Mäeutik
Als Fragetechnik wird Mäeutik (μαιευτική maieutikḗ [téchnē] „Hebammenkunst“) genannt mit der Tätigkeit einer Hebamme verglichen.
Gemeint ist, dass man jemanden zur Erkenntnis verhilft, indem man ihn durch geeignete Fragen dazu veranlasst, fragliche Sachverhalte selbst herauszufinden.
So wird die Einsicht mit Hilfe der Hebamme – des Lernhelfers – geboren, der Lernende ist der Gebärende. Den Gegensatz dazu bildet Unterricht, in dem der Lehrer den Schülern den Stoff belehrend (dozierend) mitteilt.
Was wir begreifen wollen, muss uns berühren oder wir müssen es berühren können. Weil Sokrates ein Philosoph der praktischen Vernunft war, ist er stets bemüht gewesen, seine Philosophie für jeden nachvollziehbar darzustellen.
Zum Leidwesen seiner Frau Xanthippe verbrachte er seine Zeit mit Gesprächen und Diskussionen auf Strassen und Märkten, statt Einkäufe und Besorgungen rechtzeitig nach Hause zu bringen. Das Haushaltsgeld gab er häufiger aus, um mit seinen Freunden Wein zu trinken, statt es für das Essen zu Hause zu verwenden.
Sokrates nervte die Leute vor allem durch seine Neugier und die damit verbundenen kritischen Fragen. Aber seine Art und Weise des Fragens war neu. Er fragte nicht, um als Wissender aus- oder abzufragen, sondern um als jemand, der weiß, dass er nichts weiß, durch Antworten auf seine Fragen zu Wissen zu gelangen.
Sokrates hat zu diesem Zweck eine eigene Methode zu fragen entwickelt, nämlich die Mäeutik: μαιευτική maieutikḗ [téchnē].
An der Struktur eines philosophischen Gedankens lässt sich leicht dessen Nähe zur Struktur der Bewusstseinsorganisation ablesen. Philosophieren geschieht ja gleichsam als Spiegelung des Bewusstwerdens auf der neuronalen Ebene des Begreifens.
Das, was wir als Arbeit des Verstandes erfahren, vollzieht sich als dreifache Spiegelung.
• Wahrnehmen spiegelt sich als Betrachten (1. Spiegelung),
• und Wahrnehmen als Betrachten spiegelt sich wiederum als Begreifen (2. Spiegelung).
• Und sobald philosophiert wird, spiegelt sich Begreifen nochmals als betrachtendes Begreifen (3. Spiegelung).
Philosophieren ist folglich ein fortschreitendes nach innen sehen. Der Philosoph denkt, indem er in sich hineinsieht und sieht, was geschieht. Wesentliche philosophische Erkenntnisse beruhen auf geschauten Innenspiegelungen.
Da dem Pädagogen daran liegt, das Handeln organisierende Denken des Menschen zu fördern, muss er das, was für ihn pädagogisches Arbeiten bedeutet, philosophisch erkunden.
Dieses Vorgehen beschrieb der Philosoph Sokrates, der sich zugleich als Pädagoge verstand, als Mäeutik, die Kunst der Befreiung des Menschen zu sich selbst.
Philosophie ist der Name für das Erforschen und Erklären der Selbstreflexion. Der Philosoph Platon nennt die Hinwendung des Menschen zur Reflexion seiner selbst „Bildung“, das ist das deutsche Wort für das griechische „paideia“.
Als Kunst der Paideia übernimmt Pädagogik die Aufgabe, Bildung zu vermitteln.
Im Grunde fasst Platon Pädagogik als Hinführung zur Philosophie auf. Mit seiner Auffassung stellt sich Platon gegen Protagoras, dem Lehrer seines Lehrers Sokrates. Der Sophist Protagoras sieht nämlich in der Pädagogik die Kunst und Technik des Erfolgs.
Aber schon Sokrates folgt der geschäftstüchtigen Auffassung des Protagoras nicht mehr. Sokrates betrachtet die Mäeutik als zur Erkenntnis verhelfende Kunst als vornehmliche Aufgabe der Pädagogik.
Aber inwiefern vermag Ektophysik zu einer erfolgreichen Pädagogik bei-zu¬tragen?
Sich in die Unwirklichkeit auf den Weg machen bedeutet, erfahren wollen, was hinter dem Horizont geschieht. Diese Neugier verlangt Bereitschaft zum Risiko. Das Wagnis besteht im Mut, Vertrautes aufzugeben.
