Unilogo

24
Aug
2011

Neue Serie zur NEURONALEN TEXTANALYSE

 
1. Hinführung


„Vernunft“ ist die innere Ratgeberin des menschlichen Geistes. Sie ist die Gegenspielerin des Verstandes. Vernunft und Verstand organisieren das Denken. Während die Vernunft eher spielerisch offen verfährt, geht der Verstand vorwiegend logisch geschlossen vor. Bei Entscheidungen geht es der Vernunft um Wahrheit, dem Verstand aber um Richtigkeit. Wenn es um Ideale und Ideen, Glaube und Kunst geht, dominiert die Vernunft, bei Ordnungen und Gesetzen, Wissen und Wissenschaft dagegen gewinnt der Verstand die Oberhand.

Das Zusammenspiel von Vernunft und Verstand oder deren Streit spiegelt sich im Wesen des Denkens wieder. „Bilderleben“, ein anderes Wort für Denken, verweist auf die unterschiedlichen Erfahrungen des Bilder-Lebens und des Bild-Erlebens. Schöpferische Menschen haben es insofern nicht leicht, als dass Neues nur aus dem Streit des Gegensätzlichen erwächst.

Bei genialen Menschen, in denen sich Vernunft und Verstand vereinen, um eine große Komposition in Musik, Dichtung oder Malerei hervorzubringen oder eine weltbewegende Entdeckung zu ermöglichen, wird es oft sehr schwierig, sich im gewöhnlichen Alltag noch zurechtzufinden.

In den großen Werken genialer Menschen spiegelt sich das Zusammenspiel von Vernunft und Verstand zumeist kunstvoll spielerisch. Die Komposition eines Kunstwerks oder eines Bauwerks offenbart gleichsam die Einheit von schöpferischer Idee und gestaltender Technik, von Glauben der Vernunft und Wissen des Verstandes. Form und Gestalt verschmelzen in der Komposition, und das Denken offenbart sich darin in seiner ursprünglichen Kraft als Bilder-Leben und Bild-Erleben. Als Bilderleben löst eine Komposition wenigstens für kurze Zeit die Spannung zwischen fühlender Vernunft und berechnendem Verstand.

In der Spannung von Form und Inhalt gelangt das jeweilige Verhältnis von Verstand und Vernunft zum Vorschein. Jeder Text dokumentiert das. Die Form eines Satzes ist Angelegenheit des Verstandes, und die Wortwahl obliegt der Vernunft. Bereits an der Formulierung eines Satzes lässt sich erkennen, wie gut Verstand und Vernunft zusammenarbeiten. So sagt der Verstand „Ein Sommertag ist ein Tag mit einer Höchsttemperatur von 25° bis 29°“. Und die Vernunft sagt: "Ein Sommertag ist ein herrlicher Badetag am Strand.“ Man sieht also einem Satz an, wer von beiden ihn formuliert. Der Verstand kann den Inhalt seines Satzes ausweisen oder sogar beweisen, die Vernunft nicht. Wie sich Vernunft und Verstand jeweils arrangieren, das zeigen sie in jedem Text. In jedem Text dokumentieren sie, wie sie miteinander während der Texterzeugung kommunizieren. Diesen inneren Dialog können sich manche Menschen bewusst werden und als innere Stimme sprechen lassen. Sie sind sogar der Ansicht, dass es die innere Stimme ist, die ihnen behutsam eingibt, was sie schreiben sollen. Die innere Stimme kann sich der Vernunft oder des Verstandes bedienen oder für eine Weile deren Rolle übernehmen oder auch Unstimmigkeiten zwischen Vernunft und Verstand klären. Menschen, welchen die Begabung der inneren Stimme zugänglich ist, sehen in ihr auch eine Beraterin. Hört man in einer schöpferischen Situation in sich hinein, so ist es immer zuerst die innre Stimme der Intuition, die aus der Tiefe des Inneren hervorscheint. Ihr überlassen wir auch hier, das zur inneren Wahrnehmung werden zu lassen, was sie uns über das Wesen zur Sprache vernehmen lässt.
 

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Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

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