Unilogo

26
Aug
2012

Der Garten der katathymen Heilpflanzen

 
Der Weg zum inneren Heilgarten führt selbstverständlich durch den äußeren Garten der helfenden Pflanzen und Kräuter. Niemand findet den Weg zum inneren Heilgarten, wenn er sich ungesund ernährt.

Der innere Heilgarten der Natur ist in jedem Lebewesen angelegt. Das, was dort wächst, gedeiht durch körperliche, seelische und geistige Kräfte, die jedoch individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Aber alle können dort für sich alles finden, was sie für sich brauchen.

Den Garten der Kunst findest Du in Dir erst, nachdem Du Dir Deinen Weg mühsam durch den Dschungel Deiner Erziehungsgefahren geschlagen hast. Es sind Deine schöpferischen Ideen, die Du dort finden wirst. Dem Ich wird klar, dass das Loslassen wie ein Buschmesser wirkt, mit dem es sich den Weg durch den Dschungel erzieherischer Wirkungen schlägt. Und es geht um so besser voran, auf je mehr negative Vorurteile es sich selbst gegenüber nicht mehr einlässt.

Paradoxerweise fordert die Seele das Ich trotz Loslassens auf, sich wieder sinnlich anschauen zu lernen. "Dein innerer Spiegel zeigt Dir, inwieweit es Dir gelingt, die Spuren der Erziehung zu beseitigen!" Das unangenehme Gefühl, welches diese Berührung der inneren Stimme das Ich noch spüren lässt, macht die Entfernung zum Selbst deutlich.

"Einer von den Pharisäern, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn auf die Probe stellen und fragte ihn: Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste? Er antwortete ihm: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (nach MT 22, 37-39 verkürzt)

Ohne Liebe ist das Selbst nicht zu haben. Ohne Selbstliebe vermag das Ich sich nicht zu finden. Selbstliebe sollte allerdings nicht zum Narzissmus oder zur homosexuellen, körperlichen Selbstverliebtheit entarten.

Den Gesundheitszustand der Selbstliebe vermag der innere Arzt leicht festzustellen, indem er prüft, ob sich das Ich noch in der Lage zeigt, sich selbst zu belohnen. Um dieses Vermögen wieder sanft herzustellen, ist ein Journal der täglichen guten Ereignisse hilfreich, denn das sich Über-kleine-Dinge-freuen-können ist ein guter Nährboden für die Selbstliebe.

Im inneren Garten wachsen genug katathyme Heilkräuter gegen eine entartete Selbstverliebtheit. Aber genau so wichtig sind die Heilpflanzen zur Gesundung dort, wo tradierte Medizin versagt.
 

25
Aug
2012

Die reine Seele

 
Die reine Seele des unausgelegten Selbst vermag allein Bilder zu schauen und in ihnen Wahrheit zu erkennen. Die reine Seele ist ein künstlerisches Wesen. Um so mehr muss sich dieses Wesen vor irgendwelchen Selbst-Auslegungen hüten und in der Kunst des Loslassens üben.

Diese Seele erfährt während ihres Anstiegs auf den Berg der Stille keine Zurückweisung durch die innere Stimme. Der Fortschritt wird begleitet von der Einsicht, dass sich Wahrheit in Bildern öffenbart. Selbst das Nichts als absolutes Loslassen zeigt sich intuitiv dem Gespür für das, worauf es ankommt.

Die Selbstreinigung der Seele vollzieht sich allmählich, indem alle erziehungsbedingten Selbstverurteilungen als aberwitzige Irrtümer nach und nach abfallen. Von allen Häresien befreit findet sich die Seele in Freiheit im ursprünglich natürlich kindlichen Selbstvertrauen wieder.

Und jetzt spricht die innere Stimme zu unserem den Berg der inneren Stille aufsteigenden Meditierenden, indem sie ihm rät: "Sobald in Dir eine der vernichtenden Selbst-Verurteilungen hochwächst, reiß sie aus, indem Du einen solchen Gedanken bereits im Entstehen loslässt. Und siehe, allmählich verlieren solche vernichtenden Innenbilder jegliches Interesse an Dir.