Vertraut ist die Verlässlichkeit überkommenen Denkens. Der Verzicht auf dessen Muster verlangt, das Loslassen von dem, was der gebildete und dadurch verzogene Verstand vorschreibt.
Überkommenes Denken weigert sich, das anzunehmen, was da ist. Tagträumerisch steigert es sich in angeblich sinnlich nicht vernehmbare Bereiche hinein, um ihre obdachlosen Einfälle als Einsichten zu feiern.
Es gibt jene leidigen Ausnahmen, welche hartnäckig jede Regel bestätigen. In diesem Fall zerschellt Philosophie an Mathematik, der sie selbst zur Geburt verhalf. Als Hebamme verausgabt sich Philosophie qua Pädagogik seitdem in wesenlosen Sprüchen und Ratschlägen.
Trotzdem verliert sich das Ich in sich und verliert sein Selbst. Die bildungslose Vernunft verliert den Verstand und damit die Fähigkeit, sich ordentlich zu verhalten.
Es sind vor allem zwei Aussagen des Philosophen Friedrich Nietzsche, die das, was ich intuitiv empfinde, ausdrücken. Die erste Aussage beinhaltet seine Kritik an der Pädagogik, die uns jene Erziehung und Bildung aufdrängt, durch welche das unvoreingenommene Sehen verlernen.
"Man mache sich nur einmal mit der pädagogischen Literatur dieser Gegenwart vertraut; an dem ist nichts mehr zu verderben, der bei diesem Studium nicht über die allerhöchste Geistesarmut und über einen wahrhaft täppischen Zirkeltanz erschrickt. Hier muss unsere Philosophie nicht mit dem Erstaunen, sondern mit dem Erschrecken beginnen: wer es zu ihm nicht zu bringen vermag, ist gebeten, von den pädagogischen Dingen seine Hände zu lassen."
Die Begründung Nietzsches für diesen Missstand in der Pädagogik fällt scharf aus:
"Dass es aber trotzdem nirgends zur vollen Ehrlichkeit kommt, hat seine traurige Ursache in der pädagogischen Geistesarmut unserer Zeit; es fehlt gerade hier an wirklich erfinderischen Begabungen, es fehlen hier die wahrhaft praktischen Menschen, das heißt diejenigen, welche gute und neue Einfälle haben und welche wissen, dass die rechte Genialität und die rechte Praxis sich notwendig im gleichen Individuum begegnen müssen: während den nüchternen Praktikern es gerade an Einfällen und deshalb wieder an der rechten Praxis fehlt."
Die Folgen solcher Erziehung und Bildung: "wir sind ohne Bildung, noch mehr, wir sind zum Leben, zum richtigen und einfachen Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen verdorben und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur, weil wir selbst davon nicht überzeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben. Zerbröckelt und auseinandergefallen, im Ganzen in ein Inneres und Äußeres, halb mechanisch zerlegt, mit Begriffen wie mit Drachenzähnen übersät, Begriffsdrachen erzeugend, dazu an der Krankheit der Worte leidend und ohne Vertrauen zu jeder eigenen Empfindung, die noch nicht mit Worten abgestempelt ist: als eine solche unlebendige und doch unheimlich regsame Begriffs- und Wortfabrik habe ich vielleicht noch das Recht zu sagen cogito ergo sum, nicht aber vivo, ergo cogito.
Das leere "Sein", nicht das volle und grüne "Leben" ist mir gewährleistet, meine ursprüngliche Empfindung verbürgt mir nur, daß ich ein denkendes, nicht dass ich ein lebendiges Wesen, dass ich kein animal, sondern höchstens ein cogital bin. Schenkt mir erst Leben, dann will ich euch auch eine Kultur daraus schaffen!"
Als Grundvoraussetzung für richtiges und einfaches Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen gilt dem Philosophen Nietzsche die Überzeugung, ein wahrhaftiges Leben in sich zu haben. Seiner Ansicht nach stört das Fehlen einer solchen Überzeugung das Wahrnehmen ganz empfindlich.
Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Wer ‚unvoreingenommen' äußerlich (sinnlich) wahrnehmen will, muss von innen (geistig) nach draußen schauen. Wer sich nicht mit der Fantasie als Verfremdung des Wahrnehmens auseinandersetzt, vermag nicht zu erfassen, was in Wahrheit geschieht.
Der Rückgang in den Ursprung allen Erkennens gelingt der Vernunft, indem sie nach innen schaut. Diese Sichtweise lässt sich verhältnismäßig leicht als ektophysisches Bewusstwerden beschreiben.
