Fortsetzung von 21.7.2011
Die eigene Vorgeschichte beeinflusst das, worauf wir uns einlassen und lässt es uns selbst gefällig erscheinen. Wir setzen uns alle recht unterschiedlich mit den Dingen auseinander. Jeder von uns lernt demnach unterschiedlich. Lehrende stehen somit vor der Schwierigkeit, ihre Inhalte so zu vermitteln, dass Lernende diese auf geeignete Weise für sich zurechtlegen können. Erst dann und nur dann wird Lehre interessant. Dahinter scheint sich ein kaum einlösbarer Anspruch zu verbergen.

Viele Lehrende schaffen das nicht und stoßen deshalb auf uninteressierte Schüler. Bei solchen Schülern allerdings verflüchtigt sich das Desinteresse, sobald sie mit Lehrern zu tun haben, die sie (noch) zu begeistern vermögen. Die Begeisterung wird geweckt, weil plötzlich das Gefühl da ist, wieder ernstgenommen zu werden. Wie aber schaffen diese Lehrer das?
Begabte Lehrer zeigen alles, was sie sagen. So kann sich jeder ‚seinen eigenen Reim machen’ auf das, was ihre Beispiele zeigen. Wenn uns keine Zeit gelassen wird, die Dinge, mit denen wir zu tun haben, für uns zu bewerten, werden diese für uns uninteressant und somit schnell ‚vergessen’.
Das geistige Wahrnehmen gestaltet das, was sich sinnlich vernehmbar und gefühlsmäßig bewertet präsentiert und legt es für den Wahrnehmenden auf geeignete Weise zurecht. Jeder kennt das: Was wir negativ bewerten, nehmen wir anders wahr als das, was wir positiv bewerten. Untersuchungen zeigen, dass Leute, die Beamte oder Bauarbeiter als faul bezeichnen, Beamte oder Bauarbeiter vor allem dann wahrnehmen, wenn sie gerade Pause machen. Umgekehrt nehmen Leute, die Beamten und Handwerkern gegenüber positiv eingestellt sind, diese vor allem bei der Arbeit wahr.[1]
Vorurteile verzerren die Wahrnehmung. Lehrer, die von Lernenden Positives erwarten, nehmen diese auch positiver wahr.
Es darf nicht sein, dass einfallsreichere Schüler anders wahrgenommen werden als einfallsarme. Wer also erfolgreich lehren will, muss selbst vorweg erst einmal das vorurteilsfreie Sehen lernen. Diese Fähigkeit sprechen sich Studierende, die Lehrer werden wollen, mit großer Hartnäckigkeit ab. Sie bestreiten dieses Wahrnehmungsvermögen schlichtweg.
[1] Negative Gedanken sind eine Form von Vorurteilen. Und dass diese Einfluss auf unsere Wahrnehmung haben, ist wissenschaftlich bestätigt. Vor zwei Jahren hat eine Untersuchung der Universität von Toronto folgendes ergeben: Wer der Auffassung ist, andere Menschen würden einen vorschnell einem Klischee zuordnen, nimmt vorrangig genau jene Anzeichen wahr und interpretiert dementsprechend. Dies führt für die entsprechende Person zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung: University of Toronto. "Expecting To Be Treated With Prejudice May Be Self-fulfilling Prophecy, Study Suggests., June 2008"
wfschmid - 22. Juli, 05:25
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