Unilogo

1
Jul
2012

Villa Hefti

 
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<<== Flucht


David wuchs in einem Arbeiterviertel der Suppenfabrik Maggi auf. Sein Vater durfte dort auf Lebzeiten fast umsonst wohnen. Das hatte mit seiner Abfindung zu tun, denn das Unternehmen hatte ihn aufgrund seiner Erblindung im Krieg vor die Tür gesetzt. Einen kriegsblinden Expedienten konnte sie da wirklich nicht brauchen. Davids Vater schulte daraufhin in Marburg um und wurde Sozialrichter. Das Viertel, in dem David aufwuchs, war wie damals üblich, ein in sich abgeschlossener Gebäudekomplex, allseitig durch Straßen abgeschirmt und mit einem sehr geräumigen Innenhof mit großer Rasenfläche, auf der große Kastanien standen. Auf der westlichen Seite des Innenhofs stand zudem ein dreistöckiges Fachwerkhaus, in dem drei Familien aus Italien wohnten. In diesem gleichsam multikurellen Innenhof, durch kleine Straßen mit Parkplätzen strukturiert, spielte sich natürlicherweise, weil die Bewohner sich dort häufig trafen und auch zu kleinen Schwätzchen Zeit fanden, ein Großteil des Alltagslebens ab. Zudem spielten alle Kinder dort, und für Jugendliche aller Altersgruppen war es immer ein guter Treffpunkt. Diesem ghettoähnlichen Gebäudekomplex gegenüber lag eine Großgärtnerei der Fabrik, hinter der sich wiederum ein großer Park verbarg. Dieser war von einem schmiedeeisernen hohen Gitter umgeben. Und hohe Sträucher und Büsche versperrten den Blick auf die große im klassischen Jugendstil gebauten Villa. Diese wurde von einem Generaldirektor und seiner Familie aus der Schweiz nebst ihrer Bediensteten bewohnt.
David reizte diese verborgene, geheimnisvolle Welt. Da es den Kindern verboten war, auch nur in der Nähe dieser Villa zu spielen, dauerte es eine Weile, bis sich David in das verbotene Gebiet wagte. Es war Marie, die eines Tages ausgerechnet auf der Zugangsstraße zur Villa, eine Privatstraße ihre neuen Rollschuhe ausprobieren wollte. Sie fand nämlich, dass sich diese bestens geteerte Straße in der Nähe für ihre ersten Versuche besonders gut eignete. Zudem konnten sie da andere Kinder nicht beobachten und auslachen.
Aber durch den Lärm der Rollschuhe angelockt, erschienen hinter dem Gitter bald die beiden Kinder der Schweizer Familie, Geschwister im gleichen Alter wie Marie und David. Jean und Christiane riefen auf Schweizerdeutsch David und Marie zu sich, um zu erfahren, woher sie eigentlich kommen. Als die beiden erklärten, dass sie im Niederhof wohnen, sagte Jean, dass sie den nicht kennen, weil sie nur im Park spielen dürfen. Marie wollte wissen, ob sie und David denn im Park spielen dürfen. Jean und Christiane lächelten geheimnisvoll und verrieten, dass sie eine Lücke im Gitter kennen. Gesagt, getan. Die vier spielten Ball. Auf die fröhlich lärmenden Kinder aufmerksam geworden, erschien der Pförtner und fragte erschrocken, wie es denn sein könne, dass fremde Kinder in den Park gelangen können, ohne sich bei ihm anzumelden. Aber da tauchte auch schon die Mutter von Jean und Christiane auf und rief, dass es Zeit für das Nachmittagsgetränk ist. Christiane forderte Marie und Jean auf, doch mitzukommen. David wollte erst nicht, aber Marie hatte sofort begeistert zugestimmt. David und Marie staunten nicht schlecht, hatten sie beide ja noch nie ein so großes Haus mit so großen Räumen gesehen. Jean und Christiane führten die beiden auf eine große Veranda, auf der ein weiß gedeckter Tisch mit Kuchen und Kakao stand. Die Mutter brachte noch zwei Gedecke, zog zwei weitere Stühle heran und bat die beiden Kinder sich zu setzen. Statt des erwarteten Donnerwetters erkundigte sie sich bei Jean und Marie, wo sie zu Hause sind. Sie glaubte sogar, Jean vom Sehen her zu kennen. "Ja, Du bist der Junge, der seinen Vater des öfteren führt!… …Ich habe euch nämlich schon gesehen, als ich den Wagen aus der Garage fuhr. Einmal habe ich Deinen Vater sogar gefragt, ob ich ihn nach Hause bringen darf. Da war er nämlich ganz allein unterwegs. Aber er wollte nicht!" Nachdem Marie und David tüchtig Kuchen gefuttert und Kakao getrunken hatten, wollte Marie nach Hause. Die beiden verabschiedeten sich von der freundlichen Frau, die sie zum Tor brachte und ihnen sogar noch hinterher winkte.

David war nun klar, dass es außer dem Niederhof noch eine andere, freundlichere Welt gibt, und er beschloss, sich tüchtig anzustrengen, um seine enge Welt eines Tages verlassen zu können.


