Unilogo

4
Nov
2011

Werden = Sein

 
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Hinter dem Horizont verschmelzen Werden und Sein. Im Augenblick schafft sich die Zeit Raum. Und Energie und Materie vereinigen sich im Geist. Die Grenzen zwischen Raum und Zeit lösen sich auf und der Verstand wird zur Intuition der Vernunft. In solchen Momenten sind Mythos, Religion, Philosophie und Wissenschaft geboren.
 

3
Nov
2011

Hinter dem Horizont

 
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Die Vernunft konnte keine Ruhe finden, bis sie Lethe, den Strom des Vergessens entdeckte. Erst in der Bewegung des Werdens erkennt die Vernunft das ihr eigene Sein. Sie erfährt sich wieder ursprünglich: als Bilderleben. Bilder entstehen spielerisch und fließen ineinander, bevor sie wieder vergehen.

Und in dem Augenblick, in dem sie versucht, ein schönes Bild festzuhalten, erscheint ihr wieder der Verstand. “Was hast Du hinter dem Horizont zu suchen?”, will der Verstand von der Vernunft wissen. Die Vernunft antwortet dem Verstand, dass sie ihn gesucht habe. “Wer hat Dich 'getötet', damit Du mich finden kannst?” Die Vernunft erklärt, dass ihr das allein durch das Denken gelungen sei. “Niemand vermag durch Denken allein hinter den Horizont zu gelangen!” Die Vernunft verbessert sich und sagt, dass ihr das Denken eine Vision schenkte, also eine Vision, die sie hinter den Horizont schauen lasse. “Dann siehst Du mich also als Erscheinung?” Die Vernunft bejaht das. “Dann kennst Du ja auch jetzt mein Geheimnis?”. Weil die Vernunft vermutet, dass der Verstand jenes Werden meint, welches paradoxerweise als Sein erscheint, nickt sie.

Da die Vernunft den Verstand ja offensichtlich wahr­nehmen kann, akzeptiert er die visionäre Grenzüberschreitung der Vernunft.
 

2
Nov
2011

Die Vernunft verliert den Verstand

 
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Verstand und Vernunft werden in ihren Gedanken von der Idee der Schönheit unterbrochen. “Ent­schuldigt, dass ich mich als Abstraktum hier einfach so einmische! Aber Ihr seid ja selbst nur ein Spiel des Geistes, für den in Wahrheit allein das Mögliche die Wirklichkeit darstellt. Für den Geist ist die Idee des Kreises wirklicher als deren Erscheinungformen. Der Geist ist im Unvergänglichen des Seins und nicht im Werden des Seienden zu Hause.”

“Stopp!” gebietet die Vernunft der Idee. Sie möchte sich durch deren Gerede nicht noch mehr verwirren lassen. Sie empfindet deren Behauptung geradezu lächerlich. “Ich, nur eine Spielerei des Geistes, absurd!”

Zum Entsetzen der Vernunft, empfindet der Verstand den Hinweis der Idee als sehr hilfreich. “Schließlich existieren wir nur dort, wo Geist ist!” bemerkt er noch, bevor er sich vor den Augen der Vernunft ins Nichts auflöst.

Als sich die Vernunft vom Schrecken dieser Überraschung erholt hat, erkundigt sie sich bei der Aufsicht des Museums danach, ob es eventuell Räume gibt, die sie nicht wahrnehmen könne.
Die Aufsicht lacht. “Ja aber selbstverständlich!” – “Und welche Räume sind das?” Die Aufsicht sagt der Vernunft, dass es sich um die Räume hinter dem Horizont handelt.

Selbstverständlich will die Vernunft sofort wissen, wie sie dorthin gelangen kann. Die Aufsicht verweist in die Ferne des Raumes: “Dort hinten existiert eine Brücke des Traumes! Über diese Brücke gelangst Du hinter den Horizont!”

