1. Mythos 3
2. Vom Ursprung der Menschheit 4
3. Bild-Erleben des Bilder-Lebens 6
4. Wie Denken entsteht 10
5. Im Gedankenlabor 13
6. Glauben statt denken 17
7. Kraft Intuition 21
8. Verlässlichkeit der Intuition 24
1. MYTHOS
Gott bildet den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden
Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, zu der Zeit, als Gott der Herr Erde und Himmel machte.
Es war aber noch kein Strauch des Feldes gewachsen auf der Erde, noch irgendein Kraut auf dem Feld; denn Gott der Herr hatte es noch nicht regnen lassen auf der Erde, und es war kein Mensch da, um das Land zu bebauen. Aber ein Dunst stieg beständig von der Erde auf und be
wässerte die ganze Fläche des Erdbodens.
Da bildete Gott der Herr den Menschen, Staub von der Erde, und blies den Odem des Lebens in seine Nase, und so wurde der Mensch eine lebendige Seele.
Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden, im Osten, und setzte den Menschen dorthin, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ allerlei Bäume aus der Erde hervorsprießen, lieblich anzusehen und gut zur Nahrung, und auch den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
Es ging aber ein Strom aus von Eden, um den Garten zu bewässern; von dort aber teilte er sich und wurde zu vier Hauptströmen. Der erste heißt Pison; das ist der, welcher das ganze Land Hawila umfließt, wo das Gold ist; und das Gold dieses Landes ist gut; dort kommt auch das Bedolach-Harz vor und der Edelstein Onyx. Der zweite Strom heißt Gihon; das ist der, welcher das ganze Land Kusch umfließt. Der dritte Strom heißt Tigris; das ist der, welcher östlich von Assur fließt. Der vierte Strom ist der Euphrat.
Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre. Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du gewisslich sterben!
2. VOM URSPRUNG DER MENSCHHEIT
Die Geschichte vom Ursprung der Menschheit und somit eine überlieferte Sage von der Wiege aller Kulturen, die maßgeblich vom Monotheismus geformt wurden.3 Das Bild von einem friedlichen, angenehmen Ort in verschiedensten Religionen immer wieder aufgegriffen worden.4
Das Erwachen der Vernunft in der Geschichte der Menschheit geschieht, indem der Mensch Bewusstwerden vor allem als Bilderleben erfährt. Er versucht sich alle natürlichen Ereignisse mit Hilfe der Bilder von Göttern zu erklären. So ist Γαῖα Gaía oder Γῆ Gḗ die griechische Muttergöttin der Erde; sie entstand aus dem Chaos. Gleichzeitig ist sie auch die Muttergöttin aller weiteren Götter in Griechenland. Aus ihr entsteht alles Leben und das Wachstum der Natur. Sie ist die “dauerhaft Schwangere” in der griechischen Mythologie und wird auch als personifizierte Natur dargestellt.
Die Welt wird aus dem Chaos geboren. Diese Geschichte gleicht keiner anderen, denn sie beginnt vor langer, langer Zeit, früher als alle Geschichten, die je erzählt worden sind. Um sie wirklich von vorn zu beginnen, müssen wir weit zurückgehen und uns auf die Suche nach dem Anfang machen, dem Anfang der Zeit, den es niemals gegeben hat... In jener fernen Vergangenheit existierte bereits seit undenklichen Zeiten ein Gott, der den Namen Chaos trug. Chaos lebte ganz allein, um ihn herum war nichts als völlige Leere. Es gab weder Sonne noch Licht, weder Erde noch Himmel, nichts als unendliche Leere und tiefe Dunkelheit.
Tiefe Intuitionen der Vernunft deuten den Anfang von allem als allgegenwärtige Unordnung. Diese Unordnung wird personifiziert „Chaos“ genannt. Außer Unordnung existiert nichts. Aber Chaos leidet unter seiner Einsamkeit zunehmend. Die Unordnung ‚schwächelt‘ gleichsam und beginnt, sich aufzulösen. So gebar Chaos als Erstes die Erdgöttin, die die Griechen Gaia nennen. Sie war unbeschreiblich schön. Voller Kraft und Leben wuchs sie heran, wurde breit und fest und umschloss unermessliche Weiten in ihrer Umarmung. Auf sie gründete sich unsere Welt. Dann brachte Chaos den furchtbaren Tartaros und die schwarze Nacht hervor und gleich darauf den lieblichen, strahlenden Tag.
Das Reich des Tartaros war über alle Begriffe tief und dunkel, es lag so tief unter der Erde wie das Chaos über ihr. Wenn man einen eisernen Amboss aus dem Chaos fallen ließe, so würde er neun Tage und neun Nächte fallen und erst im Morgengrauen des zehnten Tages die Erde erreichen. Fiele er hierauf von der Erde weiter in den Tartaros hinab, wäre er abermals neun Tage und neun Nächte unterwegs, bis er endlich in der Morgendämmerung des zehnten Tages die tiefste Tiefe des Tartaros erreichen würde. So tief unter der Erde lag der Tartaros, deshalb war die Dunkelheit in ihm undurchdringlich und schwarz. Zudem war er grenzenlos. Könnte man ihn betreten, würde man ewig fortschreiten, von rasenden Wirbelwinden vorangetrieben, und hätte selbst in einem Jahr das andere Ende nicht erreicht.
Mitten in dieser schrecklichen Gegend, die sogar von den Unsterblichen gefürchtet wurde, erhob sich das dunkle Schloss der Nacht, das in alle Ewigkeit in schwarze Wolken gehüllt war. Hierhin zog sich die Nacht bei Tagesanbruch zurück, und wenn der Abend dämmerte, breitete sie sich erneut über die Erde aus.
Nachdem Chaos sein Werk vollendet hatte, war es an der Zeit, dass die Erdgöttin bei der Erschaffung der Welt half. Sie wollte mit etwas Schönem beginnen und gebar die Liebe, die Göttin, die die Schönheit des Lebens in die Welt brachte. Dann gebar sie den endlosen blauen Himmel, die Berge und das Meer, mächtige Götter, von denen Uranos, der Himmel, der stärkste war. So gestaltete Gaia, die Mutter aller Dinge, die Welt, und sie fand Gefallen an ihrer Schöpfung.
Nun war Uranos der mächtigste Gott. Er hüllte die Erde in seinen blauen Mantel und bedeckte sie von einem Ende zum anderen. Sein prächtiger goldener Thron wurde von vielfarbigen Wolken getragen, von ihm aus herrschte er über die ganze Welt und alle Götter.
Uranos heiratete Gaia und zeugte mit ihr viele Götter, unter ihnen die zwölf Titanen, von denen sechs männlichen und sechs weiblichen Geschlechts waren. Von riesenhafter Gestalt, verfügten sie über gewaltige Kräfte. Einer von ihnen, Okeanos, breitete sich über die ganze Erde aus und erfreute sich einer zahlreichen Nachkommenschaft. Alle Flüsse der Erde waren seine Kinder, und seine dreitausend Töchter, die Okeaniden, galten als Göttinnen der Quellen und Bäche.
Ein anderer Titan, Hyperion, zeugte mit der Titanin Theia drei anmutige Götter: die helle Sonne, die rosenfingrige Morgendämmerung und den silbernen Mond….
3. BILD-ERLEBEN DES BILDER-LEBENS
Das Bilderleben der Götter zeugt von der Vorherrschaft der Fantasie. Sie ist es, die menschliche Triebe und Bedürfnisse in anschauliche Bilder übersetzt. Aber es steht intuitiv zu vermuten, dass auch hier Ermüdungserscheinungen auftraten. Erst mit der Entwicklung der Sprache wird das Bilder-Leben der Fantasie durch die Vernunft geregelt. Durch das Versprachlichen der Bilder lassen sich diese reflektieren. Es ist die innere Stimme, die solche Reflexionen kommentiert.
Sprache repäsentiert kommentierte Bilder und ermöglicht so das sprachliche Regeln des Bilder-Lebens, indem Bilder-Leben zum Bild-Erleben wird. Diese Erlebnisse lassen religiöse Menschen die Widersprüche ihrer Götterwelt bewusst werden. Durch solche Widersprüche verlieren Götter so sehr an Macht, dass ihre Welt zusammenbricht.
Aber der Verlust ihrer Götter lässt vielen Menschen ihr Dasein als sinnlos erscheinen. Immer mehr Fromme entziehen sich solcher Sinnlosigkeit, indem sie sich das Leben nehmen. Angesichts einer ständig wachsenden Selbsttötungsrate sucht der Philosoph Sokrates nach einem annehmbaren Ersatz für die verzweifelten Gläubigen.
Dem göttlichen Wesen entsprechend darf der religiöse Ersatz weder sinnlich vernehmbar noch vergänglich sein.
Das Bewusstsein von der Ungerechtigkeit der Götter initiiert die Frage nach dem, was Gerechtigkeit eigentlich auszeichnet.
Nach Aristoteles ist Sokrates der erste, der nicht nur danach fragt, woraus etwas geworden ist, sondern danach, was es ist (τί ἐστι).
Ziel des Sokratischen Fragens ist eine allgemein gültige, unbezweifelbare Definition (ὁρισμός), die er in Gesprächen mit seinen Gesprächspartnern entdecken will. Dabei gibt sich Sokrates nicht mit einzelnen Fällen oder Beispielen einer Sache zufrieden.