Das Loslassen von hemmender und blockierender Erziehung befreit Deine Seele von körperlicher Enge, seelischer Ängstlichkeit und geistiger Selbstfesselung."
 

24
Aug
2012

Ausweg aus der eigenen Höhle

 
In seinem Höhlengleichnis weist Platon auf den Weg der Selbstbefreiung des Ichs hin. Es ist das Wagnis, das Wissen aus seinen Engen zu befreien und die Intuition (wieder) zuzulassen. Das Ich vermag sich nämlich einzig und allein intuitiv selbst zu schauen.

Der im Selbst Gefangene erkennt im Augenblick seiner Befreiung aus der Höhle das Licht der höchsten Idee. Diese Erkenntnis entspringt dem Glauben auf Grund seiner Erfahrungen, dass sich im reinen inneren Licht das anerzogene Selbst dem Ich als bloßer Schatten des Gehabes seiner Erzieher offenbart. Angesichts dieser Offenbarung erscheinen dem Ich alle Annahmen des Selbst als unwahr. Und die innere Stimme teilt dem Ich mit, dass nichts von dem wahr ist, was es bislang seinem Selbst zugesprochen hat.

Im reinen, weil von Erziehung ungefilterten inneren Licht, schaut das Ich die Wahrheit des Selbst. Und Lethe, die Göttin oder Kraft des Vergessens, offenbart dem Ich, dass das Selbst verunreinigt und zum Krankheitsherd wird, sobald ihm überhaupt Eigenschaften irgendwelcher positiver oder negativer Art zugesprochen werden.

"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Reich Gottes kommen." (Markus 10, 13 - 16)
Kinder kennzeichnet, dass sie völlig vertrauen können. Kleine Kinder kennzeichnet darüber hinaus die völlige köperliche Abhängigkeit und geistige, seelische Unabhängigkeit von den Eltern und Erziehern. Die kindliche Fantasie lässt eine Gleichschaltung von körperlicher Abhängigkeit und geistig, seelischer Unabhängigkeit nicht zu und entführt das Kind jederzeit in seine eigene Welt, um es zu retten.

Es ist die kindliche Unvoreingenommenheit, die allein das wahre Selbst schaut. Lethe verhilft zum Ausstieg aus der eigenen Höhle, indem sie jeden Gedanken einer unwahren Selbsteinschätzung verbietet bzw. gebietet, diesen unmittelbar loszulassen. Und es ist die Zeit, die dann aufgrund der Übungen des Loslassens von den Selbstschändungen reinigt.

Allein ein freies, wahres, weil vom Ich nicht ausgelegtes Selbst, ermöglicht dem Ich die Existenz in der Allgegenwart Gottes, denn das "Himmelreich", das überall ist, duldet wie das Selbst keinerlei Auslegung.
 

23
Aug
2012

Der brennende Dornbusch

 
Nicht jedes Innenbild ist echt, insbesondere wenn es sich um eine Vision eines metaphysischen Ereignisses handelt. So hegte Hildegard von Bingen wie viele andere Heilige auch anfangs starke Zweifel, ob sie ihren Visionen trauen darf.

Die vielleicht bekannteste und zugleich frühest überlieferte Vision ist die des Moses (8. Jh. v. Chr.). Es ist die Vision vom brennenden Dornbusch. Es wird in der Bibel erzählt, dass Moses viele Jahre die Herden seines Schwiegervaters Jitro hütete.

Eines Tages weideten die Schafe und Ziegen auf den saftigen Weiden an den Hängen des Berges Sinai. Moses blickte in die Ferne, und er traute seinen Augen nicht. Denn er erblickte einen brennenden Busch. Merkwürdigerweise sah es nur so aus, als lodere dort ein Feuer. Denn der Busch verbrannte nicht. Neugierig ging Mose näher heran.

Da hörte er plötzlich eine Stimme. Sie kam aus dem brennenden Busch und sagte: "Zieh deine Schuhe aus, Mose! Du stehst auf heiligem Boden." Mose wusste, dass es Gott war, der zu ihm sprach. Er gehorchte, und Gott sagte: "Ich bin, der ich bin. Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ich habe die Klagen und Bitten meines Volkes gehört, das in Ägypten in der Sklaverei lebt. Und ich werde es retten. Du Mose, sollst es aus Ägypten in ein Land führen, das ich den Nachkommen Abrahams versprochen habe. In diesem Land werden Milch und Honig fließen. Und dich Mose, sende ich nun zum Pharao."

Dieser Auftrag ist für einen Hirten in der Wüste nicht gerade naheliegend. Offenbar ist allen Visionen gemeinsam, dass sie Menschen überraschen, die über die Kraft verfügen, ihnen auch zu entsprechen.

Visionen sind ganz offensichtlich Phänomene des Tunnelns, die nicht bewusst herbeigeführt werden können, sondern aus den Tiefen des Unbewussten heraus entstehen. Wer oder was aber veranlasst unseren Meditierenden, eine ihm Zugang verwehrende Stimme zu vernehmen? (vgl. Meditation 5b)
 

22
Aug
2012

Platons Intuition

 
Der große abendländische Lehrer der Intuition ist Platon. Platon (altgriechisch Πλάτων Plátōn, latinisiert Plato; * 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † 348/347 v. Chr. in Athen) war ein antiker griechischer Philosoph. In seinem berühmten Höhlengleichnis schildert er den Weg der Intuition.

Was geschieht in der Höhle, von der Platon spricht?
Hat man sich an die Dunkelheit der nur von einem kleinen Feuer beleuchteten Höhle gewöhnt, dann erkennt man sehr bald, dass dort gegen die Wand hin gefesselte Menschen sitzen, die sich nicht umdrehen können und deshalb nur Schatten an der Höhlenwand sehen. Es sind die Schatten der Menschen, die hinter dem Rücken der Gefangenen und dem Feuer Gegenstände und Speisen hin- und hertragen. Die Gefangenen aber kennen allein die Schatten dieser Gestalten und halten diese Schatten also für die Gestalten selbst. Deshalb ordnen sie ihnen auch sogar die Stimmen zu, die sie hören. Die Schattenwelt ist die Welt so, wie die Gefangenen sie erleben. Die Gefangenen halten ihre Erlebniswelt für die Wirklichkeit, denn sie befinden sich von Geburt an in dieser Lage. Und Platon provoziert uns, indem er uns sagt, dass unsere sogenannte reale Welt nichts anderes ist als eine Schattenwelt. Das, was wir wahrnehmen, ist nicht mehr als Abschattung von etwas, was wir selbst nicht wahrzunehmen vermögen, weil wir uns ebenfalls nicht umdrehen, unsere Sichtweise nicht verändern können.

Dabei muss es jedenfalls nicht bleiben. Wir sind nicht dazu verurteilt, unser gesamtes Leben als Gefangene unserer Schattenwelt zu verbringen. Aber Platon macht auch nachdrücklich darauf aufmerksam, dass sich niemand selbst aus seiner miserablen Lage befreien kann. Jeder braucht einen Lehrer, der ihn befreit. „Erziehung“ ist für Platon der Name für diese Befreiung. In seinem Höhlengleichnis fragt Platon, was geschehen würde, wenn einer der Gefangenen in der Höhle befreit würde. Platon sagt, dass eine solche Befreiung gewaltsam geschehen müsste, weil sich niemand freiwillig von Gewohnheiten trennt, die ihn ein Leben lang bestimmt haben. Und wir alle spüren auch, wie sehr wir uns dagegen wehren, Platon zu glauben, dass alles, mit dem wir zu tun haben nicht mehr ist als Schatten. Statt uns in unserer Sichtweise zu wenden, halten wir lieber Platons Auffassungen für verdreht. Und einem Verrückten braucht man nicht zu folgen. Dennoch sollen wir uns nun vorstellen, dass einer der Gefangenen von seinen Fesseln befreit wird. Der so befreite Mensch kann sich jetzt umdrehen und plötzlich klar erkennen, dass das, was er sehen kann, überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was er bislang für wahr gehalten hat. Allmählich gewöhnt er sich an seine Freiheit und folglich auch daran, Zusammenhänge erkennen zu können. So erkennt er die Schatten als Projektionen dieser Gestalten vor dem Feuer. Sie bewachen die Gefangenen, und er erkennt nicht nur die Schatten als Wächter, sondern er nimmt auch einen Weg wahr, der nach oben zum Höhlenausgang führt. Weil er neugierig geworden ist, folgt er diesem Weg vorsichtig nach oben, wohl darauf gefasst, dass die Höhle auch nicht die Welt ist und er jederzeit mit einer weiteren Überraschung rechnen muss.

