Unilogo

28
Dez
2008

Neuronale Vokabel

Eine neuronale Vokabel besteht aus einer neuronalen Regelung einer Entscheidung über eine Alternative ("Ja" oder "Nein"). Eine solche Regelung besteht aus:

A) Vorgabe,
B) Strategie,
C) Maßnahme,
D) Durchführung,
E) Erfolg,
F) Folgerung,
G) Gelegenheit.

Fallbeispiel zu A - G:
a) Einschreiben Benachrichtigung im Briefkasten, obwohl zu Hause (Postzustellung hat wieder einmal nicht geläutet!)
b) Strategie: Abholen innerhalb einer Woche, jetzt 1 Tag vor Weihnachten keine Lust totz Neugier, wenn Neugier zu groß wird, dann zur Post gehen,
c) Abholung aufschieben,
d) abwarten,
e) Gefühl keine Steigerung der Neugier,
f) Entscheidung, nicht noch heute abholen,
g) Abholung am letztmöglichen Tag: Montag
(Auflösung des Einschreibeninhaltes später)

27
Dez
2008

Wer mit Neubeginn spielt, hat schon verloren

Bei seiner diesjährigen Ansprache wirkte der Bundespräsident stellenweise fast heiter, als er von der alles bedrohenden Finanzkrise sprach. Man konnte wirklich den Eindruck gewinnen, als hätte er bereits das Ende dieser globalen katastrophalen Krise vor Augen. Auf diese Weise wirkte seine Zusicherung, dass wir die Krise gemeinsam meistern können, besonders glaubhaft. Und wir nahmen ihm auch ab, dass wir die Krise als Chance sehen können, unsere Welt besser zu ordnen.

Aber wir haben die Chance, aus diesen schlimmen Fehlern zu lernen erst, wenn wir wirklich verstehen, was geschehen ist. Das wir alle über unsere Verhältnisse gelebt haben, das ist uns mittlerweise klar. Dass uns eine in uns angelegte neuronale Funktion letztlich dazu verführte, das ist noch nicht in unser Bewusstsein gedrungen. Diese neuronale Funktion ermöglicht uns zu träumen, um die Wirklichkeit besser aushalten zu können. Der Mensch verbringt ein Drittel seines Tