Unilogo

24
Mrz
2012

Bilder reflektieren

 

© urs


Der körpersprachliche Ausdruck des linken Bildes bringt offenes, unvoreingenommenes Zugehen auf eine Aufgabe zum Vorschein. Aber es schwingt doch auch leichte Ängstlichkeit in Bezug auf das zu Erwartende mit. Die gefühlsmäßige Einstellung verrät aber vielleicht auch eher Unerfahrenheit und Desorientierung, die mit Staunen einhergeht. "Traut sie sich den Schritt nach vorn doch nicht so ganz wirklich zu?"

Was ist passiert? Frustration und Verärgerung zeigen sich im rechten Bild aufgrund der in Angriff genommenen Aufgabe. Der angriffslustige, leicht zornige Blick kündet von Gegenwehr. Offensichtlich will sie sich das nicht gefallen lassen!
Zwei oder mehrere Bilder reflektieren sich dann, wenn sie ein gemeinsames Thema aufweisen. Das den o.a. Bildern gemeinsame Thema könnte "Kopfarbeit" sein.
 

23
Mrz
2012

Reflexion

 

© urs


Die Blick- und Denkrichtung verläuft von links nach rechts (Augen- und Hemisphärenbewegung). Das Erblicken einer Wahrnehmung geschieht weder im sinnlichen noch im geistigen Bereich originalgetreu. Sowohl die sinnliche als auch die geistige Erfahrung gehen mit einer erinnerungsbedingten Verkürzung oder Erweiterung einher. So fällt die einschneidende Verkürzung der zweiten Linie im Bild kaum ins Gewicht. Durch die Notwenigkeit einer fantasievoll gedachten Ergänzung erhöht sich die Spannung während der Betrachtung. Die Befragung des Unbewussten nach der Bedeutung des gezeichneten Ausdrucks ergibt den überraschenden Eindruck eines Pinguins mit Skiern auf dem Rücken liegend.

Die im Bild wiederkehrende, das Aussehen eines Pinguins prägende (spiegelnde) Linie war ausschlaggebend für die Fantasie zu dieser humorvollen Ergänzung.
 

22
Mrz
2012

Lücke

 

© urs


Auf und ab, eine emporsteigende und eine fallende Linie. Die nicht bestandene Zerreißprobe im rückwärts gewandten Fall hinterlässt eine prägende Lücke, die auch während des Aufstiegs trotz aller Anstrengung nicht mehr zu schließen war. Die Biografie eines ins Werk gesetzten immer wiederkehrenden verletzten Gedankens mahnt das Aufnehmen und Abgeben vor dem nur scheinbar Halt gebenden Bruch im Grund des Gedankens. Die von Harmonie träumenden Linien lenken davon ab, in Wahrheit in ihrer Tiefe gebrochen zu sein. Und was wäre, wenn es sich in Wirklichkeit um zwei emporrankende Hopfenstauden handelt, die sich am durch Weglassung gezogenen Draht festhalten? Was wäre dann?

Die Quelle allen Denkens ist die Kunst. Fantasie und Gefühle gestalten den Wunsch, der sich durch das Denken offenbaren soll. Vor aller Mal-, Modellierungs-, Bild-, Ton- , Spiel- oder Sprachkunst wirkt das Geheimnis des verborgenen Unbewussten. Der natürliche, wahre Gedanke wird durch den sanften Hauch der Intuition geweckt. Sobald er sich offenbart, wird er auch empfunden. Bewusstwerden muss empfindsam genug sein, um sich als Denken entfalten und gestalten zu können. Nur wer sich in der schöpferischen Welt der Fantasie zu Hause fühlt, vermag sich später in der abstrakten Kunst der Wissenschaft zurechtfinden. Die ersten Mathematiker haben ihre Lehrsätze durch Naturbeobachtungen gefunden.

Es bleibt dabei: Ein Gedanke, der nichts entdeckt, ist eine Verwechslung. Gedanken lassen sich auch nicht erinnern, sondern müssen wieder entdeckt werden. Denken ist kein Sein, sondern immer nur Werden. Denken vollzieht sich künstlerisch, indem es Geschichten, die berühren, erfindet. Alles, was künstlerisch ins Werk gesetzt wird, scheint nicht unmittelbar hervor, sondern bedarf der Vermittlung durch das Betrachten. Erst in der Betrachtung offenbart sich die Intuition des Künstlers.
 

21
Mrz
2012

Gefühl

 

© urs


Das Gefühl zeigt zuverlässig die subjektive Befindlichkeit während des Bewusstwerdens an. Das Gefühl mischt sich zumeist aus Stimmung (Affektion) und Einstellung (Emotion).
Die Stimmung bezieht sich auf die sinnlichen Wahrnehmungen bzw. die Umgebung oder Außenwelt des wahrnehmenden Wesens.
Die Einstellung bezieht sich dagegen auf die inneren Wahrnehmungen bzw. die Innenwelt des wahrnehmenden Wesens. In der Regel lässt sich nicht spontan ausmachen, woher die augenblickliche Befindlichkeit herrührt.


Jedoch vermag jeder seine Befindlichkeit introspektiv zu reflektieren. Es ist wichtig, bei Verschlechterung der Befindlichkeit der Ursache auf den Grund zu gehen, um Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen zu können. Das setzt allerdings entsprechende Empfindlichkeit (Sensibilität) voraus. So ist beispielsweise vorausgesetzt, zwischen "Ursache" und "Grund" unterscheiden zu können. Das ist wichtig, weil sich ansonsten die Befindlichkeit nicht verändern lässt.

Die Befindlichkeit ist der Vorbote bzw. der Helfershelfer körperlicher Erkrankungen. Die auf Harmonie ausgelegten körperlichen Prozesse werden durch negative Befindlichkeiten so gestört, dass es zu Schädigungen kommt. Durch Verbesserung der Befindlichkeit lässt sich so etwas verhindern, besonders wenn dies durch Bewegung unterstützt wird.

Wird die Befindlichkeit vor allem durch eine negative Einstellung gestört, dann liegen Ursache und Grund dafür vor allem in schlechten, unverarbeiteten oder fehlerhaft verarbeiteten Erfahrungen.

Es gilt allgemein als schwierig, solche Fehler in der Vergangenheit nachträglich zu erfassen.

Oft hilft es auch, gegen die Selbstvorwürfe noch den Selbstbehauptungswillen zu setzen oder sich in der Kunst des Loslassen von der Leidenschaft an Leiden, die wiederum Leiden schafft, zu üben. Der Körper sollte erst gar nicht falsch lernen, dass Jammern sehr viel leichter ist als Arbeiten.

Das Gefühl ist die erste Instanz, die jede Information durchlaufen muss. Es gibt demnach keine Information, die sich nicht stimmungsmäßig auswirkt. Dementsprechend sorgfältig wird sie auch verarbeitet oder eben gar nicht. Information, die sich stimmungsmäßig ungünstig auswirkt, wird eher vertagt (verdrängt) als andere. Es ist demnach unsinnig, Information negativ zu formulieren. Kritik, die nicht mit einem Lob beginnt, wird kaum angenommen.

Gefühle schützen das Wesen vor Zerstörungen durch äußere oder innere negative Einflüsse. Sie zeigen mögliche Gefahren durch die Arten und Weisen von Stimmungen an. Erreichen diese gar den Zustand tiefer Niedergeschlagenheit (Depression) mit bereits auftretenden körperlichen Folgen, dann ist es für die Betroffenen kaum mehr möglich, dagegen Widerstände zu entwickeln. Wesentlich günstiger wäre es also, eine solche Entwicklung erst gar nicht so weit kommen zu lassen.
 

20
Mrz
2012

Neugier

 

© urs


Neugier ist jedem begabten Wesen angeboren. Seine Gier, Neues zu erfahren schützt es vor Bewusstseinsstarre. Neugier weckt den Willen, nicht in der Wiederholung des immer Gleichen unterzugehen. Neugier emöglicht das Bewusstwerden als originäre Erfahrung und schützt vor unkritischer Übernahme von Gewohnheiten.

