Visionen

In der dunklen neuronalen Welt beginnt es zu dämmern. Der erste Schein des Ideenlichts zeigt sich in der Finsternis des Dagewesenen. Die Dämmerung vertreibt die Nacht des spielenden Chaos neuronaler Verwirrungen.
Der Blitz des Sturzes durch den Raum-Zeit-Tunnel trieb alle Ordnungen auseinander, und der Kosmos löste sich in eine raumlose Unendlichkeit auf. Vor der Vernuft tut sich die möglichkeitsprächtige Vielfalt des Eigenständigen auf. Unermessliche Reichtümer der angesiedelten Ichs blenden die Einfalt des Selbst. Die erfahrene Einzigartigkeit eines vernunftbegabten Wesens wird zum Hohn einer grandiosen Täuschung während der gelebten Raum-Zeit.
Neonuntergang. Die Quellen des Lichts sind hier keine der Natur geraubten Energien, sondern versammeln sich vom Innen heraus. Das Ich erfährt sich als allmächtige Natur des Selbst, vollkommen frei wählbar, in welcher Gestalt es erscheint.
Die Vernunft wählt die Form des gestaltlosen Sightseeing. So vermag sie alles unauffällig wahrzunehmen, ohne sich auf Unbekanntes einlassen zu müssen. Sie schwebt über allem. Alles wirkt attrappenartig, teils sogar wie nur gemalt. Völlig frei in allen ihren Bewegungen gelangt sie blitzartig an jeden Ort zu jeder Zeit ihres Vorlebens. Es genügt, sich zu erinnern. Der Vernunft erscheinen hier alle die mühsamen Überlegungen über Unsterblichkeit geradezu lächerlich. Diese rein gedachte Welt straft alle Botschaften darüber Lügen. Hier erscheint es geradezu wahnwitzig, einmal an Christi oder Mariä Himmelfahrt gedacht zu haben, sich weiterhin mit Körperlichem zu belasten. Man hätte sich nun doch wirklich denken können, dass im Nichts nichts sein kann. Die Vernunft empfindet alle ihre verstandesmäßigen Ehemaligkeiten peinlich.
Jedenfalls zollt hier jenseits von Gut und Böse niemand für vergangene Unstimmigkeiten Buße. Normen und Werte scheinen hier ebenso unbekannt wie Vorschriften oder Verordnungen. Die Vernunft hat das alles keineswegs allein herausgefunden. Eine lautlose Stimme berät sie und erklärt ihr alles, seit sie sich hier vorfindet.
Was aber die Vernunft am meisten belastet, das ist das Wahrnehmen des geliebten Wesens, das so sehr um sie trauert und leidet. Die Sehnsucht nach Tröstung treibt die Vernunft zu einem intensiven Suchen nach der Möglichkeit einer Rückkehr.
In einem günstigen Augenblick entdeckt die Vernunft, dass sie die Intuition des geliebten Wesens zu beeinflussen und sich so in dessen Vergegenwärtigung zu bringen vermag.
wfschmid - 17. November, 05:05
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