Unilogo

30
Mrz
2011

Beitrag in GrKG


Auf der Suche nach Zuverlässigkeit für die Pädagogik

- Mein Weg in die kybernetische Pädagogik –


Von Prof. Dr. Wolfgang Schmid, Flensburg/Stuttgart

Als ich in an der Universität zu Köln mein Studium der Philosophie und Slawistik aufnehme, erfahre ich, dass ich für das Philosophikum noch zusätzlich Pädagogik zu studieren habe. Aber schon die ersten Vorlesungen, die ich in diesem Fach höre, versetzen mich in Schrecken, denn von meinen sehr guten Lehrern im Gymnasium bin ich keineswegs gewohnt, auf so verallgemeinernde Art und andeutungsvolle Weise mit wirklich ernsthaften Problemen umzugehen. So bewegen mich von Anfang meines Studiums an Überlegungen, ob sich denn nicht zuverlässigere Mittel zur Erklärung pädagogischer Phänomene finden lassen als die sehr komplex idealisierenden Begriffe einer Allgemeinen Pädagogik. Die Auseinandersetzung mit den Methoden der Statistik und die Begegnung mit der Computertechnologie und Programmiertechnik bringen mich auf die Suche nach zuverlässigeren Daten über den Menschen. Schließlich entdecke ich, dass sich neuronale Prozesse des Gehirns in Texten, die sie generieren, dokumentieren. Es muss demnach möglich sein, mit Hilfe einer geeigneten Analyse von Texten auf die vorgängig textgenerierenden Prozesse zu schließen, um Aufschlüsse über menschliches Lernverhalten zu erhalten. Im Rahmen dieser Fragestellung stoße ich auf die Arbeiten von Helmar Frank, durch den ich dann auch Klaus Weltner kennen lerne. In meiner Habilitationsschrift entwickle ich, durch diese beiden Wissenschaftler beeinflusst, Strategien einer kybernetischen Textanalyse. 1973 werde ich an der Gesamthochschule in Kybernetischer Pädagogik als erster in diesem Fach habilitiert. Helmar Frank und Klaus Weltner sind dann auch die wichtigsten Gutachter dieser Arbeit, die zusätzlich auch vom Mathematischen Institut der Universität Bonn und an der TH Aachen begutachtet wird. Schließlich ist es zugleich die erste Habilitation, die an der Gesamthochschule Siegen durchgeführt wird. Der Schulpädagoge und Allgemeine Pädagoge Heiner Müller übernimmt die sehr hilfreiche Rolle des Mentors. Im nachfolgenden Artikel beschreibe ich jene Gedanken, welche mich zu jener Zeit und bis heute bewegen.

Einflüsse der Philosophie

Mit der Entdeckung der Kategorien schafft Aristoteles die Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft. Diese Grundlegung vollzieht sich als Verpflichtung des Denkens auf folgende Bewegungen hin:


1.) Erforschen der Ursache in Bezug auf deren Wirkung (kausales Denken)
2.) Beschreibung von wesentlichen Merkmalen in Bezug auf das durch sie definierte Wesen (faktisches Denken)
3.) Ermittlung des Grundes in Bezug auf den ihm innewohnenden Zweck (teleologisches Denken)
4.) Erfassen der Art und Weise des Erscheinens von etwas im Zusammenhang mit dessen Voraussetzungen (konditionales Denken)
5.) Erwägen der einzusetzenden Mittel unter Berücksichtigung der hierfür erforderlichen Aufwendungen (ökonomisches Denken)
6.) Erfahrungen mit der Dauer der jeweiligen Umsetzung unter Berücksichtigung der situativen Gegebenheiten.


Keine der sechs hier aufgezeigten Richtungen des Denkens führt allein auf einen Weg des Erkennens. Wer allgemeingültiges Wissen anstrebt, muss sich schon einer Überprüfung unter Berücksichtigung aller sechs Denkrichtungen unterziehen. Allgemeingültigkeit ist nämlich erst dann und nur dann gegeben, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:


Ursachen und deren Wirkungen sind wie Grund und Zweck aufgrund überprüfbarer Eigenschaften umkehrbar eindeutig als Phänomen zu bestimmen. Diese Bestimmungen müssen alle unter den gleichen Voraussetzungen, mit den gleichen Methoden und den gleichen Aufwendungen in vergleichbarer Zeit und Situation so nachvollzogen werden können, dass sie ein vergleichbares Phänomen erzeugen.