So fragt er nicht nach Beispielen gerechten Handelns, sondern möchte wissen, was die Gerechtigkeit selbst ist. Er fordert seine Gesprächspartner auf, das Allgemeine (καθόλου, wörtlich: hinsichtlich des Ganzen) aus dem Einzelnen (ἕκαστον) herauszuarbeiten. Das ist das, was bei aller Mannigfaltigkeit der Einzelfälle immer identisch bleibt. Aristoteles erklärt (Metaphysik, 1078b):
„Zweierlei ist es, was man mit Recht dem Sokrates zuschreiben kann: die Induktionsbeweise und die allgemeinen Definitionen; dies beides nämlich geht auf das Prinzip der Wissenschaft. Sokrates setzte das Allgemeine und die Begriffsbestimmungen nicht als abgetrennte, selbständige Wesen; die Anhänger der Ideenlehre aber trennten es ab und nannten diese Ideen der Dinge."
Aristoteles nennt das Allgemeine, das vielem Besonderen zukommt, das Wesen (οὐσια) einer Sache. Er nennt den Begriff auch oft "λόγος und ὅρος", um die Notwendigkeit der sauberen Ab- oder Eingrenzung in Bezug auf das vielerlei Einzelne aufzuzeigen. Daher rührt auch der lateinische Ausdruck für Begriff „definitio“ (Abgrenzung).
Mit der Entdeckung des Allgemeinen bzw. Wesens findet Sokrates das gesuchte, sinnlich nicht mehr Vernehmbare, das allen einer Gottheit gleich, als Orientierung zu dienen vermag.
Geschichtlich entwickeln sich Definitionen zunehmend mehr zu Vorgaben des Handelns. Am deutlichsten wird das an mathematischen Formeln, gleichsam Handlungsanweisungen zur Berechnung von etwas.
Gute Texte inszenieren im Bewusstsein anschauliche Bilder. Brauchbare Texte sind Drehbücher für Filme im Kopfkino.
Geometrische Formeln gleichen Drehbüchern. Die Formel (g*h)/2 inszeniert das Gestalten und Berechnen beliebiger Dreiecksflächen. Sobald diese Formel erkannt wird, gestaltet sich im Bewusstsein Konstruieren und Berechnen eines Dreiecks. Analog zum Kino nennt sich dieses Geschehen zutreffend "Vorstellung".
Nur wenn wir Texte lesen, die innere Bilder erzeugen und zu einer Geschichte verbinden, denken wir. Denken bedeutet Bilderleben. Nur wer Bilder im Kopf hat, denkt.
Der Satz "Auf den Wiesen blüht der Löwenzahn" inszeniert innere Bilder von Frühlingswiesen. Der Gedanke gelangt hier als innere Anschauung einer Frühlingswiese zum Vorschein.
Wer sich hinreichend Zeit lässt, um dieses Bild zu betrachten, kann auch Tiere hören und Düfte riechen, eben das, was zu seiner selbst erfahrenen Frühlingswiese gehört.
Der Satz "Denken bedeutet Bilderleben!" lässt sichselbst als Bildfolge vorstellen! Diese Bildentwicklung funktioniert allerdings nur dann, wenn es gelingt, "Bilderleben" als Videoclip im Kopfkino zu projizieren.
Wer Sie sich konzentriert genug vorzustellen versucht, was genau "Bilderleben" meint, dann wird plötzlich auffallen, dass dieses Wort zweideutig ist, nämlich sowohl Bilder-Leben als auch Bild-Erleben bedeutet.
Jetzt ist zu überlegen, was diese Zweideutigkeit besagt. Eine schöpferische Idee ist gefragt.
Sobald im Bewusstsein etwas fraglich geworden ist, wir dieses an das Unbewusstsein übergeben. Dieses sucht spielerisch nach einer Antwort und sendet diese als Eingebung wiederum an das Bewusstsein.
"Bilder-Leben" ist ein inneres Geschehen, das als Tätigkeit der Fantasie erkannt wird. Beim "Bild-Erleben" muss es sich folglich um eine bewusste Auswahl eines Bildes handeln. Diese Momentaufnahme wird dann als anschaulicher Bewusstseinsinhalt vergegenwärtigt.
Erinnert man sich beispielsweise an seine Kindheit, dann tauchen viele Bilder aus der Tiefe des Unbewussten auf. Aber eines dieser Erinnerungsbilder erscheint im Augenblick als besonders interessant, und man entscheidet sich, dieses eingehender zu betrachten. Das könnte beispielsweise angesichts der Erinnerungen an das Kinderzimmer ein ganz bestimmtes Spielzeug sein, vielleicht, weil mit diesem besonders gern und häufig gespielt wurde.
Das Bewusstsein entwickelt mit Hilfe des Unbewusstseins das Bild vom Lieblingsspielzeug nach und nach klarer, bis man seinen Teddy oder Spielzeugbahn ganz klar vor Augen hat. Das ist mit Bild-Erleben gemeint!
Die Auswahl eines Bildes des Bilder-Lebens wird gewöhnlich durch einen Trieb oder ein Bedürfnis oder auch von einem verstandesmäßigen Beweggrund geregelt.
4. WIE DENKEN ENTSTEHT
Ich höre das Wort „Haus“ und erinnere mich an mein Elternhaus (Bilderleben). Ich stelle mir die einzelnen Räume vor (Bilder-Leben), und ich habe das Bedürfnis, länger im Wohnzimmer zu verweilen (Bild-Erleben).
