Die Zeit trifft einen Journalisten

Zeit: "Viele Menschen klagen heutzutage über die immer schneller wachsende Informationsflut. Ihnen fehlt es an Zeit, um sich auf die vielen Informationen einzulassen. Diese Menschen haben den Eindruck, dass ihnen immer mehr Ereignisse entgehen. Dein Beruf ist es, wichtige Geschehnisse von unwichtigen zu unterscheiden. Du hast eine große Verantwortung, weil du den Menschen das vorgibst, womit sie dann ihre Wirklichkeit gestalten."
Journalist: "Zeitungen sind Zeitspeicher. Der Leser kann selbst entscheiden, wann er sich auf welches Ereignis einlassen und damit auseinandersetzen will. Natürlich hält jeder das für wirklich, was er durch die Medien erfährt."
Zeit: "Du übersetzt Nachrichten in Informationen. Durch diese Übersetzung greifst du in das Zeitbudget der Lesenden ein. Je sorgfältiger du die Nachrichten aussuchst und je klarer du diese in Informationen übersetzt, desto weniger Zeit wird durch die Zeitungslektüre verbraucht."
Journalist: "Aus diesem Grund legen wir den allergrößten Wert auf 'sprechende' Texte. Texte, die im Kopf des Lesers keine Bilder entstehen lassen, sind für uns verlorene Texte."
Zeit: "Du kannst mir sicher erklären, was den Unterschied zwischen einer Nachricht und einer Information ausmacht."
Journalist: "Eine Nachricht ist ein Bericht über ein Ereignis. Eine Information ist das, was dieser Bericht an Vorstellungen auslöst. Meine Übersetzungsarbeit besteht folglich darin, die Daten über ein Ereignis anschaulich werden zu lassen. Je schneller sich der Leser das genau vorstellen kann, worüber ich schreibe, desto zeitökonomischer ist mein Artikel angelegt."
Zeit: "Aber du veranschaulichst ja nicht nur eingegangene Berichte über wichtige Ereignisse, sondern du gehst ja auch gewissen Ereignissen nach. Du überlegst, was darüber berichtenswert erscheint, und setzt dieses dann anschaulich um. Allerdings erzeugst du auch selbst Informationen, indem du deine eigenen Gedanken veröffentlichst. Das nennt ihr dann beispielsweise 'Kommentare'."
Journalist: "'Information' ist ein Naturprodukt. Der menschliche Geist erzeugt diesen Rohstoff, indem er nach den Regeln der Natur und mit Hilfe seiner Sprache aus Gedanken neue Ideen schafft. Es ist für uns Journalisten sehr wichtig, gute Ideen zu transportieren und schlechte sorgfältig zu kritisieren."
Zeit: "Im Gegensatz zur Industriegesellschaft, die auf bereits vorhandene Rohstoffe zurückgreift, muss die Informationsgesellschaft ihren Rohstoff aus ihren geistigen Ressourcen gewinnen. Und im Gegensatz zur Industriegesellschaft entzieht sich das Rohmaterial für die Produkte der Informationsgesellschaft einer unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung. Das Gedankengut lässt sich nicht so leicht ausmachen und kontrollieren wie der Wasserhaushalt oder das Vorkommen von Brennstoffen."
Zeit: "Das habe ich bereits angedeutet: Im einfachsten Fall ist Information eine Mitteilung, die das Verhalten der Menschen und damit ihr Verhältnis zur Welt positiv oder negativ beeinflussen kann. Jeder gesellschaftliche Fortschritt ist vor allem von zukunftsgerichteten Handlungsentwürfen abhängig."
Journalist: "Aufgabe der Medien ist es, für die schnelle Übertragung von Informationen zu sorgen. Jede Informationsgesellschaft ist neben ihren geistigen Ressourcen nur so gut wie die Medien, die darüber Bericht erstatten."
Zeit: "Und ihr spart allen um so mehr Zeit, je schneller ihr zukunftsgerichtete Informationen erzeugt"
wfschmid - 17. Juli, 07:05
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