Buch Arete
Platon aber weist darauf hin, dass Protagoras von Grund auf irre, wenn er annehme, dass die Seele etwas sei, das sich denken ließe. Nicht von ungefähr schütze die Mythologie mit ihren Götterbildern die Seele als Geheimnis. "Hochmut kommt vor dem Fall. Wie also käme ich dazu, mich über die Götter zu erheben?"
Protagoras ärgert sich, dass ihm Platon nicht in die Falle ging, lässt sich aber natürlich nichts anmerken. Stattdessen erwidert er mit gespielter Freundlichkeit: "Oh, mein hoch geschätzter Platon, das verstehe ich sehr gut! Ich wollte Dich keineswegs versuchen! Aber sage mir doch, wie es jemandem möglich sein soll, sich an einem Geheimnis zu orientieren?" Platon erkennt Protagoras' heimtückische Absicht und fragt zurück: "Orientierst Du Dich nicht etwa auch an dem, was Dir die Priester sagen, ohne deren Geheimnisse zu durchschauen?"
Für Protagoras wird jetzt das Gespräch zu eng, und so versucht er verlegen abzulenken. Er tut so, als sei ihm urplötzlich etwas sehr Wichtiges eingefallen. Protagoras stellt zur großen Überraschung aller die Frage in den Raum: "Entschuldigt, aber das ist mir soeben eingefallen: Feiert nicht Arete heute den Tag ihrer Geburt?" Schallendes Gelächter von Xanthippe und Myrtho. Myrtho erklärt das immer noch vor Lachen prustend: "Xanthippe, habe ich es Dir nicht soeben zugeflüstert: 'Gleich kommt er mit Aretes Geburtstag!' ". Xanthippe bestätigt das lachend.
Arete mischt sich ein: "Ihr wisst doch, dass der berühmte Protagoras noch nie mit seinem Fuß in einer Falle ertappt wurde, weil er es versteht, rechtzeitig mit einem Ereignis, das für seine Zuhörerschaft wichtiger ist, abzulenken!"
Protagoras reagiert schnell. Weil er in Gesichtern zu lesen versteht, erkennt er spontan und drückt es aus: "Ihr irrt Euch alle, denn jeder von uns weiß um diesen besonderen Tag. Aber nur mir ist der Brauch einer gemeinsamen Gratulation eingefallen!"
wfschmid - 7. Januar, 04:30
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