Die Vernunft eilt zu dieser Überführung der Wirklichkeit in die Möglichkeit. Aber je mehr sie sich be­eilt, desto mehr entfernt sich diese Brücke.

Nach einer Weile kehrt die Vernunft zur Aufsicht zurück, um sich nach Hilfe zu erkundigen. Aber die Aufsicht kann sich an nichts erinnern, weil sie allein für das Jetzt zuständig ist.

“Kann ich helfen?”, fragt die Idee des Guten die Vernunft. “Oh ja, ich suche den Verstand”, antwortet die Vernunft. “Ja, diese Idee kenne ich sehr gut. Sie wird fast von allen begehrt!” “Und wie gelange ich dorthin?” drängt die Vernunft. Die Idee des Guten erklärt der Vernunft, dass sie alles loslassen müsse, selbst das Suchen. Erst dann, wenn sie vollkommen in sich ruhe, könne sie wieder zu Verstand kommen.
 

1
Nov
2011

Naturkundemuseum

 
Vernunft und Verstand haben sich im Vorraum des Museums verabredet. Der Verstand zeigt der Vernunft den Raumplan. Er schlägt ihr vor, dass sie systematisch vorgehen und gleich mit dem ersten Raum beginnen. Über dem Eingang steht “Wie es anfängt”.

Eine Museumsführerin kommt auf die beiden zu und stellt sich mit dem Namen “Strukur”[1] vor. Als Definition bin ich für Zusammenhänge zuständig. Meine Aufgabe ist es, Euch zu erklären, wie Strukuren entstehen. Bevor überhaupt eine Strukur entstehen kann, muss es etwas geben, dass ich mit etwas verbinden oder verknüpfen will. Ich nenne dieses Etwas deshalb Knoten. Die Beziehung oder Linie, die von einem Knoten ausgeht, wird Zweig genannt. Ich zeige Euch einmal ein Bild dazu:

strukurO

Ihr seht auf diesem Bild einen Knoten mit einem (unverbundenen) Zweig. Sobald ein Neuron als neuronaler Knoten aktiv werden möchte, muss er seine Zuordnung im vorgesehenen neuronalen Netz be­stim­men.

Legt er es beispielsweise darauf an, mit Neuronen seiner Umgebung Kontakt aufzunehmen, dann wird er ein sternförmiges Netz bewirken:

Struktur1

Sobald diese Zuordnung stattfindet, hat sich das Neuron auch zugleich als Knoten eines Netzes eingeordnet. Diese Einordnung kann auch als Knoten eines neuronalen Rings erfolgen:

Strukur2

Neuronale Ringe entstehen besonders beim zirku­lä­ren oder auch hermeneutischen Denken, während neuronale Sterne häufig durch Assoziationen entstehen.

Die Vernunft merkt zu diesem Bild an, dass es natürlich künstlerisch sehr idealisiert darstelle, was in Wirklichkeit niemals diese wohlgeordnete Gestalt aufweise. Der Verstand erklärt ihr, dass er diese idealen Formen brauche, um zu allgemeinen Aussagen zu gelangen. Die Vernunft ist nicht ganz damit einverstanden und wendet ein, dass auch ihre ästhetischen Gestaltungen wohlgeordnet sein müssten, um als schön empfunden werden zu können.

Vernunft und Verstand sind sich einig, dass sie beide die schöne allgemeine Gestalt lieben, auch wenn diese nur eine schöne Vorstellung bleiben könne. So bleibt ein Kreis eine unerreichbare Form, eine Utopie der möglichen Wirklichkeit, die allein als geometrisch mathematischer Gedanke wirklich werden könne.
Alle reden vom Kreis, wohl wissend, dass es sich lediglich um eine gedankliche Projektion handelt. Das venunftbegabte Lebewesen braucht den Kreis ebenso sehr wie die runde Erde, die Erde als Kugel oder die allgegenwärtige Energie als Gott.