==>> sensibler Punkt

30
Jun
2012

Flucht

 

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<<== David
 

Der Tag, an dem David einen Ausweg aus seiner Misere fand, begann abends ausgerechnet bei Tante Bettys Mutter, welche Marie und David liebevoll "Oma" nannten. Dort nämlich war vieles erlaubt, was von ihrer Tochter verboten worden war. An diesem Abend sollte David gleich drei neue Dinge kennen lernen: Cola, Popcorn und das Buch "Billy Jenkins". Mit diesem Western erkannte David sofort die Möglichkeit, mit Hilfe der Fantasie aus seiner Wirklichkeit auszubrechen. Ab sofort übernahm David in schwierigen Situationen die Rolle eines Texas Rangers, der für Gerechtigkeit zu sorgen und Bösewichte zu verfolgen hatte. Klar, dass Betty ganz oben auf seiner Liste stand. Jedenfalls hatte David eine Möglichkeit gefunden, mit Hilfe seiner Fantasie schwierige Situationen besser durchzustehen. Eines Tages entdeckte David an einem Kiosk, dass es Billy Jenkins auch in Heftform zu kaufen gab. Das Buch, das er von Oma geschenkt bekam, hatte ihm Tante Betty längst abgenommen. Jedenfalls war für David klar, dass er sich das in regelmäßigen Abständen erscheinende Heft unbedingt besorgen musste. Also sparte er die paar Groschen, die er ab und zu von seinem Vater und von Nachbarn fürs Einkaufen bekam. Dazu kam noch das sonntägliche Opfergeld für den Gottesdienst.

Interessant in Davids Entwicklung ist vor allem, dass seine lebhafte Fantasie nicht von sich her "Billy Jenkins" 'am Leben erhalten' konnte, sondern sich auf den Nachschub dieser Romanhefte stützen musste. Aber es blieb nicht dabei. Durch das Buch "Deutsche Heldensagen" bekam "Billy Jenkins" durch Ritter ernsthafte Konkurrenz. Dabei blieb es auch nicht, denn hinzu kam "Bomba, der Junge aus dem Urwald", ein Jugendbuch, das in zwölf Bänden erschien. Sein Vater schenkte ihm nach und nach die einzelnen Bände. Inzwischen war David nämlich in die Rolle eines Vorlesers geschlüpft. Gegen den heftigen Widerstand Bettys hatte dich David diesen Job hart erkämpft, nachdem wieder einmal eine Vorleserin ausgefallen war. Und so las David seinem blinden Vater Woche für Woche Änderungen und Kommentare zur deutschen Sozialgesetzgebung vor. Natürlich gehörten dazu auch die entsprechenden Paragraphen des Sozialgesetzes. Da Davids Vater trotz seiner Blindheit u.a. auch Sozialrichter am Sozialgericht Konstanz war, musste er sich in der aktuellen Rechtslage gut auskennen. Und David war ihm dabei eine große Hilfe. Mit der Zeit entwickelte er sich zum wandelnden Gesetzestext, das dem Vater auch spontan Auskunft geben konnte. Betty verfolgte diese Entwicklung mit äußerstem Unbehagen, denn schießlich durfte David ihren Sohn auf keinen Fall überflügeln. Ein harter Kampf um die Schule nach der Grundschule entbrannte. Ihrer Strategie nach kam für David nur die Hauptschule in Frage. David wollte aber wie einige seiner Freunde aus der Nachbarschaft unbedingt aufs Gymnasium. Das machte für Betty nicht den geringsten Sinn, denn sie sah Davids Zukunft als Arbeiter in der Suppenfabrik Maggi. Ihr schlagendes Argument war das baldige Geldverdienen. David aber verfügte über keine Strategie, um den Machtkampf gegen Betty zu gewinnen.


==>> Villa Hefti
 

29
Jun
2012

David

 

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<<== Leitmotiv

Wir begegnen David kurz vor seiner Einschulung. Der fünfeinhalbjährige David lebt in einer süddeutschen Fabrikstadt, in der er auch geboren ist. Im Alter von vier Jahren werden seine Eltern geschieden. David und seine Schwester Marie wurden vom Gericht dem kriegsblinden Vater zugesprochen. Dieser stellt eine Haushälterin an, die ihn und seine Kinder versorgen soll. Der Mann dieser Frau gilt als Soldat im Krieg vermisst. Marie und David nennen sie Tante Betty. Sie ist es auch, die David zur Einschulung begleitet. Nach der Begrüßung durch den Grundschulrektor werden den Kindern ihre zukünftigen Klassenzimmer gezeigt und die Plätze zugewiesen, die sie ab dem morgigen Unterricht einnehmen sollen. Heute zählt der Rektor die ersten Verhaltensregeln auf. Jedoch bei der zweiten Regel "Haltung, gerade und still sitzen" platzt David der Kragen und er flüstert seinem Nachbarn etwas zu laut zu: "Der Rektor ist ein Arschloch, er hat mir gar nichts zu sagen!" Dieser aber hat das gehört und schickt David zur Strafe vor die Tür. Der kleine Junge aber bleibt keineswegs stehen, sondern haut ab. In den kommenden Tagen ist er durch kein Argument oder Strafe dazu zu bewegen, den Unterricht zu besuchen.