Wenn also alle Interpretationen in Ursache und Wirkung, Grund und Zweck, Merkmalen und Wesen, Umstand und Art/Weise, Mittel und Aufwand, Raum und Zeit übereinstimmen, und infolgedessen zur selben Form, Funktion oder Formel gelangen, dann ist Allgemeingültigkeit gegeben. Wissenschaft ist ein Denken, dass sich an diese Voraussetzungen hält.


Dem philosophischen Anspruch des Aristoteles auf Allgemeingültigkeit wurde in der Geschichte der Wissenschaft letztlich nie entsprochen. Der Anspruch auf kategorial vollständige Erfassung eines Phänomens scheint das Fassungsvermögen menschlicher Vernunft zu übersteigen. Aristoteles selbst entzieht sich dem, indem er der Idee seines Lehrers Platon folgt und der Vergänglichkeit des Werdens die Unvergänglichkeit des Seins gegenüberstellt und im Gegensatz zur Physik als den Bereich des sinnlich Vernehmbaren (ta physika) die Metaphysik als den Bereich des allein Denkbaren (meta ta physika) definiert. Mit der Grundlegung der Philosophie als Metaphysik wird es möglich, alle jene Kategorien „auszuklammern“, welche allein sinnlich Vernehmbarem genügen und sich somit vernünftigerweise nicht mehr erfassen lassen. Es gelingt, eine Philosophie zu schaffen, die, ohne Rücksicht auf die Sinne nehmen zu müssen, zu Erkenntnissen zu gelangen vermag. Schließlich beweist die Existenz der Mathematik, dass das funktioniert, natürlich erst dann und nur dann, wenn ein verbindliches System existiert, welches die Art und Weise des Vorgehens klar ordnet und eindeutig regelt (Logik). Während es aber der Mathematik gelingt, durch Strategien des Messens Verbindungen zum Bereich des sinnlich Vernehmbaren herzustellen, verbleibt die Metaphysik dem allein Denkbaren verpflichtet. Der Rückgang von den meta ta physika in die ta physika gelingt nicht und im Gegensatz zur Mathematik lässt sich Philosophie nicht mehr zahlenmäßig konkretisieren und damit nicht mehr sinnlich vernehmbar veranschaulichen.


Mit seinen Kritiken der Vernunft versucht Immanuel Kant das Defizit der Isolation der Vernunft zu beseitigen. Das gelingt ihm durch die Konstitution der reinen Vernunft und der reinen Begriffe a priori. Dem transzendentalen Denken gelingt es, der Philosophie analog zur Mathematik ein stabiles verbindliches System von Begriffen a priori zu verschaffen. Mit Hilfe der Begriffe a posteriori gelingt der Philosophie eine Hinwendung bzw. Rückkehr zum sinnlich Vernehmbaren.

Einflüsse der Kybernetik

Von der Welt der Wissenschaft nahezu unbemerkt wird diese Kehre durch das kybernetische Denken Helmar Franks und durch das informationstheoretische Denken Klaus Weltners vollendet. Die Verbindung von Sein und Werden wird vor allem durch zwei überführende Begriffe geleistet, und zwar durch den methodischen Begriff der Kybernetik und durch den phänomenologischen Begriff der Information.


Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, Kybernetik als eine Wissenschaft zu betrachten. Zutreffend ist, dass es sich bei der Kybernetik vor allem um eine wissenschaftliche Methode des Algorithmierens, Kalkülisierens bzw. Mathematisierens (= berechenbar machen) eines Algorithmus und Simulierens (programmtechnisch umgesetztes Nachahmen eines natürlichen Prozesses) handelt.


Helmar Frank hat als erster Wissenschaftler in Deutschland versucht, die Kybernetik für die Pädagogik nutzbar zu machen. Die Begründung lag für ihn auf der Hand.
Die Pädagogik hat keine eigene Wissenschaftssprache. Um ihre Inhalte beschreiben zu können, bedient sie sich der Symbolsprachen jener Wissenschaften, welche ihr für ihre Zwecke geeignet erscheinen. Auf diese Weise entsteht eine Mischform von Wissenschaften, eine in den Geisteswissenschaften durchaus bekannte Erscheinung. Wer solcher Entfremdung entgehen möchte, versucht sich in der Regel in einer pseudobegrifflich angereicherten, überhöhten Alltagssprache.