_________
[1] von lat.: structura = ordentliche Zusammenfügung, Bau, Zusammenhang; bzw. lat.: struere = schichten, zusammenfügen)
 

31
Okt
2011

Naturcode

 
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Ein Code ist eine Vorschrift, wie Mitteilungen mit Hilfe von Zeichen umgewandelt werden sollen. Wenn die Natur unter dem Aspekt betrachtet werden soll, dass sie Schöpfung Gottes sein soll, dann stellt sie möglicherweise einen Code dar, mit dessen Hilfe sich der Schöpfer in verschlüsselter Form mitteilt.

Wird nun Natur daraufhin beobachtet, dann gelangt alles in strengen Ordnungen zum Vorschein, also wiederum verstandesgesteuert. Im System “Natur” scheint kein Raum für die Vernunft zu sein und alle vernünftigen Eingebungen wie beispielsweise das Gewissen erscheinen wider die Natur.

Die Natur kennt nur Verbote, keine Gebote, nur Gesetze, keine Regeln und keine Werte, sondern nur Normen. Trotz allem ist Natur nicht nur rein logisch, sondern auch künstlerisch tätig. Zumindest erzeugt sie mit Hilfe logischer Formen künstlerische Ge­stal­tungen. So ist Musik ohne die Gesetze der Harmonie nicht denkbar. Ist dann Vernunft nichts Anderes als ein Spiel des Verstandes?

Die Vernunft mischt sich ein. Für sie drohen sich die Gedanken zu einseitig zu gestalten. Ihrer Ansicht nach tut der Verstand gerade so, als sei für ihn “Unschärfe” ein Fremdwort. “Was ist nur in ihn gefahren?”, fragt sich die Vernunft. Gewiss, strenge Logik ist für den Verstand eine Utopie, die ihn antreibt.

Jetzt greift auch der Verstand direkt ein, durchaus dankbar dafür, dass sich ihr Zwiegespräch fortsetzt. Der Verstand erzählt, dass ihm das Spielen durchaus nicht fremd ist. Oft muss er einen Gedanken lange durchspielen, bis er ihm gefällt und er ihn annehmen kann. Und er beklagt sich, dass es in der geistigen Welt viel zu viele sowohl magersüchtige als auch fettleibige Definitionen gibt. Manche geisteswissenschaftliche Definition ist so vollgefressen, dass sie Regale in Anspruch nehmen muss.

Für den Verstand ist die Vernunft die Mutter, die ihn ernährt. Und ohne schöpferische Vernunft wäre er längst arbeitslos. “Warum hast Du dann den Autor so lange gegen mich schreiben lassen?”, will die Vernunft wissen. “Weil es für mich ein Gedankenspiel war!”, antwortet der Verstand, und er fügt noch hinzu: “Tut mir leid, dass Du das alles ernstgenommen hast!”

Der Verstand hat eine Idee und fragt die Vernunft, was sie davon halte, wenn er sie ins Naturkunde-Museum einladen würde.
 

30
Okt
2011

Unvernünftige Urtexte

 
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Jene Urtexte, welche deren Überbringer als Eingebungen Gottes ausgeben, gelangen vor allem als Verstandestätigkeit zum Vorschein. Ein Beispiel stellen die Zehn Gebote dar, welche von Moses als Wort Gottes verkündet werden:

1. Du sollt keine anderen Götter haben neben mir!
2. Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrau­chen
3. Du sollst den Feiertag heiligen
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren
5. Du sollst nicht töten
6. Du sollst nicht ehebrechen
7. Du sollst nicht stehlen
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut!

Alle Sätze sind durch ein befehlstonartiges “Du” miteinander verbunden. Aber diese Verbindlichkeit hat als Soll-Forderung durchaus etwas Bedohliches an sich.

Die ersten drei Gebote beziehen sich rückbezüglich auf den Gebieter-Gott, während sich die folgenden sechs Gebote auf das Verhalten der Menschen untereinander beziehen.

