Unilogo

12
Okt
2017

Wissen der Seele

Das Wissen der Seele beruht nicht wie das Wissen der Vernunft auf Beweisen, sondern auf Intuitionen. Wenn dieses Wissen als existentielle Alternative zum logischen Wissen ernstgenommen werden soll, dann muss die tradierte Bestimmung des Erkennens als Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten und Begreifen verändert werden zu Wahrnehmen, Betrachten, Empfinden und Glauben. Im Gegensatz zum logischen Denken in Begriffen ist schöpferisches Denken emotionales Denken in Intuitionen.

Geniale Denker wie Albert Einstein vereinen in sich sowohl begriffliches als intuitives Denken. Einstein bemerkt:
"Ohne den Glauben daran, dass es grundsätzlich möglich ist, die Wirklichkeit durch unsere logischen Konstruktionen begreiflich zu machen, ohne den Glauben an die innere Harmonie unserer Welt, könnte es keine Naturwissenschaft geben. Dieser Glaube ist und bleibt das Grundmotiv jedes schöpferischen Gedankens in der Naturwissenschaft." (10, S. 195) (1938)

Jeder erkennt an, dass jede Wirkung eine Ursache voraussetzt. Und wir verlassen uns darauf, dass wir von der Wirkung auf die Ursache zurück schliessen können. Weil das Universum sich ausdehnt, nehmen wir einen Urknall an. Und wir betrachten Urknall als Wirkung des Nichts als Ursache. Wir sagen, dass wir das wissen, obgleich das Nichts eine Angelegenheit des Glaubens ist.
"Die Entwicklung der abendländischen Naturwissenschaft beruht auf zwei großen Leistungen: Der Erfindung des formal logischen Systems (in der euklidischen Geometrie) durch die griechischen Philosophen, und auf der Entdeckung der Möglichkeit, durch systematisches Experimentieren kausale Beziehungen herzustellen.“ (ebd.)
Warum sind wissenschaftliche Modelle glaubhafter als Intuitionen? Wissenschaftliche Modelle beeindrucken durch ihre Genauigkeit. Diese Modelle sind berechenbar. Die meisten Menschen nehmen an, dass eine Rechnung wahrer ist als eine Intuition. Aber eine mathematische Aussage kann nicht wahr, sondern nur richtig sein. Was ist der Unterschied? Wahrheit ist die fühlbare Einsicht der Seele und Richtigkeit ist die berechenbare Einsicht der Vernunft.
Was dem Wissen den gewöhnlichen Vorsprung vor dem Wissen der Seele verschafft, das ist dessen sinnlich vernehmbare, objektive Überprüfbarkeit.

Die Vormachtstellung der Sinne während des Bewusstwerdens beruht auf dem Instinkt, aus dem heraus sich begriffliches und intuitives Denken allmählich entwickeln.
Der Instinkt wird ausschließlich durch Sinneseindrücke gesteuert. Da er nicht durch Erfahrungen aufgehalten wird, vollzieht sich Denken, weil auf bloßes Reagieren reduziert, wesentlich schneller.
Analog zum Instinkt ist auch begriffliches Denken nicht mehr als logisches Reagieren. Da intuitives Denken in der Regel am meisten Zeit braucht, um Intuition in Verhalten umzusetzen, wirkt es sich im alltäglichen Konkurrenzkampf nachteilig aus.
Da vor allem Geschwindigkeit und Berechenbarkeit zählen, wird intuitives Denken bzw. Glauben missachtet.
Wahrheit ist hoch sensibel und hoch wahrscheinlich unmoralisch und gewissenlos. Wahrheit entzieht sich jeglichem Ordnen. Die Freiheit der Wahrheit lässt sich nicht binden. Wer vorgibt, Wahrheit zu lehren oder zu verkünden, ist ihr nie begegnet.
Wahrheit gibt keine Antworten, denn Wahrheit existiert nur während des Suchens. Wer als zutreffend angenommene Antworten besitzt, sitzt fest. Wahre Antworten formulieren Fragen.
Ist Wahrheit eine Utopie, die das vernunftbegabte Wesen unentwegt unterwegs sein lässt? Das Bewusstsein des vernunftbegabten Wesens ist gewöhnlich für Wahrheit gar nicht offen. Bevor nämlich etwas überhaupt von außen oder innen her bewusstwerden kann, ist es auch schon gefiltert für uns zurechtgemacht.
Ganz offensichtlich sollen wir nicht erfahren, was in Wahrheit ist. Es scheint eine wesentliche Aufgabe des Gehirns zu sein, uns vor der Wahrheit zu schützen.
Wegen der Ich-Bezogenheit der Wahrheit des Glaubens flüchten wir uns seit Aristoteles (* 384; † 322 v. Chr.) in die Richtigkeit des Wissens.

Als Abwesenheit von Wahrheit existiert Unwahrheit in Form von bloßen Meinungen, die durch Statistiken als annehmbar dargestellt werden. So hängt Glaubhaftigkeit plötzlich von der Größe der Medien und vom Bekanntheitsgrad ihrer Meinungsmacher ab.
In Gestalt von Meinungen wird Richtigkeit zur Ware, die sich jeder nach Belieben bestellen kann.
In der Geschichte des Abendländischen Denkens gerät das vernunftbegabte Lebewesen zunehmend mehr in das Dilemma von Richtigkeit und Wahrheit. Vereinfacht gesagt: Je mehr der Mensch versucht, etwas richtig zu machen, desto unwahrer wird es.


Durch die Delegation von Lehrprozessen an elektronische Medien verliert sich das Wesen des persönlichen Bezugs zwischen Lehrenden und Lernenden. Auch bei didaktisch und methodisch optimaler Aufbereitung eines Unterrichts gehen wesentliche Konstituenten Lehren und Lernens verloren, sobald Unterricht objektiviert wird. Angesichts der vielen Vorteile einer Objektivation gerät das zugleich wesentlich Subjektive in Vergessenheit, denn "Information" besteht nicht nur aus dem zu vermittelnden Objekt, sondern zugleich auch aus dem persönlichen Bezug des vermittelnden Subjekts dazu.
Die Organisation des Bewusstseins geht nicht nur darin auf, Nachrichten zu verarbeiten, sondern will immer zugleich gefühlsmäßig bewerten, was es da verarbeitet. Ohne unmittelbaren sozialen Bezug ist Lernen auf Dauer nicht möglich.

Seit 19 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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