Lehrerbilder
REKTOR SALKOSKY
Mein erstes Schuljahr fiel in die Zeit 1950/51. Rektor Salkosky begrüßt seine ABC-Schützen in der Zeppelinschule Singen am Hohentwiel. Ich erinnere mich noch sehr genau an die ersten Minuten meiner Schulzeit. Wir Kinder wurden aufgefordert ruhig zu sein, still zu sitzen und die Hände auf die Schulbank zu legen. Ich war derartige Kommandotöne überhaupt nicht gewohnt. Ich flüsterte meinem Nachbarn protestierend, wohl etwas zu laut zu "Der Salkosky ist ein Arschloch!" Zur Strafe schickte mich Rektor Salkosky erst einmal vor die Tür. Aber dort wartete ich natürlich nicht, sondern haute ab, um mir in der Gegend die Zeit zu vertreiben. Und das tat ich auch die folgenden Tage. Da nutzten alle Strafandrohungen und tatsächliche Strafen nichts. Ich erinnere mich nicht mehr, wie es dazu kam. Jedenfalls fand ein Gespräch zwischen diesem Rektor, meinem Vater und mir als Übeltäter statt. In diesem Gespräch überredete mich Rektor Salkosky zu folgendem Deal: "Ein Fleißzettel für einen Tag Schulbesuch. Bei zehn Fleißzetteln könnte ich einen Tag ungestraft fehlen!"
Auf diesen Deal ließ ich mich ein, mit dem Erfolg, dass ich keine Lust mehr zum Schwänzen hatte, weil ich den Unterricht interessanter als das Herumtreiben fand.
LEHRER BÜRGESSER
Wenn ich an meinen Lehrer Bürgesser denke, sehe ich ihn sofort mit seiner Geige vor mir. Ich denke an seinen wöchentlichen Musikunterricht nachmittags, den wir Kinder freiwillig besuchen konnten. Herr Bürgesser war bei uns sehr beliebt. Sein Unterricht fand meistens außerhalb des Klassenzimmers statt. Biologie in der Natur oder Mathematik in den Tante Emma Läden der Umgebung, Sachkunde auf der Post, im Bahnhof, auf dem Markt oder einen Tag auf einem Bauernhof. Herr Bürgesser machte mit uns viele Ausflüge und Wanderungen. In seinen Unterricht brachte er immer tolle Materialien mit, die wir auch behalten durften. In dem großen Sandkasten, den er in unserem Klassenzimmer aufbauen ließ, modellierten wir unsere Heimat in Miniaturlandschaften wie den Hegau, die Höri, den Bodensee oder den Schwarzwald.
Aber unser Lieblingsprojekt blieb die Landgewinnung an der Nordseeküste in Schleswig-Holstein. Kein Wunder also, dass sich alle Kinder in der wöchentlichen Musikstunde drängten. Herr Bürgesser beeindruckte uns sehr mit seinen Geigensolis und seinem Ein-Mann-Theater, mit dem er uns das Volkslied der Woche nahebrachte. Unvergesslich bis heute das Lied "Ich armes welsches Teufli":
Ich armes welsches Teufli
bin müde vom Marschieren
bin müde vom Marschiern
Ich hab verlorn´mein Pfeifli
aus meinem Mantelsack
aus meinem Mantelsack
Ich glaub´ich hab´s gefunden
was du verloren hast
was du verloren hast
Herr Bürgesser fuhr mit einem Aufsehen erregenden uralten Fahrrad zur Schule. Ich sehe noch heute die überdimensioniert große Fahrradlampe vor mir. Fast sah sie wie ein kleiner schwarzer Kochtopf aus.
LEHRER WINTERER
Lehrer Winterer war einer der strengsten Lehrer der Schule und eine Weile unser Religionslehrer. Wir mussten die Bibel zu Hause seitenweise auswendig lernen. Wer beim Aufsagen im Unterricht stecken blieb, kassierte als Prügelstrafe sogenannte Hosenspanner.
Besonders gefährlich waren Schlechtwettertage, an denen Karl Winterer unter seinem Holzbein besonders litt. Neben der Prügelstrafe gab es noch weitere Strafen wie Motorrad putzen oder für seine Frau einkaufen gehen. Besonders eindrucksvoll war es freitags, wenn man Bücklinge kaufen und in den Unterricht bringen musste. Herr Winterer putzte sie während des Unterrichts, um sie dann durch einen Schüler quer durch die ganze Stadt zu seiner Frau nach Hause bringen zu lassen. Das dauerte hin und zurück gut drei Stunden, die dann für die weiteren Unterrichtsstunden verloren waren.
Trotz allem war Lehrer Winterer bei uns Kindern beliebt, weil wir letztlich immer mit Strafarbeiten seinem todlangweiligen Unterricht entkamen. Sein extrem kleines, lautes Motorrad beeindruckte uns, und außerhalb seines Unterrichts war er ja auch ganz nett.
Bei einer Weihnachtsfeier des VdK sollte ich ein Gedicht aufsagen, dass er selbst zu diesem Zweck geschrieben hatte.
Vor lauter Aufregung aber hatte ich das Gedicht zu Hause liegen lassen, so dass er mir nicht vorsagen konnte, falls ich stecken bleiben sollte.
Statt der erwarteten Schelte tröstete mich Lehrer Winterer damit, dass ich das auf jeden Fall so schaffen werde, weil ich ja ein mutiger und kluger Junge bin. Und das aus dem Munde dieses Tyrannen.
Jedenfalls blieb ich nicht stecken und erhielt auch viel Beifall.
Eines Tages ersetzte Lehrer Winterer sein kleines Motorrad durch einen schwarzen Borgward. Es war zugleich das erste Auto, in dem ich mitfahren durfte. Das war, als Herr Winterer meinen Vater und mich in der Stadt traf und uns nach Hause fuhr.
FRÄULEIN UMRATH
Die Erinnerung an die Grundschullehrern Frl. Umrath ruft spontan das Bild eines mit Pflanzen, Büchern und Lernmaterialien vollgestellten Klassenraums in mir wach. Danach sehe ich mich gleich in ihrem Garten wieder einmal ihr Fahrrad putzen. "Fahrrad putzen", das war eine Strafe, die Frl. Umrath aussprach, wenn man in ihrem Unterricht ungezogen war. Das Denkwürdige dieser Bestrafung waren Kakao und Kuchen, den es hinterher immer gab. Und alles war vergessen! Aber eines Tages bekam ich im Naturkundeunterricht großen Ärger mit Fräulein Umrath. Ich erzählte nämlich freuestrahlend von einer seltsamen Blume, die ich auf einem meiner Streifzüge per Fahrrad durch den Hegau entdeckt hatte. Ich konnte diese Blume, die ich wegen ihres Aussehens Schachbrettblume nannte, ganz genau beschreiben. Fräulein Umrath lachte mich aus und sagte mir, dass ich fantasiere. Als ich nicht nachgab, schlug sie vor, dass ich diese sogenannte Schachbrettblume in den Unterricht mitbringen soll. Ich aber war beleidigt und bestrafte Fräulein Umrath damit, dass sie diese seltsame Blume nicht sehen durfte.
Erst viele Jahre später erfuhr ich durch Zufall in der Tageszeitung "Der Südkurier", dass die Schachbrettblume entdeckt und wegen ihrer Seltenheit unter Natürschutz gestellt wurde.
LEHRER SCHMITZ
Lehrer Schmitz löst in mir sehr zwiespältige Gefühle aus.
Er lud mich öfters zu sich nach Hause ein, machte mit mir Spaziergänge oder ging mit mir ins Kino. Aus heutiger Sicht handelte es sich um eine zumindest latente pädophile Persönlichkeit.
Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass es seinerseits irgendwelche unanständigen Annäherungen gegeben hätte. Dennoch gab es Anzeigen gegen ihn. Ich aber konnte der Polizei nichts bestätigen. Auslöser dieser Anzeigen war jedoch seine rabiate Methode, Jungens für ihre Ungezogenheiten im Unterricht zu bestrafen. Er packte sie nämlich ganz einfach und hielt sie zur Abschreckung in der vierten Etage zum Fenster hinaus.
Ansonsten unterrichtete er lebendig und humorvoll.
Eine Tages gab es Lehrer Schmitz nicht mehr. Er war aus dem Schuldienst entlassen worden.
Rektor Salkosky lehrte mich Kompromissbereitschaft und Toleranz, Lehrer Bürgesser: Liebe und Engagement, Fräulein Umrath Mut und Durchhaltevermögen. Lehrer Winterer: Überwindung der Angst und Lehrer Schmitz: Vorsicht.