Während der Vergegenwärtigung erfahre ich, wie momentane Emotionen meine erinnerten Ansichten regeln und den inneren Blick auf Details lenken.
Ich interessiere mich dafür, den Vorgang der Vergegenwärtigung näher zu betrachten, und ich kann zwei parallele Vorgänge betrachten, nämlich die logische Tätigkeit der Vernunft, die Regie dieser inneren Inszenierung führt und Erfahrungen empirisch – so, wie ehemals erlebt – erfahren lässt. Die Vernunft strukturiert gleichsam die Abfolge der inneren Bilder der Erfahrung, die vorwiegend emotional gestaltet werden. Ich erlebe das wie in einem Film im Bewusstsein.
Das Interesse für den empirischen und logischen Aspekt des Bewusstwerdens initiiert das Betrachten der Art und Weise seines Werdens. Intuitiv entsteht die Entwicklung der Vergegenwärtigung eines Vorhabens.
Beide (parallelen) Konstituenten basieren auf Intelligenz, Begabung und Kompetenz. Intelligenz ist die Fähigkeit zu ordnen, also zu strukturieren und zu systematisieren. Begabung meint talentiertes, schöpferisch spielerisches Kombinieren. Kompetenz beruht auf erfolgreichen, praktischen Erfahrungen. Intelligenz, Begabung sind von Geburt an gegebenen und entwickeln jene individuellen Kompetenzen, welche das Selbst ausmachen.
Die o.a. Darstellung empirischen und logischen Bewusst¬werdens repräsentiert das, was sich auf Grund inneren Betrachtens intuitiv erfassen, beobachten und begreifen lässt.
Dieser komplexe Vorgang wird seither „Denken“ genannt. Wenn man aber von Denken spricht, dann meint man in der Regel die Dominanz der logischen Konstituente, durch welche das empirische Konstituieren zu erklären versucht wird. Der Vollzug eines solchen Erklärungsversuches wird bisweilen auch als Gedankenlabor (inneres Schauen) bezeichnet.
5. IM GEDANKENLABOR
as Gedankenlabor lässt sich als Regelkreis auffassen. Um ein Gedankenlabor betreten zu können, bedarf es einer maßgeblich bestimmenden Vorstellung, eines Bildes oder einer Idee. Während dieser Fokussierung stellt sich mir die Frage, wie wohl die Menschen des Altertums das Philosophieren entdeckten. Diese Frage stellt sich, weil sich das Philosophieren eben genau so vollzieht wie das, was ich im Augenblick erfahre, nämlich als ein nach innen schauen, um verstehen zu lernen, was da geschieht.
Jetzt stellt sich spontan eine Antwort auf die Frage ein, warum die Menschen zu philosophieren anfingen.
Es war reine Neugier. Es ging also darum, ein ganz natürliches Bedürfnis zu befriedigen, nämlich die eigenen Erfahrungen verstehen zu lernen. In diesem Augenblick fordert mich spontan die Frage heraus: „Wenn es um das Erkennen geht und dieses als natürliches Bedürfnis hervorscheint, warum verbietet dann Gott den ersten Menschen im Paradies, vom Baum der Erkenntnis Früchte zu essen?“ Aber nun ermahnt mich die innere Stimme, nicht vom aktuellen Gedankengang abzuschweifen und zur aktuellen Situation im Gedankenlabor zurückzukehren, um sich erneut auf das Bewusstwerden zu konzentrieren. Sie verweist darauf, dass ich ja auf den Mythos vom Paradies zu gegebener Zeit eingehen kann.
Ich kehre zur verlassenen Vergegenwärtigung des Bewusst¬¬werdens zurück, und entdecke, dass sich dieses als Folge von Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten und Begreifen vollzieht. Ich nehme die blaue Jeansjacke wahr, und während ich sie betrachte, beobachte ich – mich erinnernd -, wie ich sie gemeinsam mit Ulrike gekauft habe. Und ich begreife, wie wertvoll sie für mich ist, weil sie mich voll Trauer an meine verstorbene Frau erinnert.
Wie geht es nun weiter, denn die gestellte Antwort scheint doch beantwortet. Aber die innere Stimme erinnert – mich ermahnend – an das maßgeblich bestimmende Leitmotiv dieser Abhandlung. Es handelt sich noch immer um die vor Jahrzehnten im Buch „Totzeit“ gestellte Frage, nach dem, was nach dem Tod geschieht.
Es geht mir nach wie zuvor um die Frage, was nach dem Tod mit dem Menschen geschieht. Begegnet er tatsächlich einem göttlichen Wesen?
Die Seele verlässt den sterbenden Körper nicht, um gegen Himmel zu streben, sondern vielmehr, um sich aus der Enge des Bewusstseins zu befreien.