Um nun pädagogische Vorgänge weder wissenschaftlich verfremden noch pseudobegrifflich überhöhen zu müssen, machte Helmar Frank den Vorschlag, die Pädagogik mit einer Methode zu verknüpfen, die einerseits die unerwünschte Nebenwirkung der Entfremdung, andererseits die unerwünschte Nebenwirkung der Überhöhung beseitigt. Seine Idee umschrieb Helmar Frank mit dem Begriff „Kybernetische Pädagogik“.


In der Einleitung zu seinem Buch „Kybernetische Grundlagen der Pädagogik“ spricht Helmar Frank über den „Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Pädagogik“: „Die sogenannte ‘Erziehungswissenschaft’ erfährt von zwei Seiten eine mehr oder minder offene Geringschätzung: von Seiten vieler Erzieher und von Seiten vieler Wissenschaftler. Letztere bestreiten in der Regel nur den wissenschaftlichen Rang der gegenwärtigen Pädagogik, die ersteren oft sogar die Möglichkeit einer Erziehungswissenschaft überhaupt. Bisher hatte sich fast jeder Lehrer zu Anfang seiner Berufspraxis mit dieser Geringschätzung irgendwie abzufinden. Bei manchen nahm sie die Form einer schlagartigen Enttäuschung an. Bei anderen bestand sie in allmählich aufkeimenden Zweifeln über den praktischen Nutzen angelernter pädagogischer Theorien. Wieder andere hatten ihre pädagogische Praxis begonnen, ohne eine Hilfe von einer wie auch immer gearteten pädagogischen Theorie zu erwarten und erkannten plötzlich die Bedauerlichkeit des Fehlens dieser Hilfe.“ (Frank 1971, 15)


Frank verbindet mit der Grundlegung der Pädagogik als kybernetischer Pädagogik die Hoffnung, dass „mit dem Aufstieg der Kybernetik“ „die Wissenschaftlichkeit der Pädagogik künftig auch von jenen Wissenschaftlern anerkannt wird, die am seltensten genötigt sind, ihr eigenes Fach gegen den Verdacht der Unwissenschaftlichkeit zu verteidigen, nämlich von den Mathematikern, den Natur- und den Ingenieurwissenschaftlern“. (ebd. S. 16)
Diese erstmals geäußerten Überlegungen münden dann letztlich in die Forderung, pädagogische Prozesse letztlich erst dann und nur dann als wissenschaftlich akzeptabel zu betrachten, wenn sie die Phasen der empirischen Untersuchung, der Modellierung und Mathematisierung durchlaufen haben. „Die kybernetische Pädagogik kann definiert werden als die Gesamtheit der Fragestellungen, Methoden und Ergebnisse, die sowohl in den Bereich der Pädagogik als auch in den Bereich der Kybernetik fallen.“ (ebd. S.27)
Es muss „einen Teilbereich der Pädagogik geben, der die drei Kriterien der Kybernetik (…) erfüllt: es muss in ihm ein (1) informationeller Gegenstand mit einer (2) kalkülisierenden Methode erforscht werden, und dies (3) mit dem Ziel einer Objektivation“ (ebd.).
In Anlehnung an Paul Heimann (1962) formuliert Frank die sogenannten „sechs Dimensionen des pädagogischen Raumes“: „Lehralgorithmus (Wie)“, „Lehrstoff (Was)“, „Medium (Wodurch)“, „Psychostruktur (Wem)“, „Soziostruktur (Wobei)“, „Lehrziel (Wozu)“ und „Lehralgorithmus (Wie)“. „Jedes Unterrichtsgeschehen ist also festgelegt, sobald über“ diese „sechs Variablen verfügt ist, die wir ‚pädagogische Variablen‘ oder auch ‘Dimensionen des pädagogischen Raumes’ nennen“ (ebd. S. 28/29)


Verzichtet wird folglich auf die übrigen Kategorien wie die des Grundes (Warum: Erziehungs- bzw. Bildungsziel), der Lernursache (Wer: Auslöser wie Lehrer bzw. Lehralgorithmierer), des Lernraumes (Wo: Schulart, Schultyp, Lerngruppe), der Lernzeit (Wann: Zeit: Tagesform, Kondition), des Umfanges an Lehrstoff (Wieviel: Lehr- und Lernressourcen), und des Sinns (Wofür: Art der Qualifikation).


Man kann diese Aussparung entweder (gegen Aristoteles bzw. Kant) damit begründen, dass diese Kategorien in den übrigen aufgehen oder erklären, dass sie dem wissenschaftlichen Zugriff entgegenstehen. Wie dem auch sei, jedes Phänomen, so auch das pädagogische, muss entweder unter allen Hinsichten wahrgenommen werden oder man muss durch Beobachtungen feststellen, dass es eben nicht ganzheitlich zu untersuchen ist und zwecks wissenschaftlicher Bestimmung schrittweise zu reduzieren ist und damit nur eingeschränkt erfasst werden kann.


