Eigenschaften eines Begriffs
Ein praktischer Begriff existiert als solcher erst dann und nur dann, wenn er sich als Handlungsvorlage oder Vorbild definiert. Der Praktikant repräsentiert eine erfolgreiche unterrichtliche Maßnahme, nämlich klare, sehr deutliche Zeichen, die signalisieren, worauf es im Augenblick ganz entschieden ankommt.
Praktische Begriffe werden durch wiederholtes Handeln definiert. Solche Begriffe können nur durch Praxis bewiesen werden. Der Beweisgrund ist kein System, sondern einzig und allein eine zuverlässige Übereinstimmung von Vorlage und vollzogener Handlung. Allein die Bildung praktischer Begriffe ermöglicht einem vernunftbegabten Wesen natürliches Lernen, das ist das Lernen durch Nachahmen (Imitation).
Praktische Begriffe ermöglichen keine unmittelbare Anwendung, sondern erfordern vorweg eine sorgfältige, situative Ableitung auf die eigenen Bedingungen des Handelns. So wäre es absurd, von dem gestrigen pädagogischen Begriff des Praktikanten abzuleiten, dass jede überlaute, undisziplinierte Lerngruppe mit einem lautstarken Signal des Lehrenden spontan zur Vernunft gebracht werden kann.
Die Verwendung nicht objektiver, praktischer Begriffe verlangt in jedem Fall deren Subjektivierung unter den augenblicklichen persönlichen Bedingungen. Will man versuchen, aus praktischen Begriffen Verallgemeinerungen zu gewinnen, so muss man versuchen, deren gegensätzliche Anwendungen zu superieren, also zu einem Oberbegriff zusammenzuführen. Das bedeutet, dass zwar in Bezug auf jedes Verhalten eines Lehrers deutliche Signale erforderlich sind, aber solche Signale je nach Persönlichkeit unterschiedlich ausfallen. Nicht nur eine laute Stimme kann Wirkung zeigen, sondern auch ein gelassenes, geduldig abwartendes Schweigen.
Praktische Begriffe können auch gefährlich sein, nämlich dann, wenn man sie für verallgemeinerbar oder gar allgemeingültig hält. Zu den am häufigsten falsch eingeschätzten praktischen Begriffen gehört zum Beispiel der Begriff der Freundschaft. Besonders Paare, die sich trennen, versprechen sich häufig, dass sie Freunde bleiben wollen. Wenn aber Leute, die sich trennen, von Freundschaft reden, unterstellen sie, dass sie die Freundschaft erhalten wollen, denn sie wollen ja, wie sie sagen, Freunde bleiben. Dieses Versprechen ist eine reine Schutzbehauptung, denn Freunde trennen sich nicht, wenn es schwierig wird, sondern versuchen mit ganzer Kraft, Schwierigkeiten zu beseitigen. Hier also entartet "Freundschaft" zu einem bloßen Alibi Begriff. "Wir wollen Freunde bleiben!" ist von vornherein ein falsches Versprechen, wahrscheinlich aus einer ebenso falschen Hoffnung heraus, sich doch noch ein Türchen offenzuhalten. Eine Freundschaft lässt sich aus besagten Gründen auch nicht kündigen. Freundschaften können sich sehr wohl von selbst auflösen, wenn sich das gemeinsame Ja zu etwas zersetzt.
wfschmid - 19. Dezember, 03:00
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