Gemeint ist, dass man jemanden zur Erkenntnis verhilft, indem man ihn durch geeignete Fragen dazu veranlasst, fragliche Sachverhalte selbst herauszufinden.
So wird die Einsicht mit Hilfe der Hebamme – des Lernhelfers – geboren, der Lernende ist der Gebärende. Den Gegensatz dazu bildet Unterricht, in dem der Lehrer den Schülern den Stoff belehrend (dozierend) mitteilt.
Was wir begreifen wollen, muss uns berühren oder wir müssen es berühren können. Weil Sokrates ein Philosoph der praktischen Vernunft war, ist er stets bemüht gewesen, seine Philosophie für jeden nachvollziehbar darzustellen.
Zum Leidwesen seiner Frau Xanthippe verbrachte er seine Zeit mit Gesprächen und Diskussionen auf Strassen und Märkten, statt Einkäufe und Besorgungen rechtzeitig nach Hause zu bringen. Das Haushaltsgeld gab er häufiger aus, um mit seinen Freunden Wein zu trinken, statt es für das Essen zu Hause zu verwenden.
Sokrates nervte die Leute vor allem durch seine Neugier und die damit verbundenen kritischen Fragen. Aber seine Art und Weise des Fragens war neu. Er fragte nicht, um als Wissender aus- oder abzufragen, sondern um als jemand, der weiß, dass er nichts weiß, durch Antworten auf seine Fragen zu Wissen zu gelangen.
Sokrates hat zu diesem Zweck eine eigene Methode zu fragen entwickelt, nämlich die Mäeutik: μαιευτική maieutikḗ [téchnē].
An der Struktur eines philosophischen Gedankens lässt sich leicht dessen Nähe zur Struktur der Bewusstseinsorganisation ablesen. Philosophieren geschieht ja gleichsam als Spiegelung des Bewusstwerdens auf der neuronalen Ebene des Begreifens.
Das, was wir als Arbeit des Verstandes erfahren, vollzieht sich als dreifache Spiegelung.
• Wahrnehmen spiegelt sich als Betrachten (1. Spiegelung),
• und Wahrnehmen als Betrachten spiegelt sich wiederum als Begreifen (2. Spiegelung).
• Und sobald philosophiert wird, spiegelt sich Begreifen nochmals als betrachtendes Begreifen (3. Spiegelung).
Philosophieren ist folglich ein fortschreitendes nach innen sehen. Der Philosoph denkt, indem er in sich hineinsieht und sieht, was geschieht. Wesentliche philosophische Erkenntnisse beruhen auf geschauten Innenspiegelungen.
Da dem Pädagogen daran liegt, das Handeln organisierende Denken des Menschen zu fördern, muss er das, was für ihn pädagogisches Arbeiten bedeutet, philosophisch erkunden.
Dieses Vorgehen beschrieb der Philosoph Sokrates, der sich zugleich als Pädagoge verstand, als Mäeutik, die Kunst der Befreiung des Menschen zu sich selbst.
Philosophie ist der Name für das Erforschen und Erklären der Selbstreflexion. Der Philosoph Platon nennt die Hinwendung des Menschen zur Reflexion seiner selbst „Bildung“, das ist das deutsche Wort für das griechische „paideia“.
Als Kunst der Paideia übernimmt Pädagogik die Aufgabe, Bildung zu vermitteln.
Im Grunde fasst Platon Pädagogik als Hinführung zur Philosophie auf. Mit seiner Auffassung stellt sich Platon gegen Protagoras, dem Lehrer seines Lehrers Sokrates. Der Sophist Protagoras sieht nämlich in der Pädagogik die Kunst und Technik des Erfolgs.
Aber schon Sokrates folgt der geschäftstüchtigen Auffassung des Protagoras nicht mehr. Sokrates betrachtet die Mäeutik als zur Erkenntnis verhelfende Kunst als vornehmliche Aufgabe der Pädagogik.
Aber inwiefern vermag Ektophysik zu einer erfolgreichen Pädagogik bei-zu¬tragen?
Sich in die Unwirklichkeit auf den Weg machen bedeutet, erfahren wollen, was hinter dem Horizont geschieht. Diese Neugier verlangt Bereitschaft zum Risiko. Das Wagnis besteht im Mut, Vertrautes aufzugeben.
Vertraut ist die Verlässlichkeit überkommenen Denkens. Der Verzicht auf dessen Muster verlangt, das Loslassen von dem, was der gebildete und dadurch verzogene Verstand vorschreibt.
