Unilogo

22
Sep
2011

Ein Wort im EinSatz

 
Ein Satz ist die Form, in der das Wort Gestalt annimmt. Die Gestaltung eines Wortes durch den Satz vollzieht sich als Integration des Wortes zum Bestandteil einer Operation.

Als Operation besteht ein Satz aus Subjekt » Operator, Prädikat » Operation und Objekt » Operand.

OPERATOR: Endlich stillt Regen das durstende Land.

OPERATION: Nach Wochen der Dürre regnet es endlich.

OPERAND: Schwere Wolken ziehen über das dürre Land und bringen endlich Regen.

Nach dem, was sich beobachten lässt, erscheint das Operationsmoment a priori, bevor ein Wort überhaupt bewusst wird.

Ein Antrieb weckt das Bedürfnis, etwas für sich zu setzen. Dieses Bedürnis trifft auf eine bestimmte Stimmung.

In diesem Gefühl tauchen entsprechende Worte aus dem Unbewussten auf.

Regen

Herbstende, Winter, Frühlingsschlamm und Regen,
Euch stillen Zeiten schlägt mein Herz entgegen,
Der kalte Dämmer eures Nebelgrau’s
Umhüllt wie Bahrtuch[1] mich und Totenhaus.


Hier ist es die Herbststimmung, welche Charles Baudelaire’s Gedicht Nebel und Regen u.a. mit dem Wort Regen beginnen lässt.

Wir wissen nicht, was genau dieses Herbstgefühl auslöst. Es muss uns genügen, dass der Dichter es erwähnt.

Indem das Wort „Regen“ u.a. als Subjekt erscheint, sagt es uns lediglich, dass es das Geschehen mit verantwortet.

Als Repäsentant einer sinnlichen Erfahrung lädt uns das Wort ein, sich auf das dadurch erzeugte Gefühl einzulassen.

Jenes Wort Regen, welches in uns seine eigenen Erfahrungsbilder hat, wird durch das dichterische Wort angeregt, das gerade vergegenwärtigte Bild vom Regen der dichterischen Situation anzugleichen.

Unser Gefühl bestimmt, ob wir das wollen oder nicht.

Sobald sich unsere Stimmung dabei verfinstert und unsere Neugier nicht antreibt, werden wir das nicht mehr wollen.

Unser Wort Regen schränkt sich nicht ein, sondern leistet Widerstand. Der weitere Text erscheint uns wahrscheinlich in „negativen Vorzeichen“. So werden wir uns kaum weiterhin ernsthaft damit befassen.

Auch in dieser Darstellung verliert dieses Wort seinen Reiz. Für den Zweck des Beispiels ist es ausgereizt.

Soll unser Text infolgedessen nicht selbst an Spannung verlieren, sollten wir uns jetzt davon abwenden!

An uns selbst zeigt sich, dass ein Wort durch einen „fremden“ Text durchaus sein Eigenleben bewahren und gegen einen Text durchzusetzen vermag.

Die Einschränkung eines Wortes durch einen Satz hängt von der Bereitschaft des Empfängers ab.

Da scheitert dann unter Umständen ein Wort mit so starker Ausstrahlung wie Regen.

[1] Ein Bahrtuch (auch Baartuch, Sargdecke, Sargtuch) ist das Tuch, das bei der Aufbahrung und beim Trauerzug/Kondukt über die Totenbahre gebreitet wird.
 

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Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

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