Warum verhält sich der kleine Junge so, dass er umgehend dafür bestraft wird? Und noch interessanter: Warum lässt er sich dadurch nicht einschüchtern und zwingen, den Unterricht zu besuchen? Diese Fragen sind insofern interessant, als sich das Verhalten des Jungen nicht unmittelbar aus seiner Erziehung, die wie üblich hausbacken ist, ergibt. Es liegt nicht im Wesen einer spießigen Erziehung, Aufbegehren zu dulden. Nun liegt es aber in der Natur eines Lebewesens, sich gegen das zu wehren, was missfällt. Das verhält sich bei David nicht anders. Seine Mutter hat sich in den ersten Lebensjahren weder um David noch Marie gekümmert und beide Kinder verwahrlosen lassen. Frau Fuchs und Fräulein Gilbert haben sich wohl aus Mitleid zu dem blinden Vater um die beiden kleinen gekümmert, die durch ständiges heftiges Schreien längst sehr auffällig geworden waren. David war wahrscheinlich auch misshandelt worden, denn der Zweijährige kam auf das Drängen von Fräulein Gilbert, einer Krankenschwester, ins Krankenhaus. Frau Fuchs hatte ihre Tochter vermutlich auf diese Misere aufmerksam gemacht. David selbst weiß das, denn die Nachbarin hat es ihm einige Jahre später, als er sie nach seiner Mutter fragte, erzählt. Diese Fragen lagen nahe, nachdem die Haushälterin mit den beiden Kindern einen Spaziergang zum Gefängnis machte, um ihnen zu zeigen, wo sich ihre Mutter befindet und vor allem David klarzumachen, dass er mit Sicherheit dort auch einmal hinkommen werde. Tante Betty hasste den kleinen stillen Jungen, der ihr nicht folgte, von Anfang an. Ihre bevorzugte Strafe war das stundenlange Einsperren im Vorrats- oder Kohlenkeller. Unermüdlich machte sie David klar, dass seine Zukunft in einer Erziehungsanstalt sein werde. Aha, mit Tante Betty hat wohl David frühzeitig den Widerstand und das Erdulden von Bestrafungen geprobt. Dadurch wird wohl klar, dass ihn auch Grundschulrektor Salkoski nicht mehr schrecken konnte. Tanne Betty aber hatte selbst einen Sohn, den sie bei ihrer Mutter unterbrachte. Hugo, der einige Jahre älter war und wohl schon so ein rechter, aber liebenswerter Taugenichts, sollte ihr gegen David beistehen. Sie baute auf dessen Einfluss auf das Kind. Aber Tante Bettys Rechnung ging nicht auf. David und Hugo freundeten sich an und unterstützten sich gegenseitig. David hatte zwar auch seinen Vater auf seiner Seite, aber dieser war nicht stark genug, um sich gegen seine Haushälterin durchsetzen zu können.

Der Versuch, sich ein erstes Bild von David zu machen, zeigt, dass eine Geschichte mehr zu zeigen vermag als eine bloße begriffliche Erörterung. Erziehung erscheint hier eher mit der Entwicklung einer Pflanze unter schlechten Bedingungen vergleichbar. Erziehung baut Hindernisse auf, die das Kind zu überwinden versucht, etwa unter dem pädagogisch pervertierten Motto "Was mich nicht umbringt, macht mich stark!"

==>> Flucht


 

28
Jun
2012

Leitmotiv

 

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<<== Urgrund des Daseins


Das Leitmotiv für die Gestaltung eigenen Daseins zeigt sich entweder in einem Zeitfenster oder durch Vorbilder. In nicht seltenen Fällen entwickelt es sich einfach aus den Spielen der Fantasie, aufgrund von Begegnungen oder aus dem, was der Aufmerksamkeit auffällt und deshalb interessant und nachahmenswert erscheint. So kommt es, dass Kinder oft den Beruf ihrer Eltern wählen oder deren Arbeit fortsetzen. Bisweilen kann es auch geschehen, dass sie sich aufgrund von Aggressionen für das Gegenteil entscheiden. Was in Wirklichkeit eine Leistung des Nachahmungstriebs ist, wurde noch vor wenigen Jahren auf vererbte Veranlagungen zurückgeführt. Gleichzeitig wurde der erzieherische Einfluss überschätzt. Aber längst ist inzwischen klar, dass Erziehung höchstens nur anzuregen vermag, aber gewöhnlich fördert, indem sie die Begabungen, die sich zeigen, fordert. Vor allem von jenen, welche Kinder zuerst betreuen oder unterrichten, verlangt das ein feines Gespür für das, was bei einem Kind möglich ist.
Das schließt nicht aus, dass ein Kind sich ganz allein von sich aus, auch gegen widrigste Umstände auf den Weg machen und sich durchsetzen muss. Selbstverständlich bleibt es auch dabei auf verständnisvolle oder gleichgültige Erwachsene, die es machen lassen, angewiesen.

Weil Denken ein inneres Bildgeschehen ist, begreifen wir am besten durch Bilder. Selbst scheinbar Unbegreiflichliches und schier Unglaubliches kann sich uns durch Bilder, Gleichnisse und Beispiele erschließen. So wählt Jean-Jaques Rousseau die Kunstfigur "Emile", einen gesunden, durchschnittlich begabten Jungen aus reichem Haus, an dessen Entwicklung er die Prinzipien der Erziehung aufzeigen kann.
Und bereits Platon wählt das Gleichnis von den Gefangenen in der Höhle, um den 'sperrigen' Begriff "paideia" (Erziehung, Bildung) klären zu können.
Selbst in der Bibel zeigt sich der zu vermittelnde Gott nur in Bildern und Gleichnissen. Gott spricht durch Bilder und Gleichnisse und nicht etwa in Worten.