Gier ist kein Weg. Gier ist ein Zug, der nach Nirgendwo führt. Die unersättliche Gier führt zu nichts, weil sie mit nichts zufrieden ist. Tun sich gar Gier und nicht wollender Wille zusammen, dann fühlt sich ein Wesen ständig getrieben, ohne jemals erfahren zu können, wozu eigentlich. Ziellos Getriebene aber haben die Neugier verloren. Emotionen jedoch setzen neue neuronale Impulse wie Züge in Bewegung und schicken sie durch neuronale Netze, um helfende Möglichkeiten zu erkunden. Es ist nicht Gier, sondern Neugier, die nach Aufbruch verlangt und das Abstellgleis der Gedanken selbst bis ins hohe Alter immer wieder freiräumt. Solange sich Fantasie, Vernunft und Verstand in einem harmonischen Verhältnis zueinander befinden, erzeugen sie schöpferische Energien, die Bilder formen und als Bilderleben gestalten. Im Gegensatz zur unersättlichen Gier ist der Neugier Hoffnungslosigkeit fremd. Für sie ist Utopie kein Niemandsland, sondern die Fülle aller schöpferischen Möglichkeiten.
Neugier ist insofern eine Gabe des Unbewussten als dieses das Bewusstsein antreibt, ungewöhnliche Fragen zu organisieren. Durch die Entdeckung einer maßgeblich bestimmenden Fragestellung wird das Bewusstsein zum Anstoß des Bewusstwerdens, und die Suche nach noch nicht Erforschtem versetzt das Subjekt in seine ihm ureigene Bewegung (Motivation), intuitiv Erahntes zu entdecken.

neugier-map

Der zureichende Grund für diese Aktivität liegt in der Selbstorganisation des Gehirns, das sich ruhelos, unaufhörlich spielerisch mit Möglichkeiten neuronaler Kombinationen beschäftigt. Diese Ruhelosigkeit kann dazu führen, dass schöpferische Menschen schaffen, ohne sich eine ausreichende Pause zu gönnen.
 

19
Mrz
2012

Fantasie

 

berg2-klein
© urs


Fantasie gehört neben Gefühl, Vernunft und Verstand zu jenen neuronalen Strömungen, welche das Bewusstwerden ausmachen. Bewusstwerden geht einher mit sinnlichem Wahrnehmen. Die sinnlichen Reize werden in Impulse überführt und gleichzeitig ineins mit vorhandenen Erfahrungen abgeglichen. Fantasie und Gefühl beeinflussen sich wechselseitig. Erfahrungen können die gegenwärtige Stimmung erhellen oder trüben.

fantasie-map

Fantasie, Gefühl, Vernunft und Verstand lassen sich nicht getrennt voneinander betrachten. Die Isolation von Strömungen des Bewusstwerdens führt zu Brüchen, die sich unter Umständen kaum mehr heilen lassen. Eine der Folgen ist beispielsweise die Entgegensetzung von Kunst und Wissenschaft oder in der Medizin die Entgegensetzung von Naturheilkunde und Schulmedizin. Solche Trennungen führen zu Spezialisierungen, durch welche die ganzheitliche Betrachtung des Menschen verloren geht. So spalteten manche Hirnforscher das Gehirn in eine linke und rechte Hemisphäre und verschärften dadurch den Jahrtausende währenden Gegensatz von Logik und Ästhetik.

Fantasie improvisiert gefühlsmäßig wertend mit Möglichkeiten zu handeln (Begriffe).
 

18
Mrz
2012

Mindmap Bewusstwerden

 

mm4
 



17
Mrz
2012

Vernunft und Verstand in introspektiver Betrachtung

 

dialog-vernunft-verstand2
© urs


Die Vernunft erscheint als neuronaler Fluss von Bildern, der an der Quelle der Seele entspringt. Man kann sehen wie der Verstand in diesen Fluss steigt und aus dem Fluss des Werdens für sich Sein schöpft. In diesem Moment wandelt sich diese Entnahme durch Bewusstwerden zu einem Bild-Erlebnis für die Verstand, der darin seine eigene Inzenierung betrachtet, beobachtet und als Verhalten begreift.

Die Vernunft bemerkt auch wie dieses Verhalten vom Gewissen daraufhin geprüft wird, inwiefern es subjektiv zulässig ist.

Der Verstand braucht Definitionen, um seine Bilder auch objektiv anerkennen zu lassen. Der Verstand möchte nämlich im Gegensatz zur Vernunft seine Produkte nicht nur privat nutzen, sondern auch anderen zur Verfügung stellen.

Die Vernunft sinnt darüber nach, inwiefern für Sie die Interessen des Verstandes von Nutzen sein könnten und inwiefern es sich lohnen würde, mit ihm vielleicht sogar Geschäfte zu machen.
Allerdings möchte sie auf keinen Fall ihre Kunst des Wahr Nehmens aufgeben und sich gar auf unvernünftige Definitionen einlassen.

Der Verstand freut sich, dass sich die Vernunft, in Betrachtung versunken, so lange mit seinem Bild beschäftigt, ohne dass sie beide darüber in Streit geraten.

Schließlich, doch von Neugier geplagt, möchte er von der Vernunft erfahren, was ihr an diesem Bild gefällt. Die Vernunft wundert sich, dass der Verstand sie ungewöhnlicherweise nach ihrem Geschmack fragt und nicht wie sonst nach einer plausiblen Beurteilung. Er scheint sie endlich so zu akzeptieren wie sie ist, nämlich eine Kraft, die ihr Verstehen aus dem Glauben und nicht aus dem Wissen schöpft. So erklärt sie dem ungeduldigen Verstand, dass sie sich verstanden fühlt.

Der Verstand wiederum ist sehr überrascht, dass er von der Vernunft keinen Widerspruch erfährt. So betrachtet er argwöhnisch die Vernunft und versucht herauszufinden, ob es ihr möglicherweise nicht gut geht. Aber er kann nichts feststellen.

Die Vernunft ergänzt nun ihre Aussage, indem sie den Verstand dafür lobt, dass er sie nicht als etwas Starres darstellt, sondern als regelnde Kraft, aus der er sogar selbst schöpft.
 

16
Mrz
2012

Blickfang

 

© urs


Sinnlich Auffälliges, emotional Aufdringliches und/oder geistig Interessantes aktivieren gegenwärtiges Bewusstsein als Moment des Bewusstwerdens und lassen es zum Blickfang innerer Wahrnehmung werden.

Trotz aller intensiven philosophischen Beschäftigung mit dem Denken ist das Phänomen der Selbstbeobachtung (Introspektion) ziemlich unklar geblieben. Das ist umso erstaunlicher als Philosophieren doch letztlich nahezu ausschließlich auf innerer Wahrnehmung beruht. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Philosophie von Anfang an die Kunst als ihren Ursprung vernachlässigt hat. Demzufolge ist auch vollkommen in Vergessenheit geraten, dass alles Verstehen mit der Kunst innerer Wahrnehmung beginnt. Durch die Art und Weise der Annäherung der Vorsokratiker an die Wirklichkeit wird das Verstehen von Anfang an an die Gewinnung einer Funktion oder Definition gekoppelt. Durch diesen Anspruch wird die künstlerische Umgebung eines Bewusstseinsinhalts ausgespart. Seit Thales gilt die Suche nach dem klaren Begriffs als die das Denken maßgeblich bestimmende Aufgabe. Als Blickfang des Denkens aber erfasst der Begriff weder sinnlich Begreifbares noch persönlich Erfahrbares. Die sinnliche und seelisches Konstituente des Bewusstwerdens fallen also aus.

Die Ablösung der Philosophie von der Kunst hat dann letztlich den Bruch zwischen Wissenschaft und Leben zur Folge.

Denken wird, wenn überhaupt, nicht systematisch und schon gar nicht in einfachen Schritten angeboten. Die Organisation des Denkens, wie sie Nietzsche[1] geschildert hat, hat sich seitdem nicht geändert.
So sind seine Bemerkungen zu diesem Thema noch immer höchst aktuell:

"Wie wenig Vernunft, wie sehr der Zufall unter den Menschen herrscht, zeigt das fast regelmäßige Mißverhältnis zwischen dem sogenannten Lebensberufe und dem ersichtlichen Nichtberufensein: die glücklichen Fälle sind Ausnahmen wie die glücklichen Ehen, und auch diese werden nicht durch Vernunft herbeigeführt. Der Mensch wählt den Beruf, wo er noch nicht fähig zum Wählen ist; er kennt die verschiedenen Berufe nicht, er kennt sich selbst nicht; er verbringt seine tätigsten Jahre dann in diesem Berufe, verwendet all sein Nachdenken darauf, wird erfahrener; erreicht er die Höhe seiner Einsicht, dann ist es gewöhnlich zu spät, um etwas Neues zu beginnen, und die Weisheit hat auf Erden fast immer etwas Altersschwaches und Mangel an Muskelkraft an sich gehabt.
Die Aufgabe ist meistens die, wieder gutzumachen, ungefähr zurechtzulegen, was in der Anlage verfehlt war; viele werden erkennen, daß der spätere Teil des Lebens eine Absichtlichkeit zeigt, die aus ursprünglicher Disharmonie entstanden ist; es lebt sich schwer. Am Ende des Lebens ist man's aber doch gewohnt – dann kann man sich über sein Leben irren und seine Dummheit loben: bene navigavi cum naufragium feci, und gar ein Preislied auf die »Vorsehung« anstimmen.

Ich frage nun nach der Entstehung des Philologen und behaupte

1. der junge Mensch kann gar nicht wissen, wer Griechen und Römer sind,
2. er weiß nicht, ob er zu ihrer Erforschung sich eignet,
3. und erst recht nicht, inwiefern er sich mit diesem Wissen zum Lehrer eignet. Das, was ihn also bestimmt, ist nicht Einsicht in sich und seine Wissenschaft, sondern
a) Nachahmung,
b) Bequemlichkeit, dadurch, dass er forttreibt, was er auf der Schule trieb,
c) allmählich auch die Absicht auf Broterwerb.

Ich meine, 99 von 100 Philologen sollten keine sein."[2]

Und weiter:

„Da aber die Philologen vornehmlich mit Hilfe des griechischen und römischen Altertums erziehen, so könnte die im ersten Falle angenommene Mangelhaftigkeit ihrer Einsicht einmal darin sich zeigen, daß sie das Altertum nicht verstehen; zweitens aber darin, daß das Altertum von ihnen mit Unrecht in die Gegenwart hineingestellt wird, angeblich als das wichtigste Hilfsmittel der Erziehung, weil es überhaupt nicht oder jetzt nicht mehr erzieht. Macht man ihnen dagegen die Ohnmacht ihres Willens zum Vorwurf, so hätten sie zwar darin volles Recht, wenn sie dem Altertum jene erzieherische Bedeutung und Kraft zuschreiben, aber sie wären nicht die geeigneten Werkzeuge, vermittels deren das Altertum diese Kraft äußern könnte, das heißt: sie wären mit Unrecht Lehrer und lebten in einer falschen Stellung: aber wie kamen sie dann in diese hinein? Durch eine Täuschung über sich und ihre Bestimmung. Um also den Philologen ihren Anteil an der gegenwärtigen schlechten Bildung zuzuerkennen, könnte man die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Schuld und Unschuld in diesen Satz zusammenfassen: Drei Dinge muß der Philologe, wenn er seine Unschuld beweisen will, verstehen, das Altertum, die Gegenwart, sich selbst: seine Schuld liegt darin, daß er entweder das Altertum nicht oder die Gegenwart nicht oder sich selbst nicht versteht.“[3]

Will man Pädagogik wirklich ernst nehmen, dann sollte man unbedingt nur jene zulassen, welche über eine tatsächlich praktische Begabung dafür verfügen, nebst der Intelligenz, die erforderlich ist, um diese Begabung auch verstandesmäßig nutzen zu können. Es ist ganz offensichtlich eine nicht alltägliche Intelligenz erforderlich, um überhaupt anständig pädagogisch arbeiten zu können. Und genau diese Intelligenz wird bei jungen Menschen, welche über sie noch verfügen, viel zu wenig herausgefordert und gefördert. So sind sie völlig auf sich allein gestellt und müssen sehen, wie sie ihre pädagogischen Aufgaben mit Anstand bewältigen.
Aber ohne die Hilfe der Philosophie geht das häufig schief, sie verkommen geistig und gehen in der Praxis des Alltags unter. Da dieser Untergang wie in den meisten Berufen in der Regel mit zunehmend unscharfen Denken beginnt und das nachlassende Denken im Burn-out-Syndrom unterzugehen droht, werden insbesondere Vorkehrungen erforderlich, welche mit einem Minimum an Maßnahmen und einem Maximum an Wirkungen das Denken stabilisieren und das ursprünglich schöpferische „Bilderleben“ im Bewusstsein wiederherstellen. In diesem Sinne handelt es sich bei dieser Schrift um ein Vorhaben, das genau das unternimmt. Nichts ist dabei einfach nur ausgedacht, sondern alles wird durch intensive Betrachtung und konzentrierte Beobachtung der Natur abgeschaut und auf die wenigen, sicherlich nicht einfachen Regeln der Natur beschränkt.

Diese Regeln lassen sich wiederum auf die sich immer wiederholende alles umfassende Maßnahme der Natur zusammenfassen: Im Spiel mit den möglichen Möglichkeiten die wirklichen Möglichkeiten unermüdlich suchen und die möglichen Wirklichkeiten unaufhörlich versuchen, bis nach allen Irrtümern eine erfolgreiche Wirklichkeit hervorscheint.
„Versuch und Irrtum“ ist der Weg der Natur, dem dann im Spiel ständiger Veränderung Bleibendes zufällt.

Das Geheimnis der Schöpfung besteht darin, dass sie bei aller Wiederholung des immer Gleichen für den Zufall offen bleibt. Das Geheimnis der Natur besteht in ihrer Offenheit. Wahrheit ist zugleich der beste Schutz gegen jede Art von Infektion. Nur im Fall von Unoffenheit kann ein Virus im Gehirn überhaupt seine Aktivitäten entfalten.


_______

[1] 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen; † 25. August 1900 in Weimar

[2] Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. Band 3, Herausgegeben von Karl Schlechta. München: Hanser, 1954. Band 3, S. 323-332.

[3] ebd.

15
Mrz
2012

Spiegelung

 

© urs


Spiegelungen werden allein vom nach innen gerichteten Blick wahrgenommen. In den Innenbildern der Seele gelangt das Sein selbst hinter dem Dasein zum Vorschein. Die Empfindlichkeit solchen Vorscheins ist so hoch, dass das Begreifen dem zarten Zeigen weicht. Nicht mehr das Wissen, sondern Glaube verweist behutsam auf Wesentliches, das sich in der Natur des Vorscheins offenbart. Mit Daumen und Zeigefinger entnimmt das nach innen gewandte Wesen mit leichtem Ekel dem reinen Strom des Denkens Verunreinigungen durch voreiliges Abstrahieren.

So sehr es auch den sprachgewaltigen Geist verärgert, der Anfang allen Denkens ist nicht das Wort, sondern das Bild. Der Geist spielt mit dem Bild, bis er die augenblickliche Gestalt der Seele als Moment seines Lebens gewinnt. Die harte Philosophie des Wortes beginnt sich in der sanften Philosophie des Bildes zu verlieren, um das längst verlorene Eigentliche wieder zu entdecken.Dieses Neue zeigt sich zunächst in den Spiegelungen des Alten.