Mein erstes Schuljahr fiel in die Zeit 1950/51. Rektor Salkosky begrüßt seine ABC-Schützen in der Zeppelinschule Singen am Hohentwiel. Ich erinnere mich noch sehr genau an die ersten Minuten meiner Schulzeit. Wir Kinder wurden aufgefordert ruhig zu sein, still zu sitzen und die Hände auf die Schulbank zu legen. Ich war derartige Kommandotöne überhaupt nicht gewohnt. Ich flüsterte meinem Nachbarn protestierend, wohl etwas zu laut zu "Der Salkosky ist ein Arschloch!" Zur Strafe schickte mich Rektor Salkosky erst einmal vor die Tür. Aber dort wartete ich natürlich nicht, sondern haute ab, um mir in der Gegend die Zeit zu vertreiben. Und das tat ich auch die folgenden Tage. Da nutzten alle Strafandrohungen und tatsächliche Strafen nichts. Ich erinnere mich nicht mehr, wie es dazu kam. Jedenfalls fand ein Gespräch zwischen diesem Rektor, meinem Vater und mir als Übeltäter statt. In diesem Gespräch überredete mich Rektor Salkosky zu folgendem Deal: "Ein Fleißzettel für einen Tag Schulbesuch. Bei zehn Fleißzetteln könnte ich einen Tag ungestraft fehlen!"
Auf diesen Deal ließ ich mich ein, mit dem Erfolg, dass ich keine Lust mehr zum Schwänzen hatte, weil ich den Unterricht interessanter als das Herumtreiben fand.
LEHRER BÜRGESSER
Wenn ich an meinen Lehrer Bürgesser denke, sehe ich ihn sofort mit seiner Geige vor mir. Ich denke an seinen wöchentlichen Musikunterricht nachmittags, den wir Kinder freiwillig besuchen konnten. Herr Bürgesser war bei uns sehr beliebt. Sein Unterricht fand meistens außerhalb des Klassenzimmers statt. Biologie in der Natur oder Mathematik in den Tante Emma Läden der Umgebung, Sachkunde auf der Post, im Bahnhof, auf dem Markt oder einen Tag auf einem Bauernhof. Herr Bürgesser machte mit uns viele Ausflüge und Wanderungen. In seinen Unterricht brachte er immer tolle Materialien mit, die wir auch behalten durften. In dem großen Sandkasten, den er in unserem Klassenzimmer aufbauen ließ, modellierten wir unsere Heimat in Miniaturlandschaften wie den Hegau, die Höri, den Bodensee oder den Schwarzwald.
Aber unser Lieblingsprojekt blieb die Landgewinnung an der Nordseeküste in Schleswig-Holstein. Kein Wunder also, dass sich alle Kinder in der wöchentlichen Musikstunde drängten. Herr Bürgesser beeindruckte uns sehr mit seinen Geigensolis und seinem Ein-Mann-Theater, mit dem er uns das Volkslied der Woche nahebrachte. Unvergesslich bis heute das Lied "Ich armes welsches Teufli":
Ich armes welsches Teufli
bin müde vom Marschieren
bin müde vom Marschiern
Ich hab verlorn´mein Pfeifli
aus meinem Mantelsack
aus meinem Mantelsack
Ich glaub´ich hab´s gefunden
was du verloren hast
was du verloren hast
Herr Bürgesser fuhr mit einem Aufsehen erregenden uralten Fahrrad zur Schule. Ich sehe noch heute die überdimensioniert große Fahrradlampe vor mir. Fast sah sie wie ein kleiner schwarzer Kochtopf aus.
LEHRER WINTERER
Lehrer Winterer war einer der strengsten Lehrer der Schule und eine Weile unser Religionslehrer. Wir mussten die Bibel zu Hause seitenweise auswendig lernen. Wer beim Aufsagen im Unterricht stecken blieb, kassierte als Prügelstrafe sogenannte Hosenspanner.
Besonders gefährlich waren Schlechtwettertage, an denen Karl Winterer unter seinem Holzbein besonders litt. Neben der Prügelstrafe gab es noch weitere Strafen wie Motorrad putzen oder für seine Frau einkaufen gehen. Besonders eindrucksvoll war es freitags, wenn man Bücklinge kaufen und in den Unterricht bringen musste. Herr Winterer putzte sie während des Unterrichts, um sie dann durch einen Schüler quer durch die ganze Stadt zu seiner Frau nach Hause bringen zu lassen. Das dauerte hin und zurück gut drei Stunden, die dann für die weiteren Unterrichtsstunden verloren waren.
Trotz allem war Lehrer Winterer bei uns Kindern beliebt, weil wir letztlich immer mit Strafarbeiten seinem todlangweiligen Unterricht entkamen. Sein extrem kleines, lautes Motorrad beeindruckte uns, und außerhalb seines Unterrichts war er ja auch ganz nett.
Bei einer Weihnachtsfeier des VdK sollte ich ein Gedicht aufsagen, dass er selbst zu diesem Zweck geschrieben hatte.
Vor lauter Aufregung aber hatte ich das Gedicht zu Hause liegen lassen, so dass er mir nicht vorsagen konnte, falls ich stecken bleiben sollte.
Statt der erwarteten Schelte tröstete mich Lehrer Winterer damit, dass ich das auf jeden Fall so schaffen werde, weil ich ja ein mutiger und kluger Junge bin. Und das aus dem Munde dieses Tyrannen.
Jedenfalls blieb ich nicht stecken und erhielt auch viel Beifall.
Eines Tages ersetzte Lehrer Winterer sein kleines Motorrad durch einen schwarzen Borgward. Es war zugleich das erste Auto, in dem ich mitfahren durfte. Das war, als Herr Winterer meinen Vater und mich in der Stadt traf und uns nach Hause fuhr.
FRÄULEIN UMRATH
Die Erinnerung an die Grundschullehrern Frl. Umrath ruft spontan das Bild eines mit Pflanzen, Büchern und Lernmaterialien vollgestellten Klassenraums in mir wach. Danach sehe ich mich gleich in ihrem Garten wieder einmal ihr Fahrrad putzen. "Fahrrad putzen", das war eine Strafe, die Frl. Umrath aussprach, wenn man in ihrem Unterricht ungezogen war. Das Denkwürdige dieser Bestrafung waren Kakao und Kuchen, den es hinterher immer gab. Und alles war vergessen! Aber eines Tages bekam ich im Naturkundeunterricht großen Ärger mit Fräulein Umrath. Ich erzählte nämlich freuestrahlend von einer seltsamen Blume, die ich auf einem meiner Streifzüge per Fahrrad durch den Hegau entdeckt hatte. Ich konnte diese Blume, die ich wegen ihres Aussehens Schachbrettblume nannte, ganz genau beschreiben. Fräulein Umrath lachte mich aus und sagte mir, dass ich fantasiere. Als ich nicht nachgab, schlug sie vor, dass ich diese sogenannte Schachbrettblume in den Unterricht mitbringen soll. Ich aber war beleidigt und bestrafte Fräulein Umrath damit, dass sie diese seltsame Blume nicht sehen durfte.
Erst viele Jahre später erfuhr ich durch Zufall in der Tageszeitung "Der Südkurier", dass die Schachbrettblume entdeckt und wegen ihrer Seltenheit unter Natürschutz gestellt wurde.
LEHRER SCHMITZ
Lehrer Schmitz löst in mir sehr zwiespältige Gefühle aus.
Er lud mich öfters zu sich nach Hause ein, machte mit mir Spaziergänge oder ging mit mir ins Kino. Aus heutiger Sicht handelte es sich um eine zumindest latente pädophile Persönlichkeit.
Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass es seinerseits irgendwelche unanständigen Annäherungen gegeben hätte. Dennoch gab es Anzeigen gegen ihn. Ich aber konnte der Polizei nichts bestätigen. Auslöser dieser Anzeigen war jedoch seine rabiate Methode, Jungens für ihre Ungezogenheiten im Unterricht zu bestrafen. Er packte sie nämlich ganz einfach und hielt sie zur Abschreckung in der vierten Etage zum Fenster hinaus.
Ansonsten unterrichtete er lebendig und humorvoll.
Eine Tages gab es Lehrer Schmitz nicht mehr. Er war aus dem Schuldienst entlassen worden.
Rektor Salkosky lehrte mich Kompromissbereitschaft und Toleranz, Lehrer Bürgesser: Liebe und Engagement, Fräulein Umrath Mut und Durchhaltevermögen. Lehrer Winterer: Überwindung der Angst und Lehrer Schmitz: Vorsicht.
wfschmid - 1. August, 03:15
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