkeit war beispielsweise Davids Besuch in der Villa, bei dem er eine ihm bis dahin völlig fremde Welt kennenlernte. Aber diese Begegnung führt keineswegs zu einer bewussten Änderung des Verhaltens, sondern es bleibt vielmehr ein Bild, das sich als "Ideal" im Unterbewusstsein festhält und von da aus wahrscheinlich anfängt, zukünftig Handeln in Richtung einer solchen Welt unbewusst zu beeinflussen. Interessant ist jedoch, dass dies zu keinem Zeitpunkt den Wunsch hervorrief, besonders reich zu werden, sondern lediglich so viel Geld zu verdienen, dass er sich darum nicht mehr zu sorgen braucht. Das hängt wohl vor allem damit zusammen, dass niemand von der Familie Hefti jemals den vorhandenen Reichtum besonders herausgestellt hätte. Diese andere Welt glänzte in Davids Augen nicht durch ihren Reichtum, sondern durch ihre besondere Andersartigkeit. So beeindruckte David besonders, dass sich Jean einfach Geld aus der Geldkassette nehmen durfte, wenn er es brauchte. Er musste nicht einmal fragen. Einmal wollten alle Kinder sich ein Eis holen. Bevor sie aufbrachen, fragte Jean's Mutter nur, ob er auch genügend Geld dafür habe. Jean sagte nur, dass er sich eine Mark aus der Kassette genommen habe und dass das seiner Überzeugung nach völlig ausreichen müsste. Jean's Mutter stimmte ihm lächelnd zu. Marie wollte von Jean wissen, ob er denn nie vorher fragen müsste. Jean verstand zunächst nicht, was Marie meinte. Dann fing er an zu lachen und fand es eine sehr lustige Idee, seine Mutter zu fragen, ob er Lust auf ein Eis haben dürfte. Aber Marie ließ nicht locker und fragte Jean: "Wie viel Geld darfst Du denn höchstens aus der Kassette nehmen?" Jean war höchst verdutzt über diese Frage. "Mhm, das weiß ich gar nicht. Habe ich noch nie ausprobiert!" Doch Christiane korrigierte ihren Bruder Jean: "Das stimmt doch gar nicht! Wir dürfen nur so viel nehmen, dass es noch für alle reicht!" Marie wollte von Christiane wissen, woher sie denn das wisse. Christiane lachte: "Natürlich weiß ich das manchmal nicht. Dann frage ich einfach meine Mamma!" Marie erklärte daraufhin, dass sie zu Hause immer fragen muss und dann nur so viel Geld bekommt, dass es gerade reicht. Damit war dieses Thema für die Kinder erledigt.
Als David an diesem Tag abends den Vater vom Büro abholte und nach Hause begleitete, erzählte er ihm von der Geldkassette in der Villa Hefti. Zur Überraschung Davids fand sein Vater diese Idee gar nicht schlecht und meinte, dass man das ja einmal ausprobieren könnte. Als er beim Abendessen diese Idee von der Geldkassette vortrug, gab es heftigen Streit und Betty drohte sogar mit Kündigung, wenn das gemacht würde. Sie wollte diese Kontrollmöglichkeit auf keinen Fall abgeben. Sie argumentierte, dass sie keine Verbrecher aufziehen werde. Da war also nichts zu machen. Es war nicht zu verstehen, warum Betty so explodierte. Der Grund lag vermutlich darin, dass sie selbst ein Haushaltsbuch führen und über jeden Pfennig Rechenschaft ablegen musste.
Verständlich… …irgendwie!
==>> Parfüm
wfschmid - 2. Juli, 05:05
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