Das lateinische Wort für Spiegelung ist “Reflexion”. “reflectere” bedeutet zurückbeugen. In der neuronalen Analyse meint das Zurückwerfen von Impulsen, die dann wiederum wie Reize, also Impuls-Auslöser wirken. Das Bewusstwerden vollzieht sich als mehrfaches Reflektieren.

I. (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten) = bemerken

II. (bedenken, besinnen, verweilen) = betrachten

III. beobachten

IV. bewerten

V. begreifen (verstehen)

Im Wort “begreifen” steckt “zugreifen”. Das Begreifen vollzieht sich als Bild-Erleben, das auf das Bilder-Leben zugreift und ein interessantes Moment (Gesichtpunkt) bzw. einen interessanten Moment (Augenblick) festhält.

Dieses blitzartige Nacheinander von Bemerken, Betrachten, Beobachten, Bewerten und Begreifen wird gleichzeitig in eins zugleich erfahren, wenngleich diese Komponenten des Wahr Nehmens unterschiedlich dominant sind. Diese Dominanz wird durchaus bewusst:

I.   “Das kenn ich!”
II.  “Da zögere ich!”
III. “Das fällt mir auf!”
IV.  “Das interessiert mich (nicht)”
V.   “Das kapier ich!”

Diese unterschiedlichen Momente werden bisweilen durch Interjektionen emotional ausgedrückt:

I.   Ah!
II.  Hm!
III. Oh!
IV.  (t)ja!
V.   Aha!

Sind alle Momente gegenwärtig, dann werden sie versprachlicht. Das Bild-Erleben wird durch das Wort repräsentiert.

Die unterschiedlichen Spiegelungen des Bewusstwerdens hat Platon in seiner Ideenlehre auf andere Art und Weise dargestellt.
Platon unterscheidet die Welt der Wahrnehmung von der Welt der Ideen.

Die Welt der Wahrnehmung kann auch Sinnenwelt genannt werden. Über diese Welt können keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden, da sie von uns mit unseren fünf Sinnen wahrgenommen wird.


Diese Aussagen können auch nicht allgemeingültig sein, da die Dinge, die beschrieben werden, sich ständig verändern. Platon nennt diesen Prozess wie schon Heraklit “fließen”.


Alles, was in der Sinnenwelt existiert, besteht aus einem vergänglichen Material, welches sich mit der Zeit auflöst. Im Gegensatz dazu ist alles nach dem Muster einer Form gebildet, das zeitlos ist. Alle Pferde können von uns als Pferde erkannt werden. Irgendwann wird das Pferd alt und lahm, aber es ist trotzdem noch als Pferd erkennbar. Dann stirbt es, aber die Pferdeform ist unvergänglich. Diese Urform ist also ein abstraktes, geistiges Musterbild, das, laut Platon, in einer Wirklichkeit hinter der Sinnenwelt besteht. Diese Wirklichkeit nennt Platon das Reich der Ideen. Da man das Reich der Wahrnehmung mit Hilfe der Sinne erreichen kann, kann man dort nur zu wahren Meinungen über etwas gelangen. Über das Reich der Ideen kann man sicheres Wissen erlangen, allerdings nur, wenn man die Vernunft benutzt. Die Ideenwelt läßt sich also nur vernunftmäßig, nicht aber mit den Sinnen erkennen.


Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen. Also wird die Urform des Pferdes auch dann bestehen, wenn das Pferd tot ist. Die Ideen entstehen also weder, noch vergehen sie, und deshalb kommt ihnen Wahrheit zu. Also existieren laut Platon auch allgemeingültige Aussagen, zum Beispiel mathematische Aussagen: Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen. Die wahrnehmbaren, vergänglichen Dinge können uns allerdings an die Ideen, deren Abbilder sie sind, erinnern. So legt Platon dar, dass man durch relativ gleiche Dinge an die Idee der Gleichheit erinnert wird. Vollständige Gleichheit ist in der Welt des sinnlich Vernehmbaren nicht vorhanden. Ebenso ist das Gerechte, das Gute in der Welt der Wahrnehmung nicht vorhanden. Es stellt aber ein Ideal dar, nach dem man seine Handlungen ausrichten soll. Es gibt immer gültige, objektive, ethische Werte, die der Maßstab für die Beurteilung einzelner Handlungen ist. Die Kenntnis der Idee des Guten ist nach Platon eine notwendige Bedingung für moralisches Handeln. Mit Hilfe der Ideen können auch Eigenschaften der sinnlich wahrnehmbaren Dinge erklärt werden. So wird etwas schön genannt, wenn es an der Idee des Schönen teilhat, die selbst schön ist. Platon hält auch den Menschen für ein zweigeteiltes Wesen. Wir haben einen Körper, der fließt, der also aus vergänglichem Material besteht und mit der Sinnenwelt unlösbar verbunden ist (denn die Sinne sind körperlich). Unsere Seele hingegen ist unsterblich und befindet sich in der Vernunft. Demzufolge ist sie nicht materiell und kann in die Ideenwelt sehen. Platon meint, bevor die Seele in unseren Körper gelangt, existiert sie schon im Reich der Ideen, sie hat aber beim Eintritt in den Körper die vollkommenen Ideen vergessen. Wenn wir dann ein unvollkommenes Pferd sehen, sehnt sich unsere Seele nach der vollkommenen Urform, die ihr aus dem Reich der Ideen bekannt ist. Diese Sehnsucht nennt Platon Eros (Liebe).

Die meisten Menschen geben dieser Sehnsucht nicht nach, sondern klammern sich an die schlechten Nachahmungen der Ideen in der Sinnenwelt. Platon hält jene Menschen nur für Abschattungen der wahren Idee “Mensch”, welche glauben, diese Schatten seien alles, was es gibt, ohne daran zu denken, dass etwas den Schatten werfen ließ. Sie sind mit dem Leben als Schattenbilder zufrieden und erleben die Schatten demzufolge nicht als solche. Platon hält alle Phänomene der Natur für bloße Schattenbilder der ewigen Formen oder Ideen.

Platon erklärt in seinem Liniengleichnis u.a., wie sich das Denkbare, das Wahrnehmbare, die Idee, die Einzeldinge zueinander verhalten.

Platon trennt nicht nur – wie gesagt - zwischen Erkennen und Wahrnehmen, sondern er trennt ebenso streng zwischen Idee und Einzelding.

Während das Erkennen auf Dauer angelegt ist, ist die Wahrnehmung ganz auf den Augenblick ausgerichtet.

Die Wahrnehmung ist mit der Gegenwart direkt verbunden, während das Erkennen auch die Zukunft und Vergangenheit mit einschließt.


Ähnlich sieht Platon dies bei der Trennung zwischen der Idee und dem Einzelding. Während das Einzelding mit der Wahrnehmung und somit der Gegenwart verbunden ist, hängen die Ideen mit der Erkenntnis zusammen und sind dauerhaft.

Platon hat diese ontologische Entgegensetzung von Idee und Einzelding und die erkenntnis-theoretische Abgrenzung zwischen der Erkenntnis und der Wahrnehmung in seinem sogenannten Liniengleichnis veranschaulicht (Platon, Politeia 509 B ff).

Vereinfacht denke man sich eine vertikale Linie, die in zwei Teile geteilt ist, wobei der obere Abschnitt größer ist als der untere. Der obere beinhaltet auf der einen Seite das Denkbare, auf der anderen Seite das Erkennen, das Wissen. Der untere, kleinere Abschnitt repräsentiert auf der einen Seite die Welt der Erscheinungen. Die andere Seite steht für das Meinen. Und da Platon das Erkennen und den Bereich des Denkbaren höher einordnet, ist auch der Abschnitt dafür größer.

Das Erkennen, beziehungsweise Wissen, wird noch unterteilt in das der Vernunft und das dem Verstand Zugänglichen. Die Seite des Meinens teilt sich in etwas glauben und etwas vermuten. Die Welt des Denkbaren teilt sich in die Ideen und die Hypothesen. Die Seite der Erscheinungen teilt sich in die Einzeldinge und die sogenannten Schatten der Zukunft; der Welt des Werdens. Im Liniengleichnis denkt Platon im Grunde die Reflexionen des Bewusstwerdens, und zwar als das Erkennen (Begreifen) der allgemeinen Formen, also das Sein als solches im Bewerten des Werdenden. Zu dieser Erkenntnis führt das Beobachten und Betrachten des sinnlich Vernehmbaren, also des naturhaft Seienden.

Im Sonnengleichnis gelangt die Sonne als Ebenbild der höchten Idee zum Vorschein, wobei das Licht der Sonne für die Wahrheit steht.

Der Unterschied, ob etwas im Licht oder im Schatten liegt, bedeutet für das, was von ihm betroffen ist, einen Unterschied im Seinsrang bzw. in der Reflexionsebene!

Was im Licht der Sonne liegt, ist sichtbar. Was im Schatten liegt, ist nicht oder zumindest schwer sichtbar. Diese Beschreibung bedeutet in der Analogie für die Idee des Guten: Was im Licht der Idee des Guten liegt, an dem glänzt die Wahrheit und das Sein des Seienden. Was dagegen nicht von der Idee des Guten erhellt wird, das gehört in den Bereich des Werdenden und Vergehenden.

Auf das Linie- und Sonnengleichnis folgt das Höhlengleichnis, in dem Platon deren Bedeutung für die menschliche Existenz darstellt.

Hat man sich an die Dunkelheit der nur von einem kleinen Feuer beleuchteten Höhle gewöhnt, dann erkennt man sehr bald, dass dort gegen die Wand hin gefesselte Menschen sitzen, die sich nicht umdrehen können und deshalb nur Schatten an der Höhlenwand sehen. Es sind die Schatten der Menschen, die hinter dem Rücken der Gefangenen und dem Feuer Gegenstände und Speisen hin- und hertragen. Die Gefangenen aber kennen allein die Schatten dieser Gestalten und halten diese Schatten also für die Gestalten selbst. Deshalb ordnen sie ihnen auch sogar die Stimmen zu, die sie hören. Die Schattenwelt ist die Welt, so wie die Gefangenen sie erleben. Die Gefangenen halten ihre Erlebniswelt für die Wirklichkeit, denn sie befinden sich von Geburt an in dieser Lage. Und Platon provoziert uns, indem er uns sagt, dass unsere sogenannte reale Welt nichts anderes ist als eine Schattenwelt. Das, was wir wahrnehmen, ist nicht mehr als Abschattung von etwas, was wir selbst nicht wahrzunehmen vermögen, weil wir uns ebenfalls nicht umdrehen, unsere Sichtweise nicht verändern können.

Dabei muss es nicht bleiben. Wir sind nicht dazu verurteilt, unser gesamtes Leben als Gefangene unserer Schattenwelt zu verbringen. Aber Platon macht auch nachdrücklich darauf aufmerksam, dass sich niemand selbst aus seiner miserablen Lage befreien kann. Jeder braucht einen Lehrer, der ihn befreit. „Erziehung“ ist für Platon der Name für diese Befreiung. In seinem Höhlengleichnis fragt Platon, was geschehen würde, wenn einer der Gefangenen in der Höhle befreit würde. Platon sagt, dass eine solche Befreiung gewaltsam geschehen müsste, weil sich niemand freiwillig von Gewohnheiten trennt, die ihn ein Leben lang bestimmt haben.

Und wir alle spüren auch, wie sehr wir uns dagegen wehren, Platon zu glauben, dass alles, mit dem wir zu tun haben, nicht mehr ist als Schatten. Statt uns in unserer Sichtweise zu wenden, halten wir lieber Platons Auffassungen für verdreht. Und einem Verrückten braucht man nicht zu folgen.

Dennoch sollen wir uns nun vorstellen, dass einer der Gefangenen von seinen Fesseln befreit wird. Der so befreite Mensch kann sich jetzt umdrehen und plötzlich klar erkennen, dass das, was er sehen kann, überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was er bislang für wahr gehalten hat. Allmählich gewöhnt er sich an seine Freiheit und folglich auch daran, Zusammenhänge erkennen zu können. So erkennt er die Schatten als Projektionen dieser Gestalten vor dem Feuer. Sie bewachen die Gefangenen, und er erkennt nicht nur die Schatten als Wächter, sondern er nimmt auch einen Weg wahr, der nach oben zum Höhlenausgang führt. Weil er neugierig geworden ist, folgt er diesem Weg vorsichtig nach oben, wohl darauf gefasst, dass die Höhle auch nicht die Welt ist und er jederzeit mit einer weiteren Überraschung rechnen muss.

Als er schließlich zum Ausgang gelangt, erfasst ihn ein kaum zu beschreibender Schrecken und er bekommt große Angst, weil er wegen des sehr grellen Lichts, das seine Augen blendet, nichts mehr erkennen kann. Als sich dann seine Augen an das Licht der Sonne gewöhnt haben, erkennt er wiederum ein Feuer. Das ist die Sonne, der er nun gewahr wird. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den Dingen, die er nun wahrnehmen kann, wiederum nur um Abschattungen handelt. Deshalb folgert er, dass er erneut einen Weg finden muss, der ihn aus dieser neuerlichen Welt der Schatten hinausführt. Dieser Weg wird im Sonnen- und Liniengleichnis dargestellt. Es ist der Weg, den die Metaphysik als Entbergen der Wahrheit beschreibt. Sich auf dieses unaufhörliche Suchen zu besinnen, ist der vornehmliche Zweck der philosophischen Meditation auf die Sonne.

„Nämlich in tiefes Nachdenken über irgend einen Gegenstand versenkt, blieb er (Sokrates) von frühmorgens an auf demselben Flecke stehen und wich, da er das Gesuchte nicht finden konnte, nicht von der Stelle, sondern verharrte in unablässigem Nachsinnen. Inzwischen war es bereits mittags geworden, als die Leute es merkten und staunend einander darauf aufmerksam machten, daß Sokrates nun schon vom frühen Morgen her im Nachforschen über irgend einen Gegenstand begriffen dastände. Endlich aber, als es schon Abend war, brachten einige Ionier, nachdem sie zu Abend gegessen, ihre Matratzen heraus, teils um im Kühlen zu schlafen, denn es geschah dies im Sommer, teils aber auch um ihn zu beobachten, ob er auch wohl in der Nacht dort stehenbleiben würde. Er aber blieb wirklich stehen, bis der Morgen graute und die Sonne aufging; dann aber ging er von dannen, nachdem er zuvor noch sein Morgengebet an die Sonne (hêlios) verrichtet hatte.“[1]

______
[1] Vgl. auch Werner Jaeger, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, 2. Nachdruck 1989, S. 886
 

14
Mrz
2012

Grenzüberschreitung ?

 

angelus
© urs


Als Bilderleben vollzieht sich das Denken durch Spiegelung des gefühlten sinnlichen und/oder geistigen Wahrnehmens, das selbst wiederum geschaut werden kann. Durch dieses Schauen des inneren Auges (Kontemplation) erfährt sich das vernunftbegabte Wesen nicht in seinem Dasein, sondern vermag darüber hinaus auch das Sein selbst zu schauen und mythisch, künstlerisch oder philosophisch zu erfahren.

Manche vernehmen den inneren Zuspruch des Seins sogar als Zuspruch eines Gottes, andere sehen oder hören, was sie dann künstlerisch oder philosophisch als Idee ins Werk setzen. Unabhängig von Religion oder Kultur gilt diese Wesensschau als Vollendung allen Wahrnehmens. Dieser Vorgang lässt sich weder durch Erziehung noch Bildung erreichen, sondern entfaltet sich als Dichtung, Komposition oder Bild einzig und allein aus einer ganz individuellen Begabung heraus.