Großartige Vorbilder liefern die Vorlage für Entscheidungen, für so schwierige Sachverhalte wie die Entstehung eines existentiellen Leitmotivs. Bilder sind Begriffen gegenüber zu bevorzugen.
Wir greifen Rousseaus Idee auf. Wir nennen unsere Figur "David". Um der Schwierigkeit der Namensfindung zu entgehen, überlassen wir uns dem Zufall und wählen jenen Namen, welchen die App "Namenstag" heute anzeigt, und das ist "David"!

==>> David

 

27
Jun
2012

Urgrund des Daseins

 

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<<== Wissen oder Glaube


Unzufriedenheit und Ungleichgewicht zeigen jene Befindlichkeit an, welche das Ich die große Ferne von seinem Selbst spüren lässt. Weil jedes Ich nach Glück strebt, d.i. die vollkommene Übereinstimmung von Ich und Selbst, begibt es sich auf die Suche nach dieser Selbstidentität. Dabei hilft weder Vernunft noch Intuition. Der einzige zuverlässige Gradmesser für den jeweiligen Erfolg ist das eigene Gefühl erlangter Gelassenheit. Manche Religionen wie der Buddhismus lehnen einen solchen Gradmesser ab und bevorzugen durch besondere Übungen den Weg des Loslassens.

In beiden Fällen geht es um das Entdecken des eigenen Urgrundes. Dieses Grundmotiv eigener Daseinsgestaltung eröffnet das, worauf es im Leben ankommt. Diese Offenbarung richtet sich nicht an die Vernunft, sondern an die Intuition. Dieser Vorgang erfordert demnach tiefen Glauben.


==>> Leitmotiv

 

26
Jun
2012

Wissen oder Glaube

 
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<<== Wissen der Seele

Das Wissen der Seele ist der Glaube. Es ist nicht das Wissen der Vernunft, die sich nur auf das verlässt, was sich sinnlich vernehmbar zeigt. Es verlangt eine grundsätzliche existentielle Entscheidung, welches Wissen für die Gestaltung des Daseins maßgeblich bestimmend sein soll. Die Wahl zwischen intuitiver und vernünftiger Wahrnehmung geschieht selten bewusst, sondern wird in der Regel durch Vorbilder erzieherisch beeinflusst. In manchen Fällen verlässt sich die Vernunft von Anfang an auf die Intuition und entscheidet sich dann für Kunst, Philosophie oder Mathematik, in genialen Ausnahmefällen sogar für alle drei.
Meistens sind es frühe Fragestellungen, welche die Entwicklung der Vernunft beeinflussen. Aber es existieren auch Fragen, die ein Leben lang beschäftigen. Dazu gehört die Frage der Existenz nach dem Tod. Hier interessiert vor allem, ob das Hoffen auf eine "Überlebenschance" nur eine schöne Illusion ist.
Oft wendet sich diese Frage auch in die Frage nach der Existenz Gottes.

Lässt sich die Frage in Hinsicht auf eine Existenz nach dem Tod oder auf eine Existenz überhaupt richtig beantworten?

Mit Sicherheit nicht, denn die Existenz nach dem Tod oder nach der Existenz Gottes ist ein Phänomen des Geistes und nicht eines der Sinne. So können wir eine Antwort auch nur aus dem Bereich der Philosophie erwarten. Also müssen wir uns diesem Bereich zuwenden. Aber wie gelangen wir dorthin?

Der einzige Weg, der dorthin führt, ist das absolute Denken. Absolutes Denken ist von den Sinnen losgelöstes Denken, also ein Denken, das gewöhnlich erst mit dem Sterben beginnt. Da die Philosophie diesen Vorgang zu antizipieren vermag, bestimmt sie Platon als Übung im Sterben.

"Die Philosophie ist eine Übung im Sterben. Diese Wesensbestimmung der Philosophie erwächst aus dem Philosophieren selbst, dessen Grundakt in dem Unterscheiden zwischen dem besteht, was die Sinne zeigen, und dem nichtsinnlichen Wesen der Dinge." (K.-H. Volkmann-Schluck 3)

Aber das, was der Tod den Sinnen zeigt, gelangt nicht gerade als hoffnungsvoll Bleibendes zum Vorschein. Aber darauf kommt es gar nicht an, denn es geht darum, was die geistige Wahrnehmung erfasst. Die innere Wahrnehmung verzichtet in der Regel auf Außenbilder und widmet sich den Innenbildern ihrer Intuition. Es kommt also nicht darauf an, was die Sinne dem Bewusstsein zeigen, sondern was die Seele empfindet und die Vernunft in Innenbildern spiegelt. Platon sieht in solchen Spiegelbildern die Quelle von Ideen, denen er eher vertraut als Sinneseindrücken.

Um sich das klarzumachen, muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, dass Denken "Bilderleben" bedeutet, d.h., dass sich Ideen aus dem Spiel des Bilder-Lebens der Fantasie mit Bild-Erlebnissen der Vernunft entwickeln. Und in diesem Spiel der Innenbilder gelangt auch die Idee vom sterblichen Körper als Haus der unsterblichen Seele zum Vorschein. Diese Idee zeigt sich allerdings nicht in der Schattenwelt der sinnlichen Wahrnehmung. Solange sich sinnliche und geistige Wahrnehmung vermischen, vermag das Göttliche nicht in den Blick zu gelangen.

Spiegelungen des Unendlichen werden allein von einem nach innen gerichteten Blick wahrgenommen. In den Innenbildern der Seele gelangt das unveränderliche Sein selbst hinter dem ständig veränderten Dasein zum Vorschein. Die Empfindlichkeit solchen Vorscheins ist so hoch, dass das Begreifen selten vor dessen zarten Zeigen zurückweicht.
Nicht mehr das Wissen, sondern Glaube verweist dann behutsam auf Wesentliches, das sich in der Natur des Vorscheins offenbart. Zögernd entnimmt das nach innen gewandte Wesen mit leichtem Ekel dem reinen Strom des Denkens Verunreinigungen durch voreiliges sprachspielerisches Abstrahieren.

So sehr es auch den sprachgewaltigen Geist verärgert, der Anfang allen Denkens ist nicht das Wort, sondern das Bild, nicht das Wissen, sondern das Glauben. Der Geist spielt mit mythischen Innenbildern, bis er die augenblickliche Gestalt der Seele als Moment seines Lebens gewinnt.

Umgekehrt, auf dem Rückweg dorthin, beginnt sich die harte Philosophie des Wortes in der sanften Philosophie des Bildes zu verlieren, um das längst verlorene Eigentliche wieder zu entdecken.

Als Bilderleben vollzieht sich das Denken durch Spiegelung des gefühlten sinnlichen und/oder geistigen Wahrnehmens, das selbst wiederum geschaut werden kann. Durch dieses Schauen des inneren Auges (Kontemplation) erfährt sich das vernunftbegabte Wesen nicht nur in seinem Dasein, sondern vermag darüber hinaus auch das Sein selbst zu schauen und mythisch, künstlerisch oder philosophisch zu erfahren.

Manche vernehmen den inneren Zuspruch des Seins sogar als Zuspruch eines Gottes, andere sehen oder hören, was sie dann künstlerisch oder philosophisch als Idee ins Werk setzen. Unabhängig von Religion oder Kultur gilt diese Wesensschau als Vollendung allen Wahrnehmens. Dieser Vorgang lässt sich weder durch Erziehung noch Bildung erreichen, sondern entfaltet sich als Dichtung, Komposition oder Bild einzig und allein aus einer ganz individuellen Begabung heraus.

Durch das Bild-Erleben wird ein Augenblick des Bilderlebens erfasst. Das geschieht nachts im Traum ebenso wie untertags im Tagtraum. Tagtraum, das kann eine Vorstellung der Fantasie (Spiel mit Möglichkeiten) oder Imagination (Einbildung) sein. Zwei Drittel unseres Tages verbringen wir tagträumend, meistens ohne das zu merken. Es fällt nur dann auf, wenn wir uns bei geistiger Abwesenheit ertappen. Das innere Wahrnehmen ist empfindlicher als das äussere Sehen. Wir können den anderen Menschen intuitiv wahrnehmen und in etwa seine Gedanken und Gefühle erfahren. Als Wahrnehmungsfeld des Denkens bildet das Bilderleben die Brücke zwischen Unbewusstsein oder Vorbewusstsein und Bewusstsein.

Diese Brückenfunktion hat in der Geschichte des Menschen zu tragischen Missverständnissen geführt. Da das (innere) Wahrnehmen wie das (äußere) Sehen das Bild-Erleben ebenfalls auf das Wahrnehmungsfeld als Bilderleben zu reflektieren vermag, kann es bei Unachtsamkeiten zur Verwechslung der Wahrnehmung von Ursache und Wirkung kommen.

Um das verstehen zu können, muss man wissen, dass während des Bild-Erlebens das Bilder-Leben gefiltert und vereinfacht reflektiert wird.

Das so veränderte Bilder-Leben offenbart sich dann als Inhalt der Wahrnehmung. Auf diese Weise wird in einem rauschähnlichen Zustand das Selbst-Gespräch zur inneren Stimme, die dann als Stimme eines Gottes verkannt werden kann.

So sitzt beispielsweise Pythia auf einem Dreifuß im Adyton. Dieser Dreifuß steht unmittelbar über einer Erdspalte, aus der Gas austritt. Es wird angenommen, dass es sich um Ethylen oder eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid handelt. Das Gas bzw. Sauerstoffmangel versetzt Pythia in Trance.

Man glaubt, dass in diesem entrückten Zustand der Gott Apollon aus ihr spricht, weil durch Sauerstoffmangel ein Trancezustand hervorgerufen wird.

Mystiker versetzen sich durch besondere asketische Übungen in Ekstase und hören so in sich die Stimme Gottes oder nehmen himmlische Erscheinungen wahr.

Auf vergleichbare Art und Weise ist wahrscheinlich auch jene Sammlung von Schriften entstanden, welche Juden und Christen als Wort Gottes anerkennen und als Heilige Schrift zu Urkunden ihres Glaubens machen.

Und in welchem Bewusstseinszustand mag sich Moses, der Autor der ersten Heiligen Schriften, befinden, wenn er in der Wüste einen brennenden Dornbusch erblickt, aus dem Gott zu ihm spricht?


Das selbstreflektierende Bilder-Leben bringt schließlich tief nachdenkliche Mensch dazu, ihre Erfahrungen nicht mehr dem neuronalen Zusammenspiel von Impulsen zu überlassen und die selbstreflexive Kraft des Gehirns mit Hilfe einer bestimmten techne (Methode bzw. Technik) zu nutzen, um dieses Spiel selbst bewusst zu regeln.