Es handelt sich also um das zusätzlich verbindende Makrozeichen “Verhalten”.

Offensichtlich sind die göttlichen Zusprüche der Bibel eher ausgedacht als intuitiv bzw. durch Eingebung erfahren worden.

Das allen Texten übergeordnete Superzeichen “Gott” bestätigt zudem einen dominanten, verstandesgesteuerten Anspruch.
 

29
Okt
2011

Das Aussehen der Vernunft

 
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Wer darauf achtet kann sehr leicht beobachten, wel­che Stimmungen die Vernunft eines Autors gerade hat. Diese Stim­­mungen lassen sich entweder leicht am Aussehen der er­zeugten Texte ablesen oder man spürt es, sobald man Texte hört oder liest, ohne dann sagen zu können, warum sie sich negativ anfühlen.

Negative Einstellungen der Vernunft zu etwas erzeugen langweilige Texte. Wenn sie sich dagegen für etwas besonders engagiert, werden ihre Texte spannend.

Ist die Vernunft dagegen positiv gestimmt, gestalten sich Texte harmonisch. Harmonische Texte zeigen sich als solche leicht dadurch, dass sie zwischen den Sätzen eines Textes alphanumerische und/oder inhaltliche Übereinstimmungen aufweisen. Zudem sind die einzelnen Abschnitte durch Metazeichen wie z.B. thematische Stichpunkte oder durch Bilder mitei­n­ander verbunden.

In schöpferischen Texten dokumentiert die Vernunft das Denken ihres Autors. Einen solchen Text analyieren bedeutet, das dokumentierte Denken in seine Gedanken auflösen, um jenem Weg folgen zu können, welcher zu diesem Text geführt hat. Im Nachvollziehen des in einem Text dokumentierten Denkens wird dieses in seiner Entstehung erlebt und so als Geschichte erfahren.

Denken bedeutet nicht nur Bilder-Leben (der Vernunft) und Bild-Erleben (des Verstandes), sondern auch Bilderleben (der Seele) von beiden in eins zugleich.

Als Bilderleben hinterlässt die Vernunft in jedem schöpferischen Text ihre Spuren. Zunächst offenbart sie einen schöpferischen Text als solchen dadurch, dass sie ihn von fremden Einflüssen (Zitate) freihält und auch keine anderen Quellen zur Begründung braucht als sich selbst. Nur in schöpferischen Texten zeigen sich deutliche Spuren der Vernuft. Naturlicherweise handelt es sich dabei um einen Code, der erst entschlüsselt werden muss.

Repräsentiert man einen Satz durch “.” und die Beziehung zwischen zwei Sätzen durch “-“, dann bedeutet “..” zwei unverbundene Sätze und “-“ zwei verbundene Sätze.

Unverbundene Sätze meint auch “Unverbind­lich­keit”!

Die Vernunft stellt im Augenblick der Formulierung eines Satzes das Eigeninteresse über das Interesse, sich verständlich mitzuteilen. Unverbindliche Sätze befriedigen eher die eigene Schreiblust als das Bedürfnis, sich “echt” mitzuteilen.

Dekodieren wir die letzten drei Abschnitte (hier eigens markiert), dann erhalten wir:

---
Da alle Sätze verbunden sind, sind sie eben auch verbindlich. Um diese ideale Bewertung zu erhalten, haben wir, um mit gutem Beispiel voranzugehen, zugegebenerweise noch schnell bei “Formulierung” im 3. Abschnitt den Genetiv “eines Satzes” hinzugefügt.

Ungewöhnlich ist allerdings, dass alle drei Abschnitte durch ein einziges “Bild”, nämlich “Satz” verbunden sind. Dieser Extremfall deutet darauf hin, dass keine Geschichte (Bilderleben) erzählt, also im Wesentlichen Verstandesarbeit geleistet wird (Bilderleben » Bild-Erleben).

Je mehr Bilder Sätze miteinander verbinden, um so mehr engagiert sich auch die Vernunft dabei.

Es ist interessant, unter diesem Aspekt einmal die mythischen Texte (Urtexte) der Bibel zu betrachten.

28
Okt
2011

Abwesenheit der Vernunft

 
Wo ist die Vernunft, wenn sie nicht von irgend jemand bewegt wird? Existiert sie nur in Köpfen von Autoren oder auch unabhängig davon?

Als mögliche Wirklichkeit des menschlichen Wesens verbirgt sie sich als dessen wirkliche Möglichkeit wahrscheinlich in dessen Unbe- wusstsein. Diese Verborgenheit der Vernunft liegt als solche außerhalb des Bewusstseins. Das kann leicht zu der irrigen Annahme eines Außerhalb des vernünftigen Wesens führen und schließlich zur Täuschung einer vom Subjekt unabhängigen Vernunft.

Ist die Vernunft gerade nicht tätig, dann befindet sie sich in der Warteschlange der Möglichkeiten des subjektiven und keineswegs universellen Geistes. Die Vernunft kann nur jeweils werden, was das Ich schon ist.
 

27
Okt
2011

Wenn nicht innen, dann außen!

 
Vernunft und Verstand sind sich einig, dass ihre enge Verbindung auch einen Namen braucht. Sie sind sich im Klaren darüber, dass “Vernunft” und “Verstand” oft synonym gebraucht werden. Da ein Doppelname für sie nicht in Frage kommt, überlegen sie, wer bei ihrer Quasi-Eheschließung den Namen von wem übernehmen soll. Sie einigen sich auf den gemeinsa­men Namen “Vernunft”.

Die Definition erweitert aufgrund dieser Entschei­dung die Bestimmung der Vernunfttätigkeit um die verstandesmäßigen Komponenten:

- wahrnehmen,
- betrachten,
- ordnen,
- beobachten,
- begreifen (definieren),
- ausweisen (beweisen).

Beide stimmen zu und geben sich damit gleichsam das Ja-Wort.
Aber sie erfahren nicht nur eine erweiterte Bestimmung, sondern damit auch zugleich eine Bewusst­seins­erweiterung. Beide fühlen sich wie zwei Goldfische in einem Glas, die darüber speku­lieren, ob es noch eine Welt außerhalb ihres Gefäßes geben könnte.

Und so empfindet sich die Vernunft alias Verstand und umgekehrt in dem, was sie treibt, unversehens von außen her maßgeblich bestimmt. Sie entdeckt, dass sie überhaupt nur dann existiert, wenn und solange sie jemand (ge)braucht. Sie wird beispiels­weise durch einen Text bewegt, den jemand denkt oder schreibt.

Trotzdem beharrt sie darauf, dass sie dem Autor den Text diktiert und nicht etwa umgekehrt der Autor ihr vorschreibt, was sie zu tun oder zu lassen hat.

Wenn zwischen ihr und dem Autor eine gute Beziehung besteht, dann ist die Quelle ihrer schöpferi­schen Ideen unerschöpflich. Natürlich ist sie auch jederzeit zu einem inneren Dialog mit ihm bereit. Sie empfindet ihre Außenkontakte als sehr hilfreich, zumal seit sie entdeckt hat, dass eine von ihr vorgestellte Innenwelt nicht existiert.
 

26
Okt
2011

Utopie des Innen

 
Die Vernunft bezweifelt dem Verstand gegenüber, ob es überhaupt jenen Ort gibt, welchen sie aufzu­suchen wünschen. Sie erzählt dem Verstand, dass die Ausstellung im Museum sie gelehrt hat: “Der Ort in der Tiefe des Innern bist Du selbst in deinem Handeln!” Der Verstand erstaunt: “Dann sind wir lediglich auf der Suche nach uns selbst?” Die Vernunft bejaht das sehr emotional.