Durch das Bild-Erleben wird ein Augenblick des Bilderlebens erfasst. Das geschieht nachts im Traum ebenso wie untertags im Tagtraum.

Tagtraum, das kann eine Vorstellung der Fantasie (Spiel mit Möglichkeiten) oder Imagination (Einbildung) sein. Zwei Drittel unseres Tages verbringen wir tagträumend, meistens ohne das zu merken. Es fällt nur dann auf, wenn wir uns bei geistiger Abwesenheit ertappen. Das innere Wahrnehmen ist empfindlicher als das äussere Sehen. Wir können den anderen Menschen intuitiv wahrnehmen und in etwa seine Gedanken und Gefühle erfahren. Als Wahrnehmungsfeld des Denkens bildet das Bilderleben die Brücke zwischen Unbewusstsein oder Vorbewusstsein und Bewusstsein.

Diese Brückenfunktion hat in der Geschichte des Menschen zu tragischen Missverständnissen geführt. Da das (innere) Wahrnehmen wie das (äußere) Sehen das Bild-Erleben ebenfalls auf das Wahrnehmungsfeld als Bilderleben zu reflektieren vermag, kann es bei Unachtsamkeiten zur Verwechslung der Wahrnehmung von Ursache und Wirkung kommen.

Um das verstehen zu können, muss man wissen, dass während des Bild-Erlebens das Bilder-Leben gefiltert und vereinfacht reflektiert wird.

Das so veränderte Bilder-Leben offenbart sich dann als Inhalt der Wahrnehmung. Auf diese Weise wird in einem rauschähnlichen Zustand das Selbst-Gespräch zur inneren Stimme, die dann als Stimme eines Gottes verkannt werden kann.

So sitzt beispielsweise Pythia auf einem Dreifuß im Adyton. Dieser Dreifuß steht unmittelbar über einer Erdspalte, aus der Gas austritt. Es wird angenommen, dass es sich um Ethylen oder eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid handelt. Das Gas bzw. Sauerstoffmangel versetzt Pythia in Trance.

Man glaubt, dass in diesem entrückten Zustand der Gott Apollon aus ihr spricht, weil durch Sauerstoffmangel ein Trancezustand hervorgerufen wird.

Mystiker versetzen sich durch besondere asketische Übungen in Ekstase und hören so in sich die Stimme Gottes oder nehmen himmlische Erscheinungen wahr.

Auf vergleichbare Art und Weise ist wahrscheinlich auch jene Sammlung von Schriften entstanden, welche Juden und Christen als Wort Gottes anerkennen und als Heilige Schrift zu Urkunden ihres Glaubens machen.

Und in welchem Bewusstseinszustand mag sich Moses, der Autor der ersten Heiligen Schriften, befinden, wenn er in der Wüste einen brennenden Dornbusch erblickt, aus dem Gott zu ihm spricht?

Problematisch wird es dann, wenn solche Eingebungen den Anspruch auf Wahrheiten erheben.

Das selbstreflektierende Bilder-Leben bringt schließlich tief nachdenkliche Mensch dazu, ihre Erfahrungen nicht mehr dem neuronalen Zusammenspiel von Impulsen zu überlassen und die selbstreflexive Kraft des Gehirns mit Hilfe einer bestimmten techne (Methode bzw. Technik) zu nutzen, um dieses Spiel selbst bewusst zu regeln.

Die Kunst dieser Regelung nennen sie sophia und sie verstehen sich dementsprechend als Freunde der Weisheit (sophia).

Dieser Auffassung gemäß bezeichnen sie sich als Philosophen.

Sokrates, einer der ersten Philosophen versucht zunächst, einem geeigneten Zugang zur Philosophie zu finden.

Er entdeckt vor allem drei wichtige Abschnitte eines solchen Weges.

1. Die erste Strecke besteht aus dem Bemühen um die Selbsterkenntnis gemäß der delphischen Forderung: “Erkenne dich selbst!”, denn wenn ich weiß, was ich bin, weiß ich auch, was ich soll.


2. Die zweite Strecke besteht im Resultat der Selbsterkenntnis, das einen zum Bewusstsein verhilft, dass man nichts weiß. Diesen Zustand des Bewusstseins des Nichtwissens erklärt Sokrates als seine einzige Weisheit.


3. Die dritte Strecke besteht für Sokrates darin, dass er sich diese Erkenntnis aktiv umsetzt. Die Stufe der Erkenntnis eigener Unwissenheit wird zum Ausgangspunkt bzw. Motiv, das wahre Wissen zu suchen.


Sokrates folgt nicht mehr dem mythologischen Weg, einfach das zu tun, was die Götter einem zeigen oder sagen, sondern er entdeckt einen eigenen inneren logischen Weg, selbst zu erkunden und zu verstehen, was sich zeigt.

Dieser Weg besteht in der Auseinandersetzung mit dem, was ihm die (innere) Wahrnehmung während des Dialogs mit anderen Menschen zeigt.

Auf diese Weise entdeckt er durch sorgfälige Vergleiche dessen, was seine Gesprächspartner sagen, dass es bei aller Verschiedenheit der Meinungen auch etwas allen Gemeinsames gibt. So entdeckt er den Begriff als das, dem alle zustimmen können. So münden die vielen Auffassungen von Gerechtigkeit in dem, was allen diesen Auffassungen gemeinsam ist. Dies allen Erscheinungen von Gerechtigkeit Gemeinsame nennt er das Allgemeine (katholou) oder Begriff.

Sokrates entdeckt dabei die Verallgemeinerung (Abstraktion) als Methode. Das zurück reflektierte Bilder-Leben des Bild-Erlebens wird zum ersten Mal in der Geschichte abstrakt und als solches in einer Art circulus vitiosus zum weiteren Gegenstand des Bild-Erlebens.

Der Mensch erfährt, dass er wahrzunehmen vermag, ohne zu sehen.

Nicht mehr der Zuspruch eines Gottes verhilft zur Orientierung, sondern der Mensch selbst.

Wegbereiter dieser Kehre vom Mythos zum Logos sind die bereits von Thales und Pythagoras entwickelten inneren Wahrnehmungen der Geometrie und Mathematik, die sich sogar in sinnlich vernehmbaren Verhältnissen von Eigenschaften sehen lassen können.

Thales inszeniert noch einmal – wie Diogenes Laertius berichtet - ein Stück Mythologie, indem er die von ihm vorausberechnete Sonnenfinsternis vor Alexander dem Großen als göttliches Zeichen ausgibt.

Dem sechsten Sinn der Philosophen eröffnet sich eine Welt jenseits des sinnlich Vernehmbaren, die Metaphysik. In Wahrheit eine Art Selbst-Spiegelung des Bild-Erlebens.
 

13
Mrz
2012

Beschneidung

 

© urs


Der Geist umklammert sinnlich Gefühltes, das sich unter diesem Druck zu einem Begriff verformt, eine Attrappe bar jeglicher Gefühle und Erleben. Unter dem Griff der Krebszange von Vernunft und Verstand verliert sich das lebendige Besondere im Allgemeinen. Worthülsen zerschnittener Erfahrungen bleiben liegen, bis sie der allgegenwärtige Hauch der Unvernunft verweht.

Wenn neuronale Impulse in einem Feld wie zwischen den Schneiden einer Schere zusammenlaufen und sich zu einem Netz verbinden, spiegelt sich das Ausgeschnittene während des Bewusstwerdens als Gedanke wider.
Dieser zeigt sich je nach Einfluss durch Sinne, Gefühl, Vernunft bzw.Verstand oder Intuition im Bewusstsein inhaltlich als Vorstellung, Wunsch, Vorhaben oder Idee.

Für das Bewusstsein ergibt sich so sehr kurzfristig die Gelegenheit zuzugreifen, um Inhalte zu verändern. Wie alles Bewusstwerden so lässt sich auch eine solche Konstellation introspektiv vergegenwärtigen, entsprechende Sensibilität vorausgesetzt. Sensibilität meint hier die Empfindlichkeit bzw. Empfindsamkeit des Denkens. Was bedeutet das?