Die Kunst dieser Regelung nennen sie sophia und sie verstehen sich dementsprechend als Freunde der Weisheit (sophia). Dieser Auffassung gemäß bezeichnen sie sich als Philosophen.

Sokrates, einer der ersten Philosophen, versucht zunächst, einen geeigneten Zugang zur Philosophie zu finden.

Er entdeckt vor allem drei wichtige Abschnitte eines solchen Weges.

1. Die erste Strecke besteht aus dem Bemühen um die Selbsterkenntnis gemäß der delphischen Forderung: “Erkenne dich selbst!”, denn wenn ich weiß, was ich bin, weiß ich auch, was ich soll.

2. Die zweite Strecke besteht im Resultat der Selbsterkenntnis, das einem zum Bewusstsein verhilft, dass man nichts weiß. Diesen Zustand des Bewusstseins des Nichtwissens erklärt Sokrates als seine einzige Weisheit.

3. Die dritte Strecke besteht für Sokrates darin, dass er sich diese Erkenntnis aktiv umsetzt. Die Stufe der Erkenntnis eigener Unwissenheit wird zum Ausgangspunkt bzw. Motiv, das wahre Wissen zu suchen.

Sokrates folgt nicht mehr dem mythologischen Weg, einfach das zu tun, was die Götter in den Tempeln durch Priester oder Priesterinnen zeigen oder sagen, sondern er entdeckt einen eigenen inneren logischen Weg, selbst zu erkunden und zu verstehen, was sich zeigt.

Der Mensch erfährt, dass er wahrzunehmen vermag, ohne sinnlich zu sehen. Diese Erkenntnis ist eine Leistung der Vernunft aufgrund von Intuition

Dem sechsten Sinn der Philosophen eröffnet sich eine Welt jenseits des sinnlich Vernehmbaren. Die Alternative "Wissen oder Glauben" stellt sich hier nicht mehr.


==>> Urgrund des Daseins
 

25
Jun
2012

Das Wissen der Seele

 
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Das Wissen der Seele beruht nicht wie das Wissen der Vernunft auf Beweisen, sondern auf Intuitionen. So ist es die Kunst, in der sich die Seele gestaltet und nicht die Naturwissenschaft, welche die Vernunft als ihre Sache betrachtet. Dagegen teilen sich Seele und Vernunft die Philosophie, eine Koexistenz, die nur geniale Naturwissenschaftler und Philosophen zu nutzen verstehen.

So kommt es, dass der Glaube im Vergleich zum Wissens gewöhnlich gering geschätzt wird.

Dagegen argumentiert Albert Einstein "Ohne den Glauben daran, dass es grundsätzlich möglich ist, die Wirklichkeit durch unsere logischen Konstruktionen begreiflich zu machen, ohne den Glauben an die innere Harmonie unserer Welt, könnte es keine Naturwissenschaft geben. Dieser Glaube ist und bleibt das Grundmotiv jedes schöpferischen Gedankens in der Naturwissenschaft." (1)

Jeder anerkennt, dass jede Wirkung eine Ursache voraussetzt. Und wir verlassen uns darauf, dass wir von der Wirkung auf die Ursache zurück schliessen können. Weil das Universum sich ausdehnt, nehmen wir einen Urknall an. Und wir betrachten Urknall als Wirkung des Nichts als Ursache. Wir sagen, dass wir das wissen, obgleich das Nichts eine Angelegenheit des Glaubens ist.

"Die Entwicklung der abendländischen Naturwissenschaft beruht auf zwei großen Leistungen: Der Erfindung des formal logischen Systems (in der euklidischen Geometrie) durch die griechischen Philosophen, und auf der Entdeckung der Möglichkeit, durch systematisches Experimentieren kausale Beziehungen herzustellen." (2)

Warum sind wissenschaftliche Modelle glaubhafter als Intuitionen? Wissenschaftliche Modelle beeindrucken durch ihre Genauigkeit. Diese Modelle sind berechenbar. Die meisten Menschen nehmen an, dass eine Rechnung wahrer ist als eine Intuition. Aber eine mathematische Aussage kann nicht wahr, sondern nur richtig sein. Was ist der Unterschied? Wahrheit ist die Einsicht der Seele und Richtigkeit ist die Einsicht der Vernunft. Die Grenzen der Vernunft definieren die Physik. Die Grenzenlosigkeit der Seele offenbart die Metaphysik.

Letztlich bleibt es eine Frage der existentiellen Entscheidung, sich richtig oder wahr zu orientieren. Wissen oder glauben? Das ist nicht zweifelsfrei möglich.

==>> Wissen oder Glauben
 

24
Jun
2012

Licht der Vernunft

 
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<<== Unsicherheit

Es wird im Modul "Unsicherheit" bereits angedeutet, dass das Licht der Vernunft etwas mit der Entdeckung des Sokrates zu tun haben muss. Wie die Sonne in der Raumzeit des Werdens das Werdende erhellt und dessen ständige Veränderung zeigt, so erhellt das innere Licht in der Raumzeit der Vernunft das Seiende und zeigt dessen Unveränderlichkeit.