Überkommenes Denken weigert sich, das anzunehmen, was da ist. Tagträumerisch steigert es sich in angeblich sinnlich nicht vernehmbare Bereiche hinein, um ihre obdachlosen Einfälle als Einsichten zu feiern.
Es gibt jene leidigen Ausnahmen, welche hartnäckig jede Regel bestätigen. In diesem Fall zerschellt Philosophie an Mathematik, der sie selbst zur Geburt verhalf. Als Hebamme verausgabt sich Philosophie qua Pädagogik seitdem in wesenlosen Sprüchen und Ratschlägen.
Trotzdem verliert sich das Ich in sich und verliert sein Selbst. Die bildungslose Vernunft verliert den Verstand und damit die Fähigkeit, sich ordentlich zu verhalten.
Es sind vor allem zwei Aussagen des Philosophen Friedrich Nietzsche, die das, was ich intuitiv empfinde, ausdrücken. Die erste Aussage beinhaltet seine Kritik an der Pädagogik, die uns jene Erziehung und Bildung aufdrängt, durch welche das unvoreingenommene Sehen verlernen.
"Man mache sich nur einmal mit der pädagogischen Literatur dieser Gegenwart vertraut; an dem ist nichts mehr zu verderben, der bei diesem Studium nicht über die allerhöchste Geistesarmut und über einen wahrhaft täppischen Zirkeltanz erschrickt. Hier muss unsere Philosophie nicht mit dem Erstaunen, sondern mit dem Erschrecken beginnen: wer es zu ihm nicht zu bringen vermag, ist gebeten, von den pädagogischen Dingen seine Hände zu lassen."
Die Begründung Nietzsches für diesen Missstand in der Pädagogik fällt scharf aus:
"Dass es aber trotzdem nirgends zur vollen Ehrlichkeit kommt, hat seine traurige Ursache in der pädagogischen Geistesarmut unserer Zeit; es fehlt gerade hier an wirklich erfinderischen Begabungen, es fehlen hier die wahrhaft praktischen Menschen, das heißt diejenigen, welche gute und neue Einfälle haben und welche wissen, dass die rechte Genialität und die rechte Praxis sich notwendig im gleichen Individuum begegnen müssen: während den nüchternen Praktikern es gerade an Einfällen und deshalb wieder an der rechten Praxis fehlt."
Die Folgen solcher Erziehung und Bildung: "wir sind ohne Bildung, noch mehr, wir sind zum Leben, zum richtigen und einfachen Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen verdorben und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur, weil wir selbst davon nicht überzeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben. Zerbröckelt und auseinandergefallen, im Ganzen in ein Inneres und Äußeres, halb mechanisch zerlegt, mit Begriffen wie mit Drachenzähnen übersät, Begriffsdrachen erzeugend, dazu an der Krankheit der Worte leidend und ohne Vertrauen zu jeder eigenen Empfindung, die noch nicht mit Worten abgestempelt ist: als eine solche unlebendige und doch unheimlich regsame Begriffs- und Wortfabrik habe ich vielleicht noch das Recht zu sagen cogito ergo sum, nicht aber vivo, ergo cogito.
Das leere "Sein", nicht das volle und grüne "Leben" ist mir gewährleistet, meine ursprüngliche Empfindung verbürgt mir nur, daß ich ein denkendes, nicht dass ich ein lebendiges Wesen, dass ich kein animal, sondern höchstens ein cogital bin. Schenkt mir erst Leben, dann will ich euch auch eine Kultur daraus schaffen!"
Als Grundvoraussetzung für richtiges und einfaches Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen gilt dem Philosophen Nietzsche die Überzeugung, ein wahrhaftiges Leben in sich zu haben. Seiner Ansicht nach stört das Fehlen einer solchen Überzeugung das Wahrnehmen ganz empfindlich.
Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Wer ‚unvoreingenommen' äußerlich (sinnlich) wahrnehmen will, muss von innen (geistig) nach draußen schauen. Wer sich nicht mit der Fantasie als Verfremdung des Wahrnehmens auseinandersetzt, vermag nicht zu erfassen, was in Wahrheit geschieht.
Der Rückgang in den Ursprung allen Erkennens gelingt der Vernunft, indem sie nach innen schaut. Diese Sichtweise lässt sich verhältnismäßig leicht als ektophysisches Bewusstwerden beschreiben.
wfschmid - 2. Dezember, 15:31
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks