Naturschnitt
Beschneidung bzw. Erziehung erscheint bei allen Lebewesen unverzichtbar. Deswegen nennen Philosophen das vernunftbegabte Lebewesen auch als auf Erziehung angewiesenes Lebewesen. Ein Lebewesen, das nicht erzogen würde, würde zwangsläufig verwildern und verkommen. Aber wider allen Anscheins wird das vernunftbegabte Wesen nicht in die Notwendigkeit hinein geboren. Dennoch ist es auf Erziehung angewiesen. Aber es ist nicht Erziehung als Unterdrückung, sondern vielmehr Erziehung als Hilfe zur Selbsthilfe gemeint. Denn unter den Arten und Weisen des Zurechtschneidens existiert auch der Naturschnitt, der auf den ersten Blick sehr dem Pflegeschnitt ähnelt. Erziehung als Naturschnitt bedeutet aber die Befreiung des Individuums zu seiner ihm ureigenen naturgegebenen Individualität. Naturbeschneidung dient der Selbstbefreiung, Pflegebschneidung dagegen nur dem Bewahren des Vorhandenen. Erweist sich ein kleines Wesen als künstlerisch begabt, dann besteht die Pflege darin, diese Begabung behutsam zu fördern. Zeigte sich jedoch noch keinerlei Begabung, dann besteht die Selbstbefreiung darin, mögliche künstlerische Begabungen durch geeignete, beeindruckende Vorbilder anzuregen, zu wecken. Der Naturschnitt besteht demnach vor allem darin, geeignete, anreizende Umgebungen zu schaffen, und zwar erst durch Spielwelten und dann durch Lernwelten.
wfschmid - 12. Dezember, 05:10
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