Geweckt, aber nicht wach
© urs
Wer einst dem Lebewesen Geist eingehaucht hat, muss ein Zyniker gewesen sein, denn das auf diese Weise mit Vernunft begabte Wesen konnte noch immer nicht aus seinen Träumen erwachen. Unfähig unvoreingenommen wahr zu nehmen, verstrickt sich die Vernunft in bloße Meinungen und glaubt Anderem von anderen statt sich selbst.In sich träumend erfährt die Vernunft den Verstand während des Bewusstwerdens noch im Bild als gestaltetes Gegenüber, das sich sogar als Person erleben lässt, mit der sie sich auszutauschen versteht. Das frühe Denken der Vernunft erfährt sich allein in den von ihr gestalteten Bildern, deren Inhalte jederzeit personifiziert werden können, sobald sie zu problematisch werden. Mit solchen in Innenbildern existierenden Personen lassen sich dann in Spielen Lösungen aushandeln.
Auf diese Weise findet die Vernunft auch ihren Partner, den Verstand. Die Vernunft versteht noch nicht, dass es sich in Wahrheit um eine Reflexion ihres Grundbedürfnisses nach Sicherheit handelt. Vielmehr erfährt sie diese Reflexion als eine Person, die sie, die Schutzbedürftige, zu beschützen vermag.
Die Vernunft ist in der Vorstellungswelt der Fantasie zu Hause, und sie erlebt das als ihre Wirklichkeit, in der sie sich als handelnde Person erfährt. Dort begegnet sie anderen Personen wie dem Verstand und sogar auch der Fantasie. Es ist eine kindliche Welt, in der alle Momente des Denkens oder des Gefühls noch als Spielfiguren erscheinen und in Geschichten durchgespielt und erlebt werden können. So kann Aggression gegenüber erfahrener Ungerechtigkeit als Sheriff auftreten, der erbarmungslos Cowboys, die gegen das Gesetz vertoßen haben, verfolgt. Computerspiele sind deshalb so beliebt, weil sie diese Rolle des Probehandelns von Fantasie, Vernunft, Verstand und Gefühl übernehmen.
In der virtuellen Welt der Fantasie unterscheidet das probehandelnde Bewusstsein nicht zwischen nur virtueller oder schon realer Gestaltung. Beide Arten und Weisen des Seins nimmt es gleich wichtig, ohne allerdings das Geschehen in der virtuellen Welt mit dem in der realen Welt zu verwechseln. Allerdings können vernunftbegabte Wesen ihre Rolle in der virtuellen Welt in die Realität übernehmen, indem sie sich beispielsweise ein Ansehen zusprechen, das sie in Wahrheit gar nicht haben. Bisweilen geschieht das auch in Form einer Überhöhung des Amtes, das sie gerade innehaben. Andererseits können Rentner oder Pensionäre sich nicht damit abfinden wollen, dass sie mit ihrem Ausscheiden aus dem Beruf auch ihr Amt nicht mehr innehaben. Ein pensionierter Verkehrspolizist, der immer noch Verkehrsverstöße ahndet, wirkt schlichtweg ebenso lächerlich wie ein Philosoph, der umgekehrt mit der Pensionierung sein Denken einstellt.
Das Probehandeln im virtuellen Raum bewusstwerdender Vorstellung ist ein Geschehen, das die Geschichte der gerade unterwegs befindlichen Fantasie, Vernunft und Verstand als spielerisch kindliches Vorspiel werdenden Denkens beschreibt. In diesem frühen Stadium des Denkens soll durch Bilder verstehbar werden, was sich begrifflich noch nicht fassen lässt.
wfschmid - 4. Januar, 05:10
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Trackback URL:
https://wolfgangschmid.twoday.net/stories/64023040/modTrackback