Wahrnehmen <> Erkennen
Wahrnehmen geschieht unbewusst und Erkennen bewusst.
Bewusstsein ist ein Moment des Bewusstwerdens. Das Auflösen des Bewusstwerdens in Momente geschieht durch den Verstand. Indem der Verstand Augenblicke des Bewusstwerdens erfahrungsbedingt aussucht, macht er diese auch zugleich zurecht. Im Bewusstsein erscheint nichts so wie es ist, sondern alles so wie wir es irgendwann einmal erfahren haben.
Wir erkennen nicht die augenblickliche, sondern eine gleichsam bereits erfahrene Welt. Im Wort „erkennen“ steckt aufgrund der Vorsilbe „er“ die Funktion „das zurückholen, was wir schon kennen“, weil wir es irgenwann einmal mehr oder weniger unbewusst erfahren haben. „Erholen“ bedeutet entsprechend, eine „bessere Befindlichkeit“ zurück holen (wieder herstellen)“.
Den ersten griechischen Philosophen war dieser Sachverhalt bewusst, weshalb für sie Erkennen zugleich immer auch ein Wiedererkennen war.
Sokrates demonstrierte diese Auffassung, indem er bei einem Sklaven nachwies, dass dieser den Satz des Pythagoras immer schon weiß. Wird er nämlich nur geschickt genug danach gefragt, dann kann er systematisch in sich suchen und den Lehrsatz des Verhältnisses der Quadrate über den Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks zum Quadrat über dessen Hypothenuse entdecken und zutreffend wiedergeben.