Der Verstand folgert laut: "Da ist ja jede Selbst-Suche eine Täuschung, da die Selbst-Findung im Jetzt geschieht!” Die Definition hält diesen Gedanken fest, indem sie den Schluss zieht “Allein handelnd sind wir in uns!”.
 

25
Okt
2011

Das Haus des Verstandes

 
Als die Vernunft sich in Raum und Zeit vorfindet, er­kennt sie den Verstand als alles ordnende Kraft.

Doxa spürt die Unsicherheit der Vernunft und er­klärt ihr, dass dieses Museum die Annahmen des Verstandes ausstellen, um zu zeigen, dass diese Annahmen von Wirklichkeit auf Glaubenssätzen beruhen. Die Arbeit des Verstandes besteht darin, uns ein existenzfähiges Haus zu schaffen. Und die Arbeit der Vernunft ist es, uns in diesem Haus einzurichten. Es ist nichts Anderes als der schöne Schein, den alle brau­­chen, um sich wohl zu fühlen. Mehr als diese grundlegende Erkenntnis gibt es hier nicht zu sehen, denn dieses Museum hat nur so viele Räume wie Du brauchst, um dich zu finden.

Und plötzlich findet sich die Vernunft vor dem Ortseingang von Psema wieder, dem Ort der verlorenen Sätze. Und jenen Satz, welchen sie gefunden hat, ist der, dass alles, das als wirklich gilt, vom Verstand gesetzt ist.

Die Vernunft möchte nun wieder zur Definition zurückkehren und sendet ihr deshalb eine Nachricht.

Die Definition vergegenwärtigt sich in der Vorstellung der Vernunft und erkundigt sich neugierig da­nach, wie ihr die Begegnung mit Doxa bekommen ist. Die Vernunft erzählt der Definition alles ausführlich. Die Definition stellt dabei erstaunt fest, dass die Vernunft selbstsicherer geworden ist und vor all­em lo­ckerer. Sie scheint nicht mehr alles so ernst zu nehmen.

Die Definition schlägt vor, nun wieder ins Sein zurückzukehren, um den Weg mit dem Verstand gemeinsam fortzusetzen. Aber die Vernunft hat Bedenken.
 

24
Okt
2011

Der Anfang des Endes

 
Die Vernunft erkundigt sich bei Doxa nach der Anzahl der Räume dieses Museums. Doxa sagt, dass die niemand zählen kann. Es existieren nämlich so viele Räume, wie die Kreativität der Besucher schafft.

Die Vernunft wiederholt vorsichtshalber: “Also mei­ne Vorstellungskraft bestimmt, in welchen Raum ich als nächsten gelange?” Doxa nickt. Weil die Vernunft gern die Heimat des Verstandes kennenlernen möch­­­­te, gelangt sie in den Raum von den Bedingungen der Möglichkeiten. Allerdings ist sie garnicht darauf gefasst, in diesem Raum überhaupt keine Orientierung mehr zu haben. Das ist wohl auch der Grund, warum sich Episteme und Piste noch nicht hier befin­­den. “Ich emfinde es hier unangenehm!”, stellt die Vernunft Doxa gegenüber fest. “Okay, dann lass uns in den nächsten Raum gelangen!”, schlägt Doxa vor.

Die Vernunft macht sich klar, dass sie durch die Dunkelheit erst erfährt, was Licht bedeutet. Und durch diese Vorstellung gelangt sie in den Raum des Lichts, in dem sie auch Episteme wieder trifft. Diese spiegelt sich gerade in der Polarität der Gegensätze, mit denen alle Lebewesen ständig konfrontiert werden. Jedoch neigen alle Wesen dazu, nur eine Seite wahrzunehmen. Doxa beklagt sich darüber, dass jene, welche im Licht stehen, viel zu wenig die wahrnehmen, die im Schatten stehen. Episteme bemerkt dazu: “Licht und Schatten beginnen in uns. Das, was wir an uns mögen, stellen wir ins Licht und das, was wir nicht an uns mögen, weisen wir von uns weg, stellen es in den Schatten.” Und dann fährt sie fort: “Mit Ablehnen ist es aber nicht getan, denn das Abgelehnte bleibt bestehen. Genau diesem Schatten, dem wir an uns nicht gewahr sind, begegnen wir ständig in unserem Erleben in der "Außen"-Welt. Es sind die Aspekte, die wir vehement ablehnen und bekämpfen.”