In der Vision des Todes lässt sich diese Selbstbefreiung in etwa antizipieren. Während körperliche Kräfte schwinden, lichtet sich der Geist. Logische Netze zerreißen und neuronale Irrlichter spenden transzendentales Licht. Erfahrene Gefühle geleiten die sterbend erwachende Seele in die Unendlichkeit.
Nichts bleibt, das noch irgendwie Halt böte. Die befreite Seele lässt sich in ewiges Werden fallen. Während der Auflösung von Raum und Zeit allmählich gewinnt sie Halt im Loslassen. Nach und nach findet sie sich emotional zurecht und sucht sich gefühlsmäßig mit zurückgelassenen Seelen zu verbinden.
Die trauernde Seele empfindet diese Bindung als Nähe und die innere Stimme übersetzt diese Verbindung in schweigende Worte der Gefühle. Statt zu hören, vernimmt sie diese emotionalen Zeichen als Mitteilung der geliebten Seele hinter dem Horizont.
Auf diese Art und Weise wird die tot geglaubte Seele als lebendige Allgegenwart erfahren. Glauben, Hoffen, Lieben vergegenwärtigen nunmehr emotionale Geborgenheit.
Kontakt zwischen den Welten des Lebens und des Todes ermöglicht kontemplatives Schauen und Verstehen von Spiegelungen ewigen Seins. Solche transzendentalen Reflexionen entbergen jenes Werden in allgegenwärtiger Anwesenheit, gleichsam als wahrer Schutzgeist (daimónion).
Gott als mythischer Sammelname für alles Unerklärliche bleibt hinter dem Horizont offensichtlich unwirksam. Mythologisch versprochene Himmel versinken glücklos in ewigem Werden.
Zurechtfinden, Vergegenwärtigen und Verstehen in rein emotionalen Werden vollzieht sich rein intuitiv und muss erst behutsam erworben und dann achtsam erlernt werden. Kontaktaufnahme aus dieser Ferne in die Nähe trauernder Hinterbliebenen erweist sich in jeder Hinsicht als äußerst energieaufwendig.
Dieses Motiv wird durch den Titel formuliert. Er gibt die Form jener Linie vor, welche den Verlauf der Textgestaltung markiert. „Warum Gott dem Menschen das Erkennen seines Wesens verwehrt“ verlangt als Titel zunächst, darzustellen, wie sich wesentliches Erkennen vollzieht, um überhaupt verstehen zu können, warum es Gott verbietet.
6. GLAUBEN STATT DENKEN
Glauben ist die emotionale Art und Weise zu denken. Analog zum Gedanken als Bild-Erleben des Denkens scheint Intuition als Bild-Erleben des Glaubens hervor.
Wir glauben mehr als wir denken. Wir verlassen uns weniger auf objektives Wissen als vielmehr auf das, was sich uns als subjektiv vertrauenswürdig erscheint. Denken wird durch äußeres Wahrnehmen geregelt, Glauben aber durch inneres Wahrnehmen.
Äußeres Wahrnehmen steht für das sinnliche Erfassen wie Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten. Wahrnehmungsinhalte können durch Worte vertreten werden. Wenn ich beispielsweise sage: "Ich sehe ein Auto!", dann stellt man sich ein ganz bestimmtes Auto vor. In der Regel wird mit dem Lesen eines Wortes also auch ein entsprechendes Bild dazu durch Erinnern ins Bewusstsein projiziert.
Selbst das Wort "Wahrnehmen" sollte eine konkrete Wahrnehmung projizieren. Wird aber mit dem Lesen eines Wortes nicht zugleich auch eine konkrete Vorstellung (Innenbild) dazu bewusst, dann wird entweder nicht aufmerksam bzw. konzentriert genug gelesen oder das Wort ist unbekannt.
Seelisch vollzieht sich Bewusstwerden als gefühlsmäßig rückgekoppelte Wechselwirkung von Körpersinn und limbischem System und auch als gefühlsmäßige Widerspiegelung während des Erinnerns.
Der Körpersinn wird uns nur selten bewusst. Es wird kaum klar, auf welche Weise er uns organisiert. Ohne den Körpersinn könnten wir uns weder leicht fortbewegen noch Geräte bedienen, weder Sport treiben noch im Dunkeln hantieren. Und nicht nur unseren Körper erfühlt dieser sechste Sinn: Mit ihm spüren wir, wie der Sessel, auf dem wir sitzen, geformt ist. Wir können schätzen, wie viel noch in der Milchtüte ist, wenn wir sie bloß anheben und etwas schwenken.
Der Körpersinn informiert uns über Masseverteilung, Schwerpunkt und Balance, darüber, welche Wirkung welche Kräfte auf Bewegungen haben. Mit seiner Hilfe navigiert der Kellner ein überladenes Tablett über den Köpfen der Gäste.
Der Körpersinn lässt Werkzeuge wie Messer und Gabel, Hammer oder Schere, sogar das Auto zu Körperteilen werden. Einen Pinsel spüren wir bis in die Spitze.
Anders als beim Riechen oder Hören hat der Körpersinn kein spezifisches Organ. Wir nehmen den Körper und seine Haltung mit mehreren Teilsinnen wahr: Mit dem Tastgefühl und eben auch mit dem Gleichgewichtssinn, vor allem aber mit sogenannten Tiefensensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken. Winzige Messstationen informieren unser Gehirn dauernd über Stellung, Spannkraft und Bewegung der Körperteile. In den Armen, im Rumpf und den Beinen dominieren sie den Körpersinn. Das Gefühl für die beim Menschen besonders hoch entwickelten Hände entsteht dagegen gleichermaßen aus Tiefen- und Tastsinn.
Eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung des Körpers spielt das Gedächtnis, denn die Interpretationen von Tiefensinn und Tastgefühl müssen nach der Geburt erst erlernt werden.
Wie fühlt es sich an, eine Tür zu öffnen? Viele Male muss ein Kind zugreifen. Doch wenn es genug Erfahrung gesammelt hat, sieht es einer Tür von weitem an, wie schwer- oder leichtgängig sie ist. Auch eine große Eisenkugel sieht aus der Entfernung schwer aus, wenn wir mit Eisen schon hantiert haben.
Wechselwirkungen zwischen Vernunft und Verstand bzw. zwischen Bilder-Leben und Bild-Erleben gelangen wie gesagt seelisch zum Ausdruck. Gefühle vergegenwärtigen jeweilige Verhältnisse zwischen wahrnehmender Vernunft und als wahr bestimmenden Verstand.
Unzufriedenheit fordert entweder die Kritik am aktuellen Bilder-Leben oder am gegenwärtigen Bild-Erleben heraus. Das Gefühl der Unzufriedenheit gibt das Suchen nach möglichen Gründen an die Vernunft zurück und diese veranlasst den Verstand, das zu klären.
Gelingt das nicht, entsteht angesichts solcher Unentschiedenheit unter Umständen ein schwerer Konflikt zwischen Vernunft und Verstand. Bei wichtigen existentiellen Unentschiedenheiten kommt es gar zur körperlichen Erkrankung.
"Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust (= Staub) Zu den
Gefilden hoher Ahnen."
Die Auseinandersetzung zwischen Vernunft und Verstand kann sich auf einen Streit zwischen Glauben bzw. persönlich akzeptiertes Bilder-Leben und Wissen bzw. bewiesenes, verallgemeinertes Bild-Erleben zuspitzen. So führt beispielsweise die Frage nach der Existenz Gottes zwangsläufig in eine Entscheidung zwischen Glauben und Wissen.
Die Frage nach der Existenz Gottes ist keine Wissensfrage, sondern eine Glaubensfrage. Solange sich der Verstand nicht systematisch damit befasst, bis eine Antwort gefunden wird, bleiben quälende Zweifel.
Es existieren vor allem zwei informative Kräfte, gegen die man sich gewöhnlich nicht wehren kann, die äußere Kraft sinnlichen oder körpersinnlichen Wahrnehmens und die innere Kraft fantastischen Vorstellens.
Wir nehmen ständig wahr projizieren oder fantasieren. Die Fantasie setzt Unbewusstes spielerisch um und beschäftigt uns zwei Drittel eines Tages mit Träumen von unserer Zukunft oder von unserer Vergangenheit in Nachträumen.
Während der Verstand sinnliche Wahrnehmungen auf Grund von Erfahrungen leicht deuten kann, tut er sich mit der Deutung von Fantasien oft schwer.
Die Fantasie lässt dichten, zeichnen, malen, komponieren oder Neues entwerfen und technisch entwickeln. Als Vermittlerin schöpferischer Kräfte des Unbewussten fördert sie Unbekanntes zutage oder inszeniert auch Visionen des Göttlichen.
Die Fantasie übersetzt gefühlte Schwingungen in unverbindlich spielerisches Bilder-Leben für den Verstand, bisweilen sogar unter dem Motto "Hic Rhodus, hic salta!"
Fantasie ist schöpferisches Umgestalten erinnerter Erfahrungen, bevor Verstand Bild-Erleben projiziert. Seele ist vorbewusstes Empfinden und Abstimmen von Reizen auf Bedürfnisse und Erfahrungen, bevor Vernunft Bilder-Leben inszeniert. Weil Erfahrungen mit einfließen, wirkt Fantasie schönfärbend mittelbar mit.
Bewusstwerden wird vom Unbewussten vorbewusst geformt und von Fantasien gestaltet. Bewusstwerden vollzieht sich als nachträgliches Schauen dieses Geschehens.
Wir nehmen zu spät wahr, was geschehen ist. Der Verstand erfährt die Vernunft nachträglich. Wir können nur vorwärts leben, verstehen aber müssen wir rückwärts!
7. KRAFT INTUITION
Von klein auf, musste ich auf mich selbst verlassen. Eine Mutter, die uns Kinder vernachlässigte, und ein kriegsblinder Vater, der selbst auf Hilfe angewiesen war, zwang mich wohl aus Not zur Selbständigkeit. Aber diese Selbständigkeit spielte sich bei jedem Kind vor allem in meiner Fantasie ab. Um eine kindliche Spielwelt inszenieren zu können, bedarf die Fantasie des Denkens. Genauer gesagt: Fantasieren ist Denken, bei dem die spielerische Vorstellungskraft dominiert.
Neugier treibt das Denken an, das deshalb auch als Suchen mehr oder weniger bewusst erfahren wird. "Wer sucht, der findet!" Einem Kind verhilft die Fantasie ihm gemäße Welten zu entdecken. Wenn ich mich recht erinnere, dann war ich etwa vier Jahre alt, da erfuhr ich körperlich sinnlich, wozu mir sonst nur die Spielwelt meiner Fantasie verhalf.
Ich lag im Krankenhaus unter einem Sauerstoff-Zelt, und ich konnte mir ganz sicher sein, vor allen Unbilden geschützt zu sein. Vermutlich lag ich dort wegen einer Misshandlung durch meine Mutter. Ich vermute das, weil meine Mutter zu dieser Zeit zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Gesagt hat mir das niemand; lediglich Nachbarn haben so etwas angedeutet.
Jedenfalls entdeckte ich das Denken unbewusst als Möglichkeit, mich wie unter einem Sauerstoffzelt zu schützen.
Gedanken formen, das bedeutet, innere Wegmarken zum Selbstschutz zu gestalten. Gedankenfolgen weisen dann den erhofften Weg.
Der erste Versuch dieser Art bestand für mich als Kind in der Suche nach Gott.
Zu denken vermögen bedeutet, Unsichtbares sehen können. Wie jeder weiß, ist Gott unsichtbar. Das erschwert das Suchen erheblich. Weil das den meisten sehr klar ist, suchen sie erst gar nicht. Mir aber erschien dieser Weg gerade recht.
Obgleich Gläubige Gott nicht sehen können, glauben sie fest, dass er existiert. Vom Hörensagen ist ihnen Einiges bekannt. Der kürzeste Weg in die Gerüchteküche ist der Gang zur Kirche. Dort wird Sonntag für Sonntag über Gott gepredigt.
Schon als kleiner Junge habe ich mich gefragt, woher diese frommen Leute eigentlich wissen, was Gott ihnen sagt. Schließlich behaupten sie ja, Gottes Wort zu verkünden. Glaubhaft erschien mir das eigentlich nie, denn ich habe niemals beobachten können, wie Gott zu ihnen spricht.
So kamen in mir schon sehr früh Zweifel an der Wahrheit an den als frohe Botschaften behaupteten Verkündigungen auf. So entschloss ich mich in meiner ganzen kindlichen Naivität, dem selbst nachzugehen.
Irgendwann hatte ich irgendwo erfahren, dass Beten Sprechen mit Gott bedeuten würde. Also betete ich und betete ich, aber in ein Gespräch mit Gott kam ich dabei nicht. Zunächst vermutete ich, dass es wohl daran lag, dass ich nicht richtig oder nicht genug betete. Natürlich bemerkte ich nicht, dass ich dadurch in eine Falle geriet. Im hartnäckigen Bemühen um das rechte Beten wurde ich unversehens zu einem frommen Kind. Das führte dazu, dass ich schließlich auch Ministrant werden wollte.
Da mir mein Vater dies versagte, unternahm ich das heimlich. Das ging so lange gut, bis ich eines Tages während des Gottesdienstes die Lesung vortrug und mein Vater da gerade mal ausnahmsweise in der Messe war. Aber außer seiner überaus großen Überraschung blieb dieses Ereignis folgenlos für mich. Das Ministrieren machte mir wohl deshalb großen Spaß, weil ich mich dabei endlich irgendwie bedeutend fühlte.
Vor lauter Begeisterung bemerkte ich gar nicht, dass mein Unglaube längst von Frömmigkeit verdrängt worden war. Ich glaubte plötzlich an Gott, ohne dass er jemals zu mir gesprochen hätte. Es war nur folgerichtig, dass in mir der Wunsch entstand, Priester zu werden.
Mein frommer Wunsch verschwand zwar sehr schnell auf Grund meines Philosophiestudiums, aber die Frage nach der Glaubwürdigkeit Gottes blieb erhalten. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage mündete in keiner Antwort, sondern vielmehr in noch mehr Fragen.
Das treibt zwar das Suchen, aber nicht wirklich Fortschreiten voran. Was lag näher, als sich dem Denken selbst zuzuwenden.
8. VERLÄSSLICHKEIT DER INTUITION
Das Daimonion (auch Dämonion) bezeichnet in der griechischen Antike einen persönlichen Schutzgeist, der Teil des Ichs ist.