Als er schließlich zum Ausgang gelangt erfasst ihn ein kaum zu beschreibender Schrecken und er bekommt große Angst, weil er wegen des sehr grellen Lichts, das seine Augen blendet, nichts mehr erkennen kann. Als sich dann seine Augen an das Licht der Sonne gewöhnt haben, erkennt er wiederum ein Feuer. Das ist die Sonne der er nun gewahr wird. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den Dingen, die er nun wahrnehmen kann, wiederum nur um Abschattungen handelt. Deshalb folgert er, dass er erneut einen Weg finden muss, der ihn aus dieser Welt der Schatten hinausführt.
 

21
Aug
2012

Stolperstein

 
Schwierigkeiten beim Übergang aus der Welt des Wissens in die Welt des Glaubens ergeben sich vor allem aus dem Mangel an Intuition und dem damit verbundenen Schwund an Gefühlen. Das Vertrauen in das Wissen verdrängt das Gespür für den helfenden Zuspruch der Natur.

Mit dem Primat des Wissens vor dem Glauben verliert das Gehirn die Fähigkeit der Selbstheilung und flüchtet sich zunehmend mehr in Altersvergesslichkeit (Demenz). Die Organisation des Bewusstseins verliert die eigentliche Kraft und somit den wesentlichen Gewinn des Alters, das ist die Weisheit (σοφία). "γέρωσοφία" (γέρωv Greis, σοφία Weisheit), die Altersweisheit verliert sich in der Altersvergesslichkeit (Demenz). Das Gehirn gibt eher das so wichtige Alltagsbewusstsein auf statt die Fähigkeit schöpferischer Selbstorganisation.

Pseudowissen, der Aberglaube durch Halbwissen, ist der größte Stolperstein in der Welt natürlichen Glaubens. Diese Welt offenbart sich nämlich allein der Intuition.
 

20
Aug
2012

Tunneln

 
"Wenn der Berg zu hoch ist, dann gräbt man am besten einen Tunnel, um auf die andere Seite zu gelangen. Leider sind Tunnel aber eine ziemlich teure Sache, weshalb der Mensch nur selten Gänge quer durch Felsen fräst oder sprengt. Elektronen haben es da leichter: Sie können einfach so durch einen Wall tunneln, ohne dass jemand zuvor einen Weg gebahnt hat - die Quantenmechanik macht's möglich. Auf diese Weise verlassen sie die Elektronenhülle des Atoms - übrig bleibt ein positiv geladenes Ion.
Bei dem Berg, den die Elektronen durchlaufen, handelt es sich um einen sogenannten Potentialwall - aufgebaut durch die Anziehungskräfte im Atomkern. Um ihn auf klassischem Weg zu überwinden, müssten die Elektronen auf ein höheres Energieniveau gehoben werden. Dank des Tunneleffekts geht es jedoch auch auf dem kurzen Weg direkt durch den Potentialwall.
Wegen ihres Wellencharakters können Elektronen den Wall mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchqueren und das Atom verlassen. Dabei durchlaufen sie Gebiete, in denen sie sich nach den Gesetzen der klassischen Physik gar nicht aufhalten dürften. Der Tunnel-Effekt ist übrigens nicht auf kleine Teilchen beschränkt. Prinzipiell ist er auch bei makroskopischen Objekte denkbar. So kann ein Auto mit einer von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit eine Mauer durchqueren, ohne dabei Schaden zu nehmen. Dabei müsste jedes einzelne Teilchen des Autos die Potentialbarriere der Wand durchtunneln. Die Wahrscheinlichkeit, das dies geschieht, ist jedoch so extrem klein, das das Phänomen außerhalb des Mikrokosmos noch nie beobachtet worden ist."

