Unilogo

10
Feb
2012

Demenz

 

© urs

Der ICE fährt in Dementia ein. Die drei verlassen ihr Bewusstsein und versuchen sich zu orientieren. Zu ihrer Überraschung wirkt alles, was sie in dieser ICE-Station wahrnehmen, völlig fremd auf sie.

“Wo ist denn hier nur der Ausgang?” fragt sich die Vernunft laut. Sie geht zu einem der Informationsstände, um sich zu erkundigen: ”Eine Frage bitte: Wo geht es hier zum Ausgang?” Die Antwort erscheint der Vernunft rätselhaft: “Den Ausgang finden Sie ganz leicht, wenn Sie den Eingang kennen!” Die Vernunft ist verwirrt, wird aber vom Verstand darauf hingewiesen, dass an einem Bahnhof der Ausgang immer auch der Eingang ist. Also geht die Vernunft noch einmal zur Informationsstelle: ”Wo bitte ist hier der Eingang?” Die Antwort aber überrascht sie erneut: ”Den Eingang brauchen Sie nicht, denn Sie sind ja bereits mitten drin!”

“So komme ich nicht weiter!”, klagt die Vernunft und stellt dann überrascht fest, dass sie nirgendwo eine Uhr sieht. Und noch einmal geht sie zu einem Infostand: ”Können Sie mir bitte sagen, wann der nächste ICE nach Ens fährt?” “Ja gerne!”, antwortet das freundliche Wesen. “Der nächste ICE nach Ens fährt genau im rechten Augenblick!” Allmählich dämmert es der Vernunft, dass sie hier keine Information erwarten darf, mit der sie etwas anfangen kann.

Da erblickt die Vernunft einen Reisenden, bei dem es sich ganz offensichtlich um einen Ausländer handelt. Die Vernunft geht auf ihn zu, um ihn zu fragen, ob er sich in Dementia auskennt. Der Fremde bejaht, betont aber zugleich, dass er in Dementia incognito unterwegs ist.

Die Vernunft möchte gern von ihm erfahren, was es mit diesem Ort auf sich hat. Der Fremde lächelt: “Dementia ist ein Ort des Vergessens. An diesem Ort verlieren die Wesen zuerst ihr Selbstbewusstsein und dann ihr Bewusstsein!” Weil der Fremde beobachtet, wie sich die Vernunft erschrickt, fügt er sogleich hinzu: “Aber das betrifft nur die verlorenen Wesen!” Natürlich will die Vernunft wissen, was verlorene Wesen sind.

Verlorene Wesen sind Wesen, die kein neuronales Feuer mehr in sich haben und dehalb zusehen müssen, wie ihre neuronalen Netze reißen und ihre Verhaltensmuster zerstört werden. Verlorene Seelen entfremden sich selbst, so dass ihr Ich sich selbst nicht mehr wahrnehmen kann. “Wenn Du willst, kannst Du Dir das einmal bei Betroffenen ansehen!” Die Vernunft erzählt dem Fremden, dass sie nicht allein, sondern gemeinsam mit der Fantasie und dem Verstand reist. “Okay, Deine Gefährten können ruhig mitkommen, wenn sie wollen. Das macht gar nichts! Frage sie doch ganz einfach. Ich warte hier so lange!” Die Vernunft sucht die beiden, läuft zu ihnen, um von ihrer Begegnung mit dem Fremden zu erzählen.

Die beiden werden natürlich neugierig und entscheiden sich deshalb sofort mit zu kommen.

Der Fremde, der sich mit dem Namen Yiatros vorstellt, lädt die drei Reisenden in sein Labor nach Ergasterio ein. Ergasterio ist ein Bezirk von Dementia, in dem die wichtigsten Forschungseinrichtungen liegen.

Nach kurzer Fahrzeit mit einem ICE-Transfer betreten sie das Labor von Yiatros. Sie befinden sich in einem Raum, der sich Bildungslandschaft nennt und aus lauter unterbrochenen neuronalen Linien besteht. Yiatros erklärt den dreien, dass sie sich im Kurzzeitspeicherteil des Arbeitsgedächtnisses eines normalen Pädagogen befinden und dass sie hier ein typisches Erscheinungsbild von Demenz sehen können. Und er erklärt, dass Demenz eine Folge der Bildung, wie sie von Pädagogen vermittelt wird, darstellt.

Die Vernunft vermag das Gesagte noch nicht recht nachzuvollziehen. “Ich verstehe noch nicht, inwiefern Pädagogen andere Wesen mit Demenz infizieren sollen." Yiatro erklärt: “Mir ist kein einziger Gedankengang bekannt, den ein Pädagoge jemals zu Ende geführt hätte. Dadurch aber wird das Gehirn über Jahre konditioniert, neuronal vollständige Linien erst gar nicht herzustellen bzw. bereits vorhandene zu unterbrechen. Da dieses neuronale Vorgehen auch intakte alltagsbezogene Verbindungen betrifft, fallen nach und nach zur Bewältigung des Alltags erforderliche Verhaltensmuster aus!” Die Vernunft unterbricht Yiatro: “Dann ist Demenz also eine Kulturkrankheit?”

Yiatro bejaht das. “Und kann man dieser Erkrankung entgegenwirken?”

Yiatro nickt: “Da wir nun wissen, wie Demenz entsteht, können wir auch dem Verfall neuronaler Verbindungen entgegenwirken!” - “Werden Sie uns das zeigen?", will die Vernunft wissen. “Wenn Ihr das wollt, sehr gern!”
 

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Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

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