Die innere Stimme
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“Die innere Stimme gilt je nach Ansicht den einen als Stimme der Seele, anderen als Sprache der Vernunft und wieder anderen als Ausdruck des Gewissens oder als Zuspruch des Geistes oder auch Stimme des Herzens. Mahatma Gandhi nennt die leise innere Stimme den einzigen Tyrann, den er in dieser Welt anerkennt. (Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.))Du hast deine Kindheit vergessen, aus den Tiefen deiner Seele wirbt sie um dich. Sie wird dich so lange leiden machen, bis du sie erhörst. (Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.) Und Friedrich Nietzsche sagt zur inneren Stimme: “Es geht geisterhaft zu, jeder Augenblick des Lebens will uns etwas sagen, aber wir wollen diese Geisterstimme nicht hören. Wir fürchten uns, wenn wir allein und stille sind, daß uns etwas in das Ohr geraunt werde, und so hassen wir die Stille und betäuben uns durch Geselligkeit.” (Friedrich Nietzsche, Werke I - Unzeitgemäße Betrachtungen) Und für mich liegt schon von meinem Namen her die folgende Aussage nahe", sagt Lethe nun: “In dem Augenblick aber, wo uns alles verloren scheint, erreicht uns zuweilen die Stimme, die uns retten kann; man hat an alle Pforten geklopft, die auf gar nichts führen, vor der einzigen aber, durch die man eintreten kann, und die man vergeblich hundert Jahre lang hätte suchen können, steht man, ohne es zu wissen, und sie tut sich auf." (Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3 )
Die Fantasie möchte nun von Lethe wissen, woher die recht unterschiedlichen Namen für die innere Stimme eigentlich stammen. “Das liegt daran, dass sich dieses Phänomen dem Wissen entzieht und allein dem Glauben offenbart. Der Glaube verfügt aber über keine eindeutigen Namen bzw. Begriffe, sondern allein über vielfältige und vieldeutige Hinweise, Zeichen oder Bezeichnungen. Offenbarungen des Glaubens lassen ganz persönliche Deutungen zu wie beispielsweise auch das Wort Gott. Deshalb glaubt Sokrates seiner inneren Stimme, als einer göttlichen Eingebung und nennt sie deshalb auch seinen “daimonion”, also seinen persönlichen Schutzgeist, der Teil des Ichs ist. Diese innere Stimme warnte ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer gefährlichen Absicht ab. Sokrates versteht das Daimonion als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, und vom Falschen abrät, jedoch zu nichts rät. Sein Daimonion schätzt Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorcht. Da er es auch über die Götter stellt, wurde ihm sogar vorgeworfen, es als einen neuen Gott einführen zu wollen.” Und Lethe offenbart nun der Fantasie, der Vernunft und dem Verstand, dass sie selbst letztlich nichts Anderes ist als ein sprechendes inneres Bild ihrer ureigenen daimonia. "Wer nämlich nach Dementia kommt, tut das letztlich nur, um in sich selbst anzukommen!” Und nach diesen Worten entschwindet Lethe dem geistigen Auge der Fantasie, der Vernunft und des Verstandes.
wfschmid - 22. Februar, 05:10
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