(Quelle: Auszüge aus Spiegel online Wissenschaft 3.04.07 Quantenphänomen - Physiker schauen Elektronen beim Tunneln zu)


In der Philosophie qua Metaphysik bedeutet Tunneln das Wechseln von Vorstellungen von Sein in Nichts bzw. von Wirklichkeit in mögliche Wirklichkeit, wirkliche Möglichkeit und mögliche Möglichkeit. Demnach ermöglicht das metaphysisch-meditative Denken einen Einblick in eine Welt des raum- und zeitlosen Unsichtbaren.

In dieser Welt gelten die Gesetze der Intuition und die Regeln des Glaubens. Es gilt nicht, was gesehen wird, sondern was intuitiv geschaut wird. In dem, was empfunden und gespürt wird, offenbaren sich Erkenntnisse in dieser anderen Welt.
 

19
Aug
2012

Meditation 6

 
Durch Meditation wechselt der Blick vom Physischen ins Metaphysische. Meditation ist ein Einblick des wissenden Verstandes in die Welt der glaubenden Vernunft. Dieser Blick wird durch den Abstand vom Besonderen des Konkreten gewonnen. Das ist der zureichende Grund für die begonnene Bergwanderung des Meditierenden.

Indem er an Höhe gewinnt, entwickelt sich in ihm das System der Orientierung an gewussten Erfahrungen zu einem System der Orientierung an Intuitionen. Die Sinne wenden sich nach innen, und das Wahrnehmen wird zum fühlenden Spüren. Wer dennoch versucht, sich unbekannten Phänomen wissend zu nähern, wird von der inneren Stimme gestoppt.

Im Bereich des Metaphysischen verunsichern physische Erfahrungen, und das Vorankommen wird leicht zum Stolpern. So verspürte er meditierend eine innere Zusage, und er suchte dazu sogleich aus Gewonheit eine sinnlich vernehmbare Gestalt. Das aber wurde ihm durch die innere Stimme versagt. Zusätzlich erklärt sie ihm. "In der metaphysischen Welt kann man nicht alles sehen, was man hört und nicht alles hören, was man sieht!" Da er nicht sehen kann, was er doch so unmittelbar hört, gewinnt er den Eindruck, dass sich gar keine Gestalt hinter dem vulkansteinernen Felsen verbirgt, und er setzt seinen Aufstieg in Gedanken versunken fort.

Er denkt dabei an das Erlebnis des Moses, der eine Stimme in einem brennenden Dornbusch hörte. Und er konnte natürlich jenen nicht sehen, welcher zu ihm sprach und sich als Gott offenbarte.
 

18
Aug
2012

Meditation 5c

 
Innenbild des Unsichtbaren

Das Innere Auge muss sich zunächst an die Innenlandschaft gewöhnen. Die natürliche Begabung der Introspektion liegt in der Regel brach. Wer ist denn schließlich damit vertraut, das eigene Denken zu betrachten und zu beobachten, um es zu begreifen?

Solche Unvertrautheit ist gewöhnlich die Folge einer die Selbstreflexion vernachlässigenden Erziehung. Folglich versuchen wir uns mit Hilfe von Innenbildern mit der inneren Welt über geeignete Vorstellungen vertraut zu machen.

So ist eine Bergwanderung eine vertraute Vorstellung. Mit dem allmählichen Gewinnen an Höhe weitet sich die alltägliche Enge der vertrauten Umgebung aus und verliert so an ihrer einschränkenden Bedeutung. Die gewohnte Enge weitet sich aus und befreit aus der engstirnigen Sicht eines zu geringen Abstandes.

Wie sich das subjektive sinnliche Wahrnehmungsfeld beim Aufstieg auf einen Berg verändert, so ändert sich auch das geistige Wahrnehmungsfeld aufgrund von Abstraktion. Abstrahieren bedeutet ja auch Abstand dadurch zu gewinnen, dass von besonderen Eigenschaften des wahrgenommen Objekts oder der wahrgenommenen Person abgesehen wird.