Die 'diesseitige' Raumzeit des Werdens der Naturwissenschaften ist eine andere als die 'jenseitige' Raumzeit des Seins der Philosophie. Das vernunftbegabte Wesen vermag sowohl die Welt des Werdens als auch die Welt des Seins wahrzunehmen. Indem es sich von der Welt der Sinne abwendet und der Welt des Geistes zuwendet, verzichtet es auf jenen existentiellen Raum, in dem die Zeit maßgeblich bestimmend wirkt, und es betritt jenen Raum, in welchem weder Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft existieren und damit auch Erinnerungen und Erfahrungen fehlen. Das vernunftbegabte Wesen taucht ein in die Unendlichkeit eines ewigen Stromes. Da sich ständig alles gleich bleibt und sich somit nichts verändert, kann auch nichts gelernt werden. Angesichts des inneren Licht des Seins ist das auch nicht mehr erforderlich, da sich der gesamte Reichtum natürlichen Wissens dem reinen Denken geistiger Wahrnehmung erschließt. Aber wer der sinnlichen Wahrnehmung verhaftet bleibt, ist unfähig, so etwas zu glauben.

==> Das Wissen der Seele
 

23
Jun
2012

Unsicherheit

 

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Heraklit, ein Philosoph, der um 520 bis etwa 460 in Ephesos lebte, verglich das Denken mit einem Fluss und machte klar, dass das Erfassen eines Gedankens eigentlich nicht möglich ist, weil die Zeit dazu fehlt.

Als Moment des Bewusstwerdens ist Bewusstsein die Erinnerung einer Wahrnehmung, die längst verflossen ist, wenn das Denken sich mit ihr beschäftigt.

Wahrnehmungen, über die nachgedacht wird, sind entweder bereits vergangen oder noch nicht geschehen. Die Vergegenwärtigung von Wahrnehmungen ist nämlich eine Fiktion des Bewusstseins. Gäbe es ein Jetzt, würde das Stillstand bedeuten. Und wenn Wirklichkeit eines nicht ist, dann ist es Stillstand.

Angesichts ständiger Veränderung existiert für Heraklit kein Sein. "Panta rhei!". "Alles ist in Fluss!". Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, denn beim zweiten Mal fließt ihm anderes Wasser zu als beim ersten Mal. Nichts geschieht noch einmal so wie es geschehen ist. Die Wiederholung geschieht aufgrund einer Unschärfe des Wahrnehmens. Der Alltag als Wiederholung des immer Gleichen existiert, weil wir unscharf wahrnehmen und Gewesenes projizieren, um so die Veränderung nicht sehen zu müssen.

Wir sehnen uns nach Beständigem und wollen etwas Anderes nicht wahrhaben. Der zureichende Grund ergibt sich aus der Tatsache, dass das Denken Zeit braucht, um Wahrnehmungen zu verstehen. Wahrnehmen unmittelbar zu verstehen, das ist erst dann und nur dann möglich, wenn das Verstehen automatisiert ist oder instinktiv geschieht.

Sokrates gesteht zwar Heraklit zu, dass Denken in Bezug auf Wahrnehmen nichts ausrichten kann, aber er kritisiert Heraklit, nicht zu bedenken, dass Denken ebenfalls Wahrnehmen bedeutet, und zwar nicht Wahrnehmen der Sinne, sondern Wahrnehmen der Vernunft.
Während sinnliches Wahrnehmen Werden reflektiert, reflektiert geistiges Wahrnehmen (Denken) Sein.

Als Gegensatz zur Physik des Werdens entdeckt Sokrates die Metaphysik des Seins.

Allein geistiges Wahrnehmen vermag die Unsicherheit angesichts ständiger Veränderung zu überwinden. Das was das Sein eines ständig sich verändernden Seienden ausmacht, ist das, was es nicht nur wesentlich als solches bestimmt, sondern auch überdauert. Wenn ein Gerechter stirbt, bleibt die sein Leben maßgeblich bestimmende Gerechtigkeit erhalten.

Angesichts des Sterbens nehmen die Sinne allein Vergänglichkeit wahr, und sie sehen nicht mit den Augen der Vernunft das Unvergängliche des Wesens und die Unsterblichkeit der Seele.


==>> Licht der Vernunft
 

22
Jun
2012

Selbstbefreiung

 

 

Selbstbefreiung beginnt mit selbständigem Denken, also mit dem Verzicht auf Selbstentfremdung durch andere Gedanken. Die Suche nach den eigenen Gedanken beginnt mit Suchen. Wer sucht, der findet. Wer selbst sucht, findet sich selbst. Das Ich findet das Selbst nicht in sich drinnen, sondern draußen in der Natur. In der Stille des Waldes lässt sich die leise Stimme der Seele, die innere Stimme, vernehmen. Am Strand des Meeres lässt das Staunen die Unendlichkeit spüren oder auf einer Sommerwiese die bunte Vielfältigkeit der Natur. Dabei melden sich erste Fragen. Weil diese sich nicht beantworten lassen, machen sie neugierig und schicken auf die Suche. Die Selbstbefreiung beginnt mit dieser Neugier des sich durchfragenden Suchens.
 

21
Jun
2012

Selbstschutz

 
 
Der beste Weg, sich selbst zu schützen, ist zu machen, was man will und nicht, was man soll. Erziehung beginnt mit dem Verstehen unschuldigen Überdrusses jugendlicher Unschuld und nicht mit der Widerspenstigen Erziehung.

