Unilogo

31
Okt
2014

Kehrwoche (6.und 7. Tag)

Im Gegensatz zum Denken lässt sich Glauben nicht beweisen. Glauben vermag nicht zu beweisen, sondern allenfalls zu überzeugen. Im Gegensatz zu Wissenschaften verfügt natürlicher Glaube nicht über Axiome. Religionen dagegen leisten sich Dogmen, um sich abzusichern.

Wie auch immer, die Geschichte hat uns nicht gelehrt, mit Glauben intuitiv gerecht umzugehen.

Glauben ermöglicht nicht, sich an Begriffen zu orientieren. Begriffe der Wissenschaften gelangen durch Glauben als Ideen in Gestalt von Bildern zum Vorschein. Besonders religiöser Glaube lebt von Vorbildern. Glauben existiert nicht aufgrund von Beweisen, sondern durch Überzeugungen. Bisweilen werden Begriffe wie u.a. in Theologie, Pädagogik oder auch Politik, mit Überzeugungen vermischt und beides dadurch verflacht.

Parallelwelten

Als vernunftbegabtes Lebewesen existiert der Mensch wahrnehmend, fühlend, denkend und/oder glaubend. Je nach Dominanz dieser Vermögen oder ihrer Mischungen schafft er sich seine Welt.

Kunst setzt Wahrnehmungen und/oder Gefühle schöpferischer Menschen ins Werk. Wissenschaft beruft sich auf empirisch überprüfbare Beweise. Religion gründet auf Visionen.

Religiöse, künstlerische und wissenschaftliche Welten existieren parallel. Gewöhnlich aber werden sie vermischt, sobald ein Wesen existiert. Reine Formen dieser Welten existieren sehr selten, so zum Beispiel in strengen beschaulichen Orden, im Tanz wie dem Ballet, in der Mathematik.

Problematisch wird es, sobald sich widersprüchliche Welten vermischen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn versucht wird, Glauben durch Wissenschaft zu begründen.

Der in „Totzeit“ angelegte Weg, die Existenz Gottes zu beweisen, erweist sich zwangsläufig als Sackgasse. Angesichts der wissenschaftlichen Unerfahrenheit eines Sechzehnjährigen verwundert das nicht.

Allerdings stellt sich 46 Jahre später heraus, dass das Leitmotiv und nicht der Weg in Bezug auf den Erfolg maßgeblich bestimmend war. Die Erweiterung der Wesensbestimmung des vernunftbegabten Lebewesens als denkendes u n d glaubendes Wesen offenbart eine arg vernachlässigte, wissenschaftlich verdrängte Welt. Diese Offenbarung bedeutet keineswegs Kehre in Richtung Mythos, sondern vielmehr eine sich wiederholende Hinwendung zur Mystik.

...

Versuche die eine Welt mittels der anderen beweisen zu wollen, müssen zwangsläufig scheitern. Das hält viele, zumeist erfolglose Unentschiedene, nicht davon ab, das dennoch zu versuchen.

Die religiöse und die wissenschaftliche Parallelwelt sind inkompatibel und deshalb auch nicht wechselseitig komplementär. Tradierte metaphysische Versuche vermochten diese Gegensätze nicht zu überbrücken. Weder die religiöse noch die wissenschaftliche Welt lassen sie zureichend begründen.

Vor 46 Jahren war „Totzeit“ letztlich der Versuch, die religiöse Welt von sich her zureichend metaphysisch zu begründen. Dieser Versuch baute auf die Hoffnung, dass der Mensch von Natur aus hinreichend ausgestattet ist, die Existenz Gottes zu erfahren.
Dabei sollte der Weg innerer Selbst-Beobachtung zur Einsicht führen. Dieser Weg wurde durch das Studium der Philosophie und Wissenschaften umgeleitet.
Die Umleitung des Weges, Gottes Existenz wissenschaftlich auszumachen, endete vor kurzem mit der Einsicht in die absolute Subjektivität religiöser Erfahrung.

So lassen sich beispielsweise Marien-Erscheinungen wie in Lourdes oder Fatima oder auch Visionen wie die der Hildegard von Bingen wissenschaftlich niemals erklären, sondern einzig und allein aufgrund von Berichten glauben.

DENN: Erfahrung der Gegenwart Gottes ist ein limbisches Phänomen und somit absolut subjektiv. also auch nicht untersubjektiv zugänglich. Wie generell in unserem Leben sind wir auch dann unbedingt auf Glauben angewiesen, wenn uns jemand sagt, dass er die Existenz Gottes erfahre.

"Seit die Schweizer Ärztin Dr. Elisabeth Kübler-Ross vor etwa 40 Jahren ihr Buch „Interviews mit Sterbenden“ veröffentlichte und der amerikanische Psychiater Dr. Raymond Moody 1975 in seinem Bestseller „Leben nach dem Tod“ zahlreiche Berichte über sogenannte Nahtoderlebnisse publizierte, wurde die Sterbeforschung weltweit zum Thema. Dutzende wissenschaftliche Studien konnten belegen, daß das Sterben bestimmte Stationen durchläuft und sich offenbar bei jedermann in gleicher Weise abspielt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung oder Religionszugehörigkeit.“ (Quelle)

ABER "Gehirnforscher fanden gute Argumente dafür, daß Todesnähe-Erfahrungen nicht Realität, sondern nur Einbildung sind, hervorgerufen durch Sauerstoffmangel, streßbedingte Übererregung bestimmter Hirnareale und die Ausschüttung von natürlichen Substanzen, die eine ähnliche Wirkung wie Drogen haben. Es gelang sogar, Einzelaspekte von Nahtoderlebnissen durch die Stimulation bestimmter Bereiche der Großhirnrinde oder durch Drogen künstlich auszulösen.“ (ebd.)

Lässt sich nun das limbische System derart stimulieren, dass es religiöse Erfahrungen bewirkt?

..

Ich kann allein versuchen, solches Erfahren subjektiv zu beschreiben. um vielleicht anzuregen, den eigenen Weg zu entdecken.

VORWEG: Der Dichter und Mystiker Angelus Silesius schreibt im Cherubinischen Wandersmann:

„Gott lebt nicht ohne mich

Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben,
Werd' ich zunicht', er muß von Not den Geist aufgeben.

Gott ergreift man nicht

Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier:
Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.

Der Mensch ist Ewigkeit

Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse
Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.

Ein Abgrund ruft dem andern

Der Abgrund meines Geists ruft immer mit Geschrei
Den Abgrund Gottes an: Sag, welcher tiefer sei?

Das Bildnis Gottes

Ich trage Gottes Bild: Wenn er sich will besehn,
So kann es nur in mir, und wer mir gleicht, geschehn.

Die Gottheit ist ein Nichts

Die zarte Gottheit ist ein Nicht und Übernichts:
Wer nichts in allem sieht, Mensch, glaube, dieser sieht's.

Man weiß nicht, was man ist

Ich weiß nicht, was ich bin. Ich bin nicht, was ich weiß:
Ein Ding und nicht ein Ding: Ein Tüpfchen und ein Kreis.

Der Himmel ist in dir

Halt an, wo laufstu hin, der Himmel ist in dir;
Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.

Wie Gott im Menschen

Gott ist noch mehr in mir, als wann das ganze Meer
In einem kleinen Schwamm ganz und beisammen wär.

Der Mensch ist Ewigkeit

Ich selbst bin Ewigkeit, wann ich die Zeit verlasse
Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.

Zufall und Wesen

Mensch, werde wesentlich; denn wann die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.

Beschluss

Freund, es ist auch genug. Im Fall du mehr willt lesen,
So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen“.[1]

____
[1] Hans Ludwig Held: Angelus Silesius. Sämtliche poetische Werke inI drei Bänden. (Band 1: Die Geschichte seines Lebens und seiner Werke. Urkunden; Band 2: Jugend- und Gelegenheitsgedichte. Heilige Seelenlust oder geistliche Hirten-Lieder der in ihren Jesus verliebten Psyche. [Enthält auch: Bonus Conciliarius und Christliches Ehrengedächtnis des Herrn Abraham von Frankenberg]; Band 3: Cherubinischer Wandersmann. Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge.) 2. Aufl. München 1924

Seit 19 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

Archiv

Januar 2024
Dezember 2023
Oktober 2023
August 2023
Juli 2023
Juni 2023
Mai 2023
April 2023
Januar 2023
Dezember 2022
Oktober 2022
September 2022
Juni 2022
Mai 2022
März 2022
Februar 2022
Januar 2022
Dezember 2021
November 2021
Oktober 2021
September 2021
August 2021
Juli 2021
Mai 2021
April 2021
März 2021
Februar 2021
Januar 2021
Dezember 2020
November 2020
Oktober 2020
September 2020
Juni 2020
Mai 2020
April 2020
März 2020
Februar 2020
Januar 2020
Dezember 2019
November 2019
Oktober 2019
Juni 2019
Mai 2019
April 2019
März 2019
April 2018
März 2018
Februar 2018
Januar 2018
Dezember 2017
November 2017
Oktober 2017
September 2017
August 2017
Juli 2017
Juni 2017
Mai 2017
April 2017
März 2017
Februar 2017
Januar 2017
Dezember 2016
November 2016
Oktober 2016
September 2016
August 2016
Juli 2016
Juni 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
Dezember 2015
November 2015
Oktober 2015
September 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
April 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Juni 2014
Mai 2014
April 2014
März 2014
Februar 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
Mai 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
Oktober 2008
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
Dezember 2005
November 2005
Oktober 2005
September 2005
August 2005
Juli 2005
Juni 2005
Mai 2005
April 2005
März 2005
Februar 2005
Januar 2005
Dezember 2004

Aktuelle Beiträge

Dreamed out
If a priori represents a metaphysical congruence with...
wfschmid - 9. Januar, 05:24
Crossing boundaries
Seeing changes into looking Intuition and inner voice...
wfschmid - 8. Januar, 03:48
I myself
I myself The ego encounters itself daily in the self....
wfschmid - 3. Januar, 04:35
Metaphysics
Thinking metaphysically means looking beyond what can...
wfschmid - 30. Dezember, 04:57
Fortsetzung der Metaphysik-Folge
Auf meiner Webseite wird o.a. Reihe fortgesetzt! www.wolfgan g-schmid.de
wfschmid - 26. Oktober, 11:58
Metaphysik
Metaphysik bedeutet, hinter das sinnlich Vernehmbare...
wfschmid - 19. Oktober, 10:20
Buchtitel: Paradox -...
Neues Buch Nach dem Link zu Apple Books auf"My...
wfschmid - 17. Oktober, 11:10
Buchtitel: Paradox -...
Neues Buch Nach dem Link zu Apple Books auf"My...
wfschmid - 14. Oktober, 12:35

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 7146 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 9. Januar, 05:24

Suche (AND, OR erlaubt) - Nächste (leere) Zeile anklicken!

 

Credits

 

 

Es gelten die Rechtsvorschriften für Webseiten der Universität Flensburg © Texte: Wolfgang F. Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) wfschmid(at)me.com Bilder: Ulrike Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) mail(at)ulrike-schmid.de

 wfs