Ganz praktisch lässt sich erklären, dass jeder Versuch einer ganzheitlichen Bestimmung von Phänomenen in die Aporie dessen führt, was der Volksmund nennt „Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen.“ Es gibt also gleich zwei gute Gründe für die „Franksche Sparsamkeit“.


Auch die Frage, ob denn unter den zwölf Kategorien eigentlich die sechs „richtigen“ gezogen worden sind, ist ziemlich uninteressant, da bei einem Sparmodell nur das zählt, was sich auch rechnerisch nachweisen lässt. Nun hat aber der ‚Absatz’ dieses Sparmodells nach einem enormen Anfangserfolg rasant nachgelassen. Heute, Jahrzehnte später, scheint sich kaum noch jemand dafür zu interessieren.


Warum ist der von Frank wissenschaftlich begründeten Pädagogik der durchschlagende Erfolg verwehrt geblieben? Das Problem ist wahrscheinlich aus einem Missverständnis heraus entstanden. Während es Frank wesentlich darum geht, die Relevanz der Kybernetik für wissenschaftlich defizitäres Denken exemplarisch an der Pädagogik aufzuzeigen, wird dieses Anliegen seitens der Pädagogik gründlich missverstanden als unzumutbare Einmischung. Der Schulpädagoge Werner S. Nicklis sieht in der Übertragung kybernetischer Methoden auf pädagogische Vorgänge eine unzulässige Verallgemeinerung. So werden beispielsweise unterrichtliche Prozesse lediglich als Organisationsform untersucht, wenn sie als Regelung betrachtet werden. Wesentliche Inhalte aber werden außer Acht gelassen, wenn es lediglich um informationstheoretisch definierte Transformation qualitativer Abläufe mit Hilfe algebraischer Symbolik geht. Werner S. Nicklis unterscheidet drei Stufen der Entwicklung der kybernetischen Lernforschung, welche seiner Auffassung nach die Grundlage der kybernetisch orientierten pädagogischen Ansätze liefern.

Einflüsse der Informationstheorie

Vier Jahre nach Einführung des Begriffs verständigt sich Norbert Wiener 1947 mit anderen Wissenschaftlern auf „cybernetics“ als Begriff für Probleme der Regelung in technischen Systemen und lebenden Organismen. 1948 erscheint das Buch „Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine“. Norbert Wiener unternimmt also den Versuch einer kybernetischen Vereinheitlichung wissenschaftlicher Problemstellungen, und zwar unter dem Aspekt der Begründung einer Theorie der Kommunikation und Regelung bzw. Steuerung. Werner S. Nicklis betrachtet dies als Ursprungsstufe in der Entwicklung der kybernetischen Lernforschung. In der daran anschließenden Stufe, die er als „Entfaltungsstufe“ des Ansatzes Norbert Wieners bezeichnet, geht es in den Jahren 1950-1960 um Umsetzung bzw. Anwendung kybernetischer Modelle beispielsweise in der Biologie, Neurologie oder Logistik. In der dritten Stufe, die Nicklis als “gegenwärtige Entfaltungsstufe” bezeichnet, geht es um die Anwendung des kybernetischen Ansatzes in der Pädagogik, speziell um die Rolle der Normen, Lernen, Gedächtnis, Adaption, besondere Lernformen, wobei die methodisch-didaktische Optimierung im Vordergrund steht und inhaltliche Auseinandersetzungen ausgespart bleiben. (vgl. Nicklis 1967, S.61). Nicklis betont die Versuche Helmar Franks und Felix v. Cubes, eine kybernetische Pädagogik zu installieren und den Unterrichtsprozess durch Verwissenschaftlichung zu revolutionieren. Franks Idee, die Pädagogik als Teilgebiet der Kybernetik aufzufassen, führt zur Trennung von Forderungen und Fakten, um für pädagogische Situationen Soll- und Ist-Werte ermitteln zu können. Zudem werden psychologische Vorgänge informationstheoretisch erklärt und beschrieben. Kybernetik begnügt sich nicht als komplementäre Betrachtungsweise zur Pädagogik, sondern beansprucht – so Nicklis, die Frage der Wissenschaftlichkeit der Pädagogik schlechthin zu lösen.