Wir können nicht nur sehen, hören, riechen, schmecken und tasten, sondern auch denken. Das Denken ist als Sinn vollkommen in Vergessenheit geraten.

Aber ohne diesen Sinn wären wir Lebewesen überhaupt gar nicht existenzfähig. Trotzdem wundert uns, dass Denken zu unseren Sinnen zählt. Das ist nicht erstaunlich, da viele nie gelernt haben, diesen Sinn zu gebrauchen.

Es sind vor allem blinde Menschen, denen dieser Sinn das innere Wahrnehmen schenkt.
Blinde müssen zwar auf das Sehen, das die meisten für den wichtigsten Sinn halten, verzichten. Aber dennoch sind sie nicht weniger in der Welt als Sehende.
Denn wir hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen, aber erst im Gehirn entsteht durch das Zusammenspiel von Milliarden von Nerven die Welt in unserem Kopf. Sie wird beeinflusst und gesteuert oder geregelt von unseren Erfahrungen, Stimmungen, Einstellungen und Erwartungen.
Was wir sinnlich erfassen, geht in ein Feuerwerk von elektrischen Impulsen über. Nur diese Nervenimpulse vermag das Gehirn zu verarbeiten. Dies geschieht in verschiedenen Bereichen zugleich in spezialisierten Gebieten. Doch diese spezialisierten Areale sind nicht streng voneinander abgegrenzt, sondern tauschen sich sogar wechselseitig aus.

Unser Gehirn ist ein kompliziertes Netzwerk, in dem unzählige Verarbeitungsschritte gleichzeitig ablaufen und in dem die unterschiedlichen Bereiche pausenlos miteinander Information austauschen. Dennoch lassen sich grundlegende Verarbeitungswege unterscheiden. Zum einen gibt es den Was-Pfad, zum anderen den Wo-Pfad. Sie führen in verschiedene Gehirnbereiche. Im Wo-Pfad (hauptsächlich im Parietallappen) wird unter anderem analysiert, wo genau die Objekte sind, wie groß sie sind und in welchem Abstand sie sich zueinander befinden. Die genaue Form und Art der Objekte wird dabei kaum beachtet.
Es existieren insgesamt zwölf Pfade, die sich bewusst als Perspektive, Aspekt oder Kategorie (vgl. Klammerausdruck) fassen lassen:

1. Was-Pfad (Sein, Wesen)
2. Welche-Pfad (Eigenschaften)
3. Wie-Pfad (Art und Weise)
4. Wo-Pfad (Raum, Ort)
5. Wann-Pfad (Zeit)
6. Wobei-Pfad (Umstand)
7. Wie viel-Pfad (Maß)
8. Womit-Pfad (Mittel, Material)
9. Weshalb-Pfad (Grund)
10.Wofür-Pfad (Zweck, Ziel)
11.Warum-Pfad (Ursache)
12.Wozu-Pfad (Wirkung)

Alle diese Pfade werden vom Verstand organisiert und bilden gleichsam die Wege der Vernunft. Sie ermöglichen die mehrdimensionale komplexe Wahrnehmung.
Benachbarte Gehirnbereiche bilden die Aspekte und/oder Perspektiven, unter denen wir Personen, Objekte oder Ereignisse erfassen.
Zum Beispiel sind für die dreidimensionale Wahrnehmung die benachbarten Gehirnbereiche der Wo- und Wann-Pfade verantwortlich: Welche Tiefe haben die Objekte und wie weit sind sie vom Betrachter entfernt und wann treten sie auf? Ohne diese Aspekte würden die gesehenen Gegenstände flach wie aus Pappe ausgeschnitten wirken. Erst durch Perspektive und Tiefe entsteht bei Sehenden wie bei Blinden eine dreidimensionale Wahrnehmung.
Andere Nervenzellen sind wiederum darauf spezialisiert, Bewegungen wahrzunehmen. Dabei reagieren unterschiedliche Neuronen auf jeweils ganz bestimmte Geschwindigkeiten. Wo die Bewegung stattfindet spielt dabei kaum eine Rolle.
Bewegung wird nur sehr grob einem Ort zugeordnet.
Der Was-Pfad für optische Impulse (hauptsächlich Temporallappen) klärt, was für Gegenstände, Personen oder Landschaften das Auge da sieht. Damit das Gehirn die Objekte einordnen kann, muss es sie zunächst von ihrem Hintergrund trennen. Dabei ist es günstig, dass bereits die primäre Sehrinde besonders gut auf Kanten und Übergänge anspricht. So lassen sich die Konturen der Objekte schnell erfassen. Diese Konturenwahrnehmung funktioniert so gut, dass das Gehirn teilweise über das Ziel hinausschießt und Formen sieht, die es eigentlich gar nicht gibt. Objekte werden mit bekannten Dingen aus dem visuellen Gedächtnis verglichen.
Innerhalb von rund einer viertel Sekunde hat das Gehirn jede relevante Information aller Pfade aus dem Bild gewonnen und verrschiedene Aspekte zu einem Gesamteindruck kombiniert. Das alles geschieht innerhalb eines Augenblicks (drei Sekunden) gleichzeitig. Alle Areale tauschen mit allen in einem Netzwerk ständig Information aus. Es existiert keine Hierarchie oder Zentrum.
Offenbar werden sogar von den höheren Verarbeitungseben wieder Impulse zum Beispiel in die primäre Sehrinde zurück geschickt. Sie wirken wie eine Verstärkung oder Rückkopplung und machen das Bewusstwerden hoch wahrscheinlich erst möglich.
Bei Blinden werden solche Reflexionen aufgrund des Ausfalls des Sehens durch die übrigen Sinne kompensiert.

Von Natur aus ist das Bewusstsein so organisiert, dass es alles wahrzunehmen und zu verarbeiten vermag. Verschiedene Kulturen installieren aber durch Erziehung unterschiedliche Scheren im Kopf und beschneiden dadurch das unvoreingenommene natürliche Wahrnehmen der Natur.
Dennoch: wir vermögen das "Zurück zur Natur", und zwar durch Umkehrung von Erziehung.
 

12
Mrz
2012

Die Sprache der Intuition

 

selbstfindung
© urs


Die Sprache der Intuition lebt von vom Selbst entworfenen Bildern. Bilder der Intuition entstehen durch Sinne, Gefühle, Geist oder durch Träume des Unbewussten.

Sobald das wahrgenommene Bild1 betrachtet wird, vermittelt sich intuitiv, was der Gesichtsausdruck bedeutet. Die Intuition initiiert die Vorstellung von einer schlafenden oder meditierenden Person. Die Gesichtszüge deuten eine asiatische Herkunft an. Weil der Gesichtsausdruck an Buddha erinnert, erscheint es wahrscheinlicher, dass sie meditiert. Der Grad der Gelassenheit drückt tiefe Meditation aus und damit Erfahrung in dieser Übung des in sich Versenkens. Das Bildnis selbst ist intuitiv entstanden. Es offenbart das Geheimnis seiner Entstehung nicht, sondern bewahrt es in sich. Gelassenheit und Ruhe scheinen hervor, das Bestreben, sich der Betrachtung nicht aufzudrängen, sie in dem zu belassen, was im Augenblick geschieht.

Die sich selbst beschreibende Intuition während der Betrachtung bringt das Wesentliche dieses speziellen Wahrnehmens zum Vorschein. Dieses Wahrnehmen ist wenig berührt vom Verstand, der davon absieht, eine Erklärung zur Meditation zu liefern, sich vielleicht sogar nicht einmal dazu in der Lage sähe. Auch die Seele wird durch das Bild dazu eingeladen, die Gefühle so weit zu besänftigen, dass sie wie die glatte Oberfläche eines Bergsees wirken. Die Sinne spielen noch mit diesem Bild, offen dafür, zu weiterer Deutung anzuregen.