Das Daimonion wurde von Sokrates als innere Stimme von göttlichem Ursprung erklärt. Diese innere Stimme warnte ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer unrechten (vgl.: "adikia") Absicht ab. Er verstand es als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, und vom Falschen abrät, jedoch zu nichts zurät. Sein Daimonion schätzte Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorchte.
Die innere Stimme orientiert sich gewöhnlich intuitiv am Erfahrungsschatz einer Person. Der Name dieses Erfahrungsschatzes ist „Gewissen“.
Intuition werden durch das Gewissen Grenzen gesetzt. Gewissen, das ist die Vorgabe des Verhaltensspielraums durch Werte und Normen, Regeln und Gesetze, Vereinbarungen und Verträge, Gebote und Verbote (Kann - und Muss - Vorschriften).
Die Ausprägung des Gewissens wird durch Bildung und Erziehung maßgeblich bestimmt.
Gewissensbildung ergibt sich gleichsam aus Erziehung. Regelungen des Verhaltens durch das Gewissen können durch Triebe oder Bedürfnisse verfälscht bzw. gestört werden.
Wenn nun Gott als innere Stimme - wie Augustinus es annimmt - zu einem vernunftbegabten Lebewesen spricht, dann tut er dies als auch die Fantasie subjektiv personifiziertes Gewissen. Gott vermag dann nur das zu offenbaren, was individueller Erfahrung entspricht.
Intuition erfährt unterschiedliche Phasen ihres Entstehens. Diese Phase werden selbst wiederum intuitiv erfasst. Sie erscheinen zwar logisch, aber gesichert ist es nicht, dass es sich tatsächlich so verhält.
Im Raum der logischen Zeit formt die Fantasie Zufälle, die mögliche Möglichkeiten gestalten. Bedürfnisse wählen wirkliche Möglichkeiten aus, die als Idee einer möglichen Wirklichkeit hervorscheint, damit die Vernunft deren Verwirklichung spielerisch zu antizipieren vermag.
Die Geburt der Wirklichkeit wird sowohl emotional als auch intuitiv motiviert.
Als Sokrates 399 vor Gericht steht und zum Tod verurteilt wird, strahlt er eine Heiterkeit und Gelassenheit aus, die von einer unerschütterlichen inneren Kraft zeugt. Woher wuchs ihm diese Kraft zu? Kraft und innere Sicherheit gewinnt in der Vergewisserung der inneren "Gottheit". Denn in allem, was er tut, ob er vor schlichten Alltagsentscheidungen oder Entscheidungen zwischen Gut und Böse steht, hört er immer nur auf seine innere "Stimme", die er eine göttliche nennt: Daimonion. Mit ihr ist er mit dem Göttlichen verbunden, was ihm kein Bereich außerhalb seiner selbst ist, sondern als ein innerseelischer Bereich verstanden werden muss.
Dieser innere Gott ist der tragende Grund seiner Gewissheit, die er nicht beweisen kann ("lch weiß, dass ich nichts weiß"), deren unbedingter Weisung er aber horchend, gehorchend unbedingt folgen zu müssen glaubt, um gerecht handeln und ein guter Mensch sein zu können. Dieser innere Gott ist auch der tragende Grund seiner Heiterkeit und Gelassenheit bis in den Tod. Todesurteil und Tod braucht er nicht zu fürchten, weil sie nur die Konsequenz sind, der unbedingten Weisung des inneren Gottes gefolgt zu sein. Wenn dies auch den Tod mit eischließt, so vertraut er, ist auch dieser gutzuheißen, um vor sich selbst und dem inneren Gott ohne Fluchtgedanken bis in den Tod authentisch zu bleiben.
Dass er diese innere göttliche "Stimme" nicht als seine individuelle Sonderbegabung betrachtete, geht aus seinem unermüdlichen Bestreben hervor, jeden Einzelnen aufzuwecken, "für die Seele zu sorgen, damit sie aufs Beste gedeihe", jeden aufzuklären und ihm "ins Gewissen zu reden", damit er sich "um sittliches Urteil, um Wahrheit und Besserung seiner Seele" kümmere.
Meiner Erfahrung nach taugt die intuitive innere Stimme zwar als sowohl sprachliche Vermittung von Einfällen als auch als Ratgeberin, nicht aber dazu geeignet, gesichertes Wissen zu vermitteln. Zudem lässt sich nicht immer unterscheiden, ob das Verhalten triebhaft gesteuert oder intuitiv geregelt wird.
Trotzdem folgte ich vorwiegend dem, was sich mir intuitiv zeigte. In der Rückschau scheint das auch trotz aller Fehler und Irrtümer vorwiegend als erfolgreich.
Als Impuls des Unbewussten ergibt sich Intuition als Reaktion auf erfolgreiche Kombination des spielerischen Zufalls mit Erfahrungen. Der Reaktionsweg wird teilweise bewusst und als Spekulation erfahren. Das Ende dieses Weges wird emotional festgelegt.
wfschmid - 19. Dezember, 11:33