Im Grunde lässt sich diese Kritik vereinfachen und als kategorialen Konflikt zwischen den beiden maßgeblich bestimmenden Kategorien “Wie” und “Was” betrachten. Während es der Kybernetik wesentlich um das “Wissen wie” geht, ringt die Pädagogik um das “Wissen was”. Kybernetische Methodik und schulpädagogische Didaktik oder normative Pädagogik finden ganz offensichtlich nicht zusammen. “Die Wissenschaft beschreibt und erklärt die Welt, sie fühlt sich als Wissenschaft nicht berufen (!), die Welt zu verändern.” “Die normative Pädagogik, die das “Wissen was” erforscht und ideologische Fragen zu erörtern hat, kann daher den Rang einer Wissenschaft nicht beanspruchen.” (Frank 1962, S.5) Im Sinne einer Brücke zwischen Geistes- und Naturwissenschaften lässt sich diese Kluft – so Frank – allein durch die Kybernetik schließen. “Sie stellt … einerseits die Forderungen voran, die ihr eine normative Ideologie liefert, und versucht, auf der anderen Seite auf die informationspsychologischen und gegebenenfalls biologischen und gruppenpsychologischen Befunde gestützt, ein Erziehungsprogramm zu entwickeln.” (Frank 1962, S.13)


Historisch betrachtet ist das Franksche Bemühen, natürliche Vorgänge rein logisch zu erfassen, ein Wiederholen des Gleichen zu Beginn der Abendländischen Kultur. Bereits die Vorsokratiker entwickeln Methoden, um zu erfassen zu lernen, wie sich solche Vorgänge organisieren. Sie nennen diese Technik des Lernens und Gewinnens von Erkenntnissen “mathematike techne”. Aus dieser griechischen Bezeichnung ging dann der Name “Mathematik” hervor. Aber im Gegensatz zur Kybernetik schließt Mathematik alles aus, was sich nicht mittels axiomatisch abgeleiteter Gesetze erfassen lässt. Im Grunde betrachtet Helmar Frank Pädagogik letztendlich gar nicht als etwas, das verwissenschaftlicht werden soll. Vielmehr wird (normative) Pädagogik zu einem ‘Organismus’, dessen Organisationsform kybernetisch transparent werden soll.
Diese Idee wird aber missverstanden als ein erklärendes Überleiten von einem beschreibenden Stadium der Phänomene des pädagogischen Prozesses mit Mitteln der Informationstheorie. Als Aussage über die Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit einer bestimmten Situation ist der Begriff der Information unabhängig von gewissen situativen Details. Dass die Wahrscheinlichkeit, unfallfrei Auto zu fahren, mit zunehmendem Alter sinkt, hängt zum Beispiel nicht wesentlich davon ab, ob Mann oder Frau ein Auto lenkt und erst recht nicht von deren Glaubenszugehörigkeit. Aber in den wenigsten Fällen stellt sich ein Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung so einfach dar. Wenn in einem pädagogischen Prozess das Verhältnis von Didaktik, Methodik und Lernerfolg bestimmt werden soll, dann müssen wesentlich mehr ursächliche Konstituenten berücksichtigt werden, nämlich:


1. Persönlichkeit des Lehrenden,
2. unterrichtliche Eigenschaften,
3. Lehrstrategie,
4. Lehrstoff,
5. Lehrziel,
6. Lehrmaterial,
7. Lernmotivation,
8. Lernfähigkeit,
9. Lernaufwand,
10. Lernbedingungen,
11. Lernort,
12. Lehr- und Lernzeit.


Es liegt auf der Hand, dass diese unterrichtlichen Konstituenten noch ganz erheblich differenziert werden müssen, bevor die Bedingungen der Möglichkeit einer relevanten informationstheoretischen Aussage genauer bestimmt werden können. In “Informationstheorie und Erziehungswissenschaft“ hat Klaus Weltner vor allem für den Sprachunterricht aufgezeigt, in welcher Richtung kybernetisch gedacht werden sollte.


Literatur

FRANK, Helmar: Kybernetische Grundlagen der Pädagogik. Agis, Baden-Baden, 1962

NICKLIS, Werner S.: Kybernetik und Erziehungswissenschaft : Eine krit. Darst. ihrer Beziehungen. Bad Heilbrunn/Obb. : Klinkhardt 1967

SCHMID, Wolfgang: Der Beginn der Sprachobjektivierung als Ansatz für eine Eigendidaktik, Habilitationsschrift, Siegen 1973

Weltner, Klaus: Informationstheorie und Erziehungswissenschaft. Quickborn 1970

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