“Was im Innen nicht angenommen wird, kommt über das Außen wieder zu uns!” ergänzt Doxa. Die Vernunft indessen überlegt, was ihre Begleiterinnen in diesem Raum so gesprächig macht. Weckt der Raum des Lichts in ihnen die Furcht vor der Schattenwelt? Diese sorgenvolle Frage hindert die Vernunft daran, sich das Gegenteil vorzustellen, um weiterzukommen. Episteme flüstert der Vernunft zu, dass sie doch einen anderen Gegensatz wählen soll. Also stellt sich die Vernunft “Kein Licht!” vor.
Zur Überraschung aller finden sie sich plötzlich im Raum der Unwissenheit vor.
 

23
Okt
2011

Zwischen Mythos und Logos

 
Unterwegs erzählt Doxa der Vernunft, dass sie genau zwischen Logos und Mythos geboren wurde und lachend stellen beide fest, dass sie eigentlich gleich alt sein müssen. Allerdings haben sie keine Erinnerungen, weder an ihre Kindheit noch an ihre Jugendzeit. Vor dem Haupteingang zum Museum trifft Doxa zwei ihrer Freundinnen, die Zwilingsschwestern Episteme[1] und Piste. Die beiden begrüßen die Vernunft wie eine alte Bekannte. Zu viert betreten sie das Museum, in dem sie zu dieser Zeit kaum Besucher antreffen, obwohl der Eintritt frei ist.

Sie betreten den bedeutungslosen oder absoluten Anfang des Systems durch Zufall. Es ist eine Art Vorhalle, in der sich keine Werke befinden. Piste ist Theosophin und erklärt ihren Begleiterinnen, dass in diesem ersten aller Zeiträume noch das Nichts herrscht und aus dessen Sein erst Zeit und Raum werden. Dieser Ursprung allen Werdens wird auch Schöpfung genannt. Sie weist darauf hin, dass diese Ausstellung nicht den mythischen Schöpfungs-geschichten verschiedener Religionen folgt, sondern der Intuition Jedermanns, der offen ist, die Gegenwart seines Gottes zu erfahren.

Die Vernunft sieht sich vergeblich nach dem Zugang zum nächsten Raum um. Piste bermerkt das und er­klärt “Jedes System ist Teil eines anderen Systems!” Wir merken das nicht, aber sobald wir reflektieren, dass alles Teil von allem ist, öffnet sich der Raum bzw. das System.

Diese Worte empfindet die Vernunft sympathisch, da für sie alles ohnehin nur als Gestalt einer gedachten Form erscheint.
Sie und Piste verlassen als erste den Vor-Raum der Vor-Zeit. Nach einiger Zeit folgt Doxa, die sich noch bemühte, Episteme behilflich zu sein.

Doxa fragt Piste, wo Episteme bleibt. Piste verweist auf deren übliche Schwierigkeiten, sich in der Welt des Glaubens fortzuwegen. Sie hegt aber keinerlei Zweifel daran, dass Episteme es schafft.

Schließlich gelangt auch sie in den erweiterten Raum. Die Vernunft erkundigt sich nach dem Grund für Episteme’s Verzögerung. “Ich musste erst alle wissenschaftlichen Prinzipien loslassen, um mich wieder bewegen zu können!”, sagt sie. Auf Nachfragen der Vernunft meint sie, dass Glauben und Wissen sich eben ausschließen. Dann fügt sie noch hinzu, dass wohl auch der Besuch in diesem Museum eine Hilfe darstellt, um sie zu verstehen. Es existieren nämlich systemübergreifende Sätze, nämlich Axiome, denen alle zustimmen, Wissende wie Glaubende.

_______
[1] ἐπιστήμη, episteme – Wissen, Wissenschaft, „wahre“ Erkenntnis und pisth, piste - „Glaube“
 

22
Okt
2011

Selbst-Betrug

 
Aus Rücksicht auf die Furcht der Definition vor Doxa hat sich die Vernunft allein auf den Weg gemacht. Sie folgt einer Wegbeschreibung, die sie erworben hat, bevor sie die Grenze zwischen den neuronalen Gebie­ten des Wissens und Nicht-Wissens überschritt. Seit ihrem Grenzübertritt muss sie sich schwebend fortbewegen, da es hier nirgendwo befestigte Wege oder festen Grund gibt. Sie wird von dem Wunsch getragen, endlich die andere Seite des Verstandes kennenzulernen, wohl ahnend, dass das mehr mit ihr zu tun haben könnte als sie sich einzugestehen traut.

Während sich die Vernunft vorsichtig durch die enge Spalte zwischen Sein und Nicht-Sein bewegt, muss sie einige Überfälle von Stimmungskillern überstehen. Die Vernunft benutzt ihre positiv geladene Einstellung und wehrt damit die Angreifer erfolgreich ab.

Am Ende des Spalts erblickt die Vernunft den Widerschein schwarzen Lichts. Das müsste die Gegend sein, in der Doxa wohnt, mutmaßt sie. Die Vernunft beschließt, noch vorsichtiger vorzugehen. Ihre Emotion verfügt noch über hinreichend Energie, um durchzuhalten. Nach einiger Zeit erreicht sie einen Ort namens Pse­ma[1]. Kurz hinter dem Ortseingang entdeckt sie eine Reha-Klinik, in der verlorene Sätze therapiert werden. Die Vernunft beobachtet, wie ein Satz dadurch ensteht, dass die Schwingung eines Impulses ein Neuron akti­viert, wobei der Impuls Subjekt, die Schwingung Prädikat und die Erregung Objekt des Satzes genannt wird.

“Aha, die Strecken, welche ich zurücklege, sind also in Wahrheit Sätze, die ich denke! Demnach brauche ich nur noch einen geeigneten Satz, um Doxa zu begegnen”, freut sich die Vernunft.

Kaum hat sie diesen Gedanken gefasst, da erscheint ihr die Gestalt der Doxa. Die Vernunft ist erstaunt, weil Doxa keineswegs hässlich ist wie man sich überall erzählt, sondern vielmehr sehr schön. Und vor allem hat sie eine sehr freundliche Ausstrahlung. Die Vernunft fühlt sich sofort mit Doxa gefühlsmäßig verbunden. Jetzt stellt sich Doxa der Vernunft vor, indem sie zu ihr sagt: “Ich bin Dein Spiegel, denn die Wahrheit der Vernunft ist eine Lüge!”

Trotz der empfundenen Seelenverwandtschaft erschrickt die Vernunft, fasst sich aber und fragt Doxa dann, wer ihr eigentlich diesen merkwürdigen Namen gegeben habe. Doxa erklärt ärgerlich, dass dies die Wissenschaft war, die jede Art und Weise des Glaubens strikt ablehnt. Die Vernunft ergänzt das, indem sie er­klärt, dass Wissenschaft nichts Anderes als Glaube ist, der seinen Ursprung doch in den Glaubenssätzen der Axiome hat. Und erst durch das Objektivierungs­bemühen und die Übertragung an die Technik ist es ihr gelungen, Menschen mit ihren Erkenntnissen wirklich zu überzeugen.

Doxa tut die Äußerung der Vernunft sichtlich gut. Spontan entscheiden sich beide für einen gemeinsamen Besuch im axiomatischen Museum.

______
[1] ψέμα bedeutet Lüge
 
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Seit 20 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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