Intuition ist gefühltes Denken, das seine Gedanken in Bildern freigibt, nichts Fertiges eben, sondern Anregungen.

Intuition entsteht, sobald sich Fantasie, Vernunft und Verstand harmonisieren.
Fantasie, Vernunft, Verstand bilden in eins zugleich den inneren Strom des Denkens. Die Fantasie initiiert und gestaltet das Bilderleben, die Vernunft erfährt sich als Bilder-Leben und der Verstand reflektiert sich im jeweiligen Bild-Erleben.
Die Quelle dieses Stroms liegt in den Tiefen des Unterbewusstseins. Intuitiv fließt er als Bewusstwerden und gelangt als Stimmung, Einstellung oder gar als Idee zum Vorschein.
 

Die spezielle Wahrnehmung

 

kalte_Begriffe
© urs


Das vernunftbegabte Lebewesen verfügt vor allem über vier besondere Arten und Weisen des Wahrnehmens:

1. das körperliche Wahrnehmen der Sinne,
2. das seelische Wahrnehmen der Gefühle,
3. das vorgestellte Wahrnehmen des Geistes und
4. das spezielle Wahrnehmen der Intuition.

Diese Arten und Weisen des Wahrnehmens fließen während des Bewusstwerdens zusammen und vermischen sich zu einer Vorstellung, in der sich unsere Stimmung, Einstellung, Haltung und Vorhaben widerspiegeln.

In dieser Spiegelung erfahren, beobachten und begreifen wir die Welt. Das alles vollzieht sich so spielerisch leicht, dass wir gar nicht mitbekommen, wie komplex und kompliziert alles abläuft.

Diese Unklarheit führt zu einer verschwommen Vorstellung von der eigenen Gestaltung des Daseins. Hier mehr Klarheit zu gewinnen, gleichsam etwas Aufklärung zu leisten, das ist die Absicht dieser Erörterung. Vordringlich wird größere Klarheit vor allem dort, wo es um die Vermittlung von Bildung geht, also um die Ausbildung geistiger Prozesse.

So ist vielen Lehrenden in Schulen und Hochschulen noch immer kaum bewusst, dass es weniger auf die Technik des Lehrens (Didaktik) ankommt, sondern vielmehr auf die Förderung der Begabung der Lernenden (Methodik). Gerade besonders Begabte sind darauf angewiesen, dass ihnen die Besonderheit ihrer geistigen Ausstattung bewusst gemacht wird. Gerade Hochbegabte leiden oft darunter, dass sich die besonderen Kräfte, die in ihnen stecken, kaum oder sogar überhaupt nicht entfalten können.

Da hohe Begabung oft zugleich auch mit hohen Ansprüchen an sich selbst einhergeht, finden Betroffene häufig das, was sie machen, nicht gut genug. Sie lassen sich auch nicht von bewundernder Anerkennung bzw. Lob überzeugen, sondern empfinden das, was andere so bewundern, als völlig unzureichend. Auf diese Weise entgehen ihnen Befriedigung und Freude an ihrem Schaffen.


Hier vermag wahrscheinlich allein Hilfe zur Selbsthilfe aus einer gewissen Selbstverstrickung zu befreien.
Da Begabung vor allem durch Intuition lebt und auch durch sie schafft, liegt es nahe, die Intuition auch als Weg zu sehen, um sich der Begabung angemessen zu nähern.
 

10
Mrz
2012

Denken in die Hand nehmen

 

denken-in-der-hand
© urs

Etwas lesen oder hören und es vergessen. Etwas wahrnehmen, und sich daran erinnern. Aber etwas tun und es verstehen (nach Konfuzius). Fantasien und Begriffe sind flüchtig, wenn sie nicht zu Taten werden.

Fantasie, Vernunft und Verstand sind die drei Konstituenten des Bewusstwerdens.

Fantasie

Die Fantasie träumt, indem sie mit Möglich­keiten spielt und sich Bilder davon ausmalt.

Vernunft

Die Vernunft sondiert die Möglichkeiten der Fantasie auf deren Brauchbarkeit hin.

Verstand

Der Verstand modelliert Möglichkeiten auf deren Verwirklichung hin.


1. Die Vernunft nennt[1],

2. die Fantasie trennt[2],

3. der Verstand erkennt[3].

Das Gehirn zeigt uns seine Bilder in den Vorstellungen der Fantasie. Diese Ausstellung findet in unserem Bewusstsein statt. Dort können wir die Bilder sehen, betrachten, interpretieren und vielleicht auch begreifen.


_________
[1] Die Vernunft nennt den Inhalt einer Wahrnehmung beim Namen.

[2] Die Fantasie trennt diesen Inhalt von der Wahrnehmung und gestaltet ihn für sich um.

[3] Der Verstand erkennt, was sich mit dem Inhalt der gestalteten Wahrnehmung anfangen lässt.
 
logo

Seit 20 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

Archiv

März 2025
Januar 2025
Dezember 2024
Juli 2024
Januar 2024
Dezember 2023
Oktober 2023
August 2023
Juli 2023
Juni 2023
Mai 2023
April 2023
Januar 2023
Dezember 2022
Oktober 2022
September 2022
Juni 2022
Mai 2022
März 2022
Februar 2022
Januar 2022
Dezember 2021
November 2021
Oktober 2021
September 2021
August 2021
Juli 2021
Mai 2021
April 2021
März 2021
Februar 2021
Januar 2021
Dezember 2020
November 2020
Oktober 2020
September 2020
Juni 2020
Mai 2020
April 2020
März 2020
Februar 2020
Januar 2020
Dezember 2019
November 2019
Oktober 2019
Juni 2019
Mai 2019
April 2019
März 2019
April 2018
März 2018
Februar 2018
Januar 2018
Dezember 2017
November 2017
Oktober 2017
September 2017
August 2017
Juli 2017
Juni 2017
Mai 2017
April 2017
März 2017
Februar 2017
Januar 2017
Dezember 2016
November 2016
Oktober 2016
September 2016
August 2016
Juli 2016
Juni 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
Dezember 2015
November 2015
Oktober 2015
September 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
April 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Juni 2014
Mai 2014
April 2014
März 2014
Februar 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
Mai 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
Oktober 2008
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
Dezember 2005
November 2005
Oktober 2005
September 2005
August 2005
Juli 2005
Juni 2005
Mai 2005
April 2005
März 2005
Februar 2005
Januar 2005
Dezember 2004

Aktuelle Beiträge

Am Anfang war das Wort
Am Anfang war das Wort, und das Wort war das Sein,...
wfschmid - 10. März, 02:28
Schauen, was nicht zu...
Neue Publikation, auch in englischer Spreche Bestellung...
wfschmid - 22. Januar, 13:11
URSPRUNG DER INFORMATION...
Vernunft und Verstand begabter intelligenter Wesen...
wfschmid - 26. Dezember, 07:10
Bildlose Gedanken sind...
Bewusstwerden wird als Bilderleben sowohl von der Vernunft...
wfschmid - 21. Dezember, 06:11
ES GIBT DINGE, DIE GIBT...
ES GIBT DINGE, DIE GIBT ES GAR NICHT Dieser Spruch...
wfschmid - 14. Dezember, 11:22
Vernunft <--->...
Bewusstwerden wird als Bilderleben sowohl von der Vernunft...
wfschmid - 13. Dezember, 21:49
H u m o r
Gefräßige Gesellschaft www.greedype rson.com
wfschmid - 25. Juli, 12:09
Dreamed out
If a priori represents a metaphysical congruence with...
wfschmid - 9. Januar, 05:24

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 7757 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. März, 02:28

Suche (AND, OR erlaubt) - Nächste (leere) Zeile anklicken!

 

Credits

 

 

Es gelten die Rechtsvorschriften für Webseiten der Universität Flensburg © Texte: Wolfgang F. Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) wfschmid(at)me.com Bilder: Ulrike Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) mail(at)ulrike-schmid.de

 wfs