"Früh krümmt sich, wer ein Häkchen werden will!" Erziehung ist keine Anpassung, sondern das Gegenteil. Widerstand gegen Überkommenes ist Bedingung der Möglichkeit des Neubeginns.

Die erste Begegnung mit einer frechen chaotischen Lerngruppe erregt keinen Schrecken, sondern reizt zum Lachen über natürliche Unordnung. Da hilft keine Disziplinierung, sondern nur die Überraschung eines ungewöhnlich beeindruckenden Beginns wider die Langeweile eines öden Unterrichtsalltags.

Neben unverzichtbarer Ausstrahlung des Lehrenden hilft der Ansporn zu begründet natürlicher spielerischer Leistung. Wer Unordnung nicht spielerisch in Ordnung zu überführen versteht, sollte auf das Lehren gleichgültig welcher Form verzichten. Das Gehirn lernt allein spielerisch schöpferisch oder gar nicht.

Die ersten drei Sekunden sind entscheidend für jede erste Begegnung. Durch das Selbst ungeschützt offenbart sich das Ich unfreiwillig. Ohne Selbstschutz wirkt das Ich schwach und ängstlich. Selbstsicherheit ist der Lohn für bisweilen mühsam Schöpferisches.
 

20
Jun
2012

Zugriff statt Begriff

 
 
Der pädagogische Begriff ist im Gegensatz zum philosophischen praktisch. Nicht das Was, sondern das Wie ist wichtig. Es genügt nicht, Unterricht theoretisch zu bestimmen als Erziehung zur Bildung durch Information, sondern es muss auch gesagt werden, wie das praktisch vor sich geht: jeweils Informationsmaterial sichten, sich damit auseinandersetzen, experimentieren, gemeinsam Sinn und Zweck diskutieren, anwenden. Lehrende sollten möglichst ihren Unterricht moderieren, sie sollten nur so viel wie unbedingt nötig helfen, also so wenig wie möglich, um das selbständige Erarbeiten zu ermöglichen.

Da nun einmal über das Wie entschieden werden kann, ohne zu wissen Was, bleibt das Wesentliche und damit der philosophische Begriff Bedingung der Möglichkeit eines pädagogischen Begriffs.
 

19
Jun
2012

Sinn vernetzten Denkens

 
 
Philosophisches Denken erzeugt komplexe Vorstellungen, um Momente des Denkens zu einem Gedanken verbinden und verdichten zu können. Philosophisches Denken erweitert die Innensicht, um Möglichkeiten zu entdecken.

Pädagogisches Denken erzeugt komplexe Verhaltensstrukturen, um Momente des Verhaltens zu einem Handeln verbinden und verdichten zu können. Pädagogisches Denken erweitert die Aussensicht, um durch Antizipation spontane Möglichkeiten situativer Verbesserungen zu entdecken.

Philosophie ist praktisch spielerisches Denken, Pädagogik ist dagegen das Durchspielen von Gedanken. Demnach setzt Pädagogik Philosophie voraus. Philosophie ist gleichsam Ästhetik der Logik, Pädagogik dagegen Logik der Ästhetik.

 

18
Jun
2012

BW 7 Wiege der paideia (Bildung)

 

 


Die Bilder einer Ausstellung des Ichs befinden sich im Bewusstsein. Wegen der Flüchtigkeit der gezeigten Bilder muss ein Besuch dort im rechten Augenblick stattfinden.

Es ist nicht ganz leicht, diesen Augenblick herauszufinden. Vor allem muss man dazu alt genug sein. Das Alter ist hier aber keine physiologische, sondern biographische Frage. Für das Bewusstwerden zählt das Alter der Seele und nicht das des Körpers.

Die frühe Kindheit der Seele wird geprägt vom Spiel der Seele. In diesem Alter legt sich die Seele ihr Dasein spielerisch zurecht. Im Spiel probiert sie aus, was für sie möglich ist. Die Vernunft der kindlichen Seele gründet allein auf Glauben und Vertrauen. Der Anspruch, etwas wissen zu müssen, ist ihr noch völlig fremd. In ihrem Allag zählt allein die Unverbindlichkeit des Spielerischen.

Während der frühen Kindheit der Seele steht das Zeitfenster für die Kunst weit offen. Es kann sein, dass das, was das Kind durch dieses Fenster erblickt, ein ganzes Leben lang fasziniert. Da reicht beispielsweise schon das leichte spielerische Berühren von Tasten oder Saiten, um Freundschaft mit der Musik zu schließen oder zaghafte Versuche mit Formen und Farben, um sich für Zeichnen, Malen oder Modellieren zu begeistern.

Das Durchhaltevermögen der spielerischen Fantasie kindlicher Seelen wird jedoch in den ersten Schuljahren auf eine harte Probe gestellt. So begegnet es dem Wissen, das dem Glauben kaum mehr Raum schenkt. Die erwachende Vernunft wird vor erste harte Entscheidungen gestellt. Für eine Weile noch hilft die Fantasie, indem sie die Seele in ihre eigene Welt zurück entführt.

Märchen und Geschichten für Kinder helfen, spielerische und wirkliche Welt einander anzupassen. Fantasiegestalten unterstützen diesen Prozess. In dieser Zeit schließt sich das Erste Zeitfenster allmählich und die Fantasie tritt ihre Vorrangstellung an die Vernunft ab.


 
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Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

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