Im Alltag kennen wir durchaus viele Dinge, die zunächst abstrakt wahrgenommen werden wie z.B. den Floh- oder den Wochenmarkt als Menge von Verkaufsständen, die Wiese als Menge wild wachsender Blumen und Gräser, den Wald, die Stadt, den Bahnhof, die Warenhäuser oder auch Geschäfte. Uns fällt dabei auf, dass Abstraktionen die Übersichten sind, die man sich erst einmal verschaffen muss, bevor man sich Einzelheiten zuwenden kann.

Nichts Anderes treibt das Denken, wenn es abstrahiert, um sich Übersicht zu verschaffen. Es betrachtet dabei Einzelnes als Menge oder Gruppe. Es sieht also nur gemeinsame Eigenschaften. Aber diese Verallgemeinerung hat noch eine völlig andere Wirkung, die in der Regel nur selten bewusst wird.

Diese Wirkung besteht in der sogenannten Tunnelung. "Tunneln" heißt ein Vorgang, der Information jenseits der Sinne (meta ta physika), also metaphysich überträgt. Durch Tunneln empfängt das Denken Vorstellungen über das sinnlich Vernehmbare hinaus. Das wissenschaftliche Denken wechselt dann ins künstlerische Denken bzw. das Wissen in Glauben.
 

17
Aug
2012

Meditation 5b

 
Innenbild von den Höhen

Wegmarken, welche Höhenwege anzeigen, sind von Neugier gezeugte Intuitionen. Diese gefühlten Eingebungen schweben zunächst als Träume über den Höhen des Geistigen. Diese geträumten Wolken können sich zu Tag- oder Nachtträumen verdichten oder zu Utopien, in denen sich zart die ersten Schritte zum Aufstieg abzeichnen.

Aber meistens hoffen schöpferisch Träumende auf unmittelbare Eingebungen durch das innere Licht, welches dann doch immer den Nebel der Fantasie durchbricht.

Es braucht immer eine gewisse Zeit, bis ein vernunftbegabtes Wesen seinen Verstand in der Fülle des Vernünftigen findet. Es ist der Verstand, der inmitten der geträumten Fantasien das Leitmotiv offenbart. Dann braucht es Durchhaltevermögen und vielleicht auch Mut oder Zivilcourage, um einen unter Umständen langen Aufstieg durchzuhalten. Es ist immer leichter, sich auf eine Vorstellung von einem Ziel einzustellen und davon zu träumen, statt einen vorliegenden Weg Schritt für Schritt umzusetzen.

Obgleich über die Stimme hinter einem Schieferfelsen heftig erschrocken, überraschte ihn das letztlich doch nicht, hatte er doch immer gehofft, dass ihm so etwas auch einmal geschieht. Nun, da es ihm zugestoßen ist, ängstigt er sich doch. Er fürchtet spontan, dass jemand sein Vorhaben entdeckt hat und ihn nun daran zu hindern versucht.

Trotz aller Ängstlichkeit geht er auf den Felsen zu.
"Stopp!"
 

nur so
 
niemand weiß so genau
warum er tut was ihn
in bewegung hält
dass da ein antrieb ist
ein stachel
eine attraktion oder auch nur
die notwendigkeit
etwas zu tun und nicht nichts
was gar nicht geht
auch dann nicht wenn
alles still zu stehen scheint
gerade dann
steht die fremde vor diesem nichts
blank polierten möglichkeiten
im jenseits vom nichts
 
© urs nur so
 

16
Aug
2012

Meditation 5a

 
Meditation ist eine Tür nach innen. Die Vernunft verfügt über das Dritte Auge. Mit diesem inneren Auge blickt die Vernunft auf das schöpferische Geschehen.

Obgleich alle von Natur aus über die Gabe der Innenschau verfügen, lassen sich zu wenige darauf ein.

Einerseits hat Erziehung sie in ihrer frühen Kindheit nicht dafür sensibilisiert, anderseits sind diese frühkindlichen Fähigkeiten in Vergessenheit geraten.

Es spricht allerdings nichts gegen eine Wiedererinnerung. Diese Vergegenwärtigung beginnt mit einer Einladung an die Fantasie, denn die Innenwelt erschließt sich am ehesten auf fantastische Weise.

