Bitte, wo geht's nach innen?

Auf den Weg nach innen kann man sich sehr leicht verlaufen, zumal es einen Wegweiser gibt, der leicht in die Irre führen kann. Auf diesem Wegweiser steht „Kontemplation“, und es sieht ganz danach aus, dass dieser Weg nach innen führt. Schließlich steht das lateinische Wort „contemplatio“ für eine beschauliche Betrachtung, eine Art Versenkung in ein beeindruckendes Naturereignis oder Naturschauspiel. Kontemplation kann in Ekstase führen. Diesen Zustand haben wir bereits beschrieben. Damit wird deutlich, dass der Weg der Kontemplation zwar der Richtung nach Innen führt, aber dennoch vorzeitig im Selbst-Erleben endet und nicht darüber hinaus führt.
Eine weitere Richtung wird als „Meditation“ angegeben. Aber hier verrät bereits das lateinische Wort „meditatio“, dass dieser Weg einen Weg zur Mitte des eigenen Seins meint und wiederum in der Vertiefung eines persönlichen Anliegens endet, zum Beispiel im Bemühen um tiefe Konzentration oder hohe Achtsamkeit. Es ist leicht zu bemerken, dass Leute, die solche Hinweisschilder aufstellen, Innenwelt und Selbst miteinander verwechseln. Das zeigt sich auch manches Mal daran, dass sie Kontemplation und/oder Meditation mit Askese bzw. Fasten verbinden. Nichts gegen alle diese helfenden Dinge, aber für eine wesentliche Auseinandersetzung sind sie eben doch nicht hilfreich.
Es geht nicht um einen Gradmesser eigenen Befindens, sondern um das Auffinden dessen, was Lethe da vor uns verbirgt und das wir als Wesen der Natur zum Vorschein bringen lassen wollen. Das Wesen des Seins als Sein ist das Wesen der Natur. Weil das Sein immer nur als Bewusstsein zum Vorschein gelangen kann, vermag Introspektion dieses Vorscheinen zu leisten.
wfschmid - 31. März, 05:25
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