Innenbild vom Berg der Stille

Manche nennen den Berg der Stille auch den Heiligen Berg. Die meisten Leute steigen nämlich hinauf, um sich wieder zu finden. Es ist kein Berg der verlorenen Seelen, denn alle entdecken sich in sich selbst eingekehrt wieder.

Jene, welche diesen Berg noch nicht kennen, rätseln so lange, warum das so ist, bis sie ihre Neugier selbst den geheimnisvollen Berg hinaufsteigen lässt.

Die meisten, die das Unternehmen der Selbstfindung aus Neugier angehen, erwarten, auf dem Berg einem Weisen in Gestalt eines Einsiedlers zu begegnen. Diese Erwartung gründet auf keinerlei Erzählungen von Heimkehrenden. Aber irgendeinen Grund muss es ja haben, dass sie alle eine Art lichter Gelassenheit und innerer Freude ausstrahlen.

Es dämmert bereits ein weiterer herrlicher Sommertag, als er sich auf den Weg zu diesem so geheimnisvollen Berg macht.

Glaube und Hoffnung begleiten ihn, der Glaube, dass er sich endlich selbst finden wird und die Hoffnung, dass ihm dabei geholfen wird.

Unterwegs wird ihm klar, dass er ohne Neugier sich niemals auf diesen Weg gemacht hätte. Zudem hätte er diesen Weg
ohne Fantasie auch nicht gefunden. Es war nämlich so, dass der Weg nicht unmittelbar vor ihm lag. Innere Wege müssen sich intuitiv erst mit Hilfe der Fantasie in der Vorstellung gestalten.

Nach etwa einer Stunde beginnt der Feldweg in einen steil ansteigenden Bergweg überzugehen, der sich, zunehmend steiniger werdend, serpentinenartig den Berg hochschlängelt.

Der innere Prozess der Bewusstseinsorganisation, der dem serpentinenartigen Bergweg gleicht, ist das zirkuläre oder hermeneutische Denken. Gleich dem Bergweg, der am Ende eine schöne Aussicht verspricht, mündet das hermeneutische Denken in die erwartete Einsicht.
 

15
Aug
2012

Meditation 4

 
Wenn der künstlerisch tänzelnde Gedanke
sich sanft im Kreise dreht und neue Bilder entwirft,

wenn die Seele den Traum zur Vernunft ruft,
damit sich die gefühlte Vision zu Leben gestaltet,

wenn ein Gedicht das Denken zum Tanzen einlädt,
um das Erleben schattenlos in Licht zu wandeln,

dann spürst Du Deinen Grund jenseits gegenwärtigen Sinns.
 

angeregt durch das Gedicht "Tanz" von Ulrike Schmid

 

14
Aug
2012

Meditation 3

 
Horizontales Denken liebt die Weite des Allgemeinen,
an einen abstrakten Gott lässt sich leicht glauben.
Vertikales Denken verbindet Höhen und Tiefen,
die Nähe des Besonderen fordert eine Stellungnahme.

In die Tiefe gehendes Denken geht an die Wurzeln.
Vertikales Denken ist radikal, denkt den Sinn vom Grund her.
Diesem Denken ist Kosmetik an Symptomen fremd.
Kunst ist keine Angelegenheit von Wissenschaft.

Wissenschaft denkt nicht wie die Kunst, sondern rechnet.
Der Arzt heilt nicht, sondern operiert. Heilen vermögen nur Heiler.
Heilkräfte entziehen sich der Magnetresonanztomographie,
Innere Kräfte des Heilens werden nur im Herzen sichtbar.
 

13
Aug
2012

Meditation 2

 
Meditation ist ein Blick in die Möglichkeit…
… Einblick in die Zeit,
Augenblick des Werdens,
Sehen von Entstehen und Vergehen,
Verstehen von Binden und Lösen.

Anblick von Nähe und Ferne,
Blick über Oberflächen und in Tiefen.
Wagen zu denken,
sich den Fragen zu stellen.

Fragen heißt nach innen sehen,
Höhen und Tiefen entdecken.
Antworten der Natur schenken Kraft,
Ideologien rauben Glauben, Hoffen, Lieben.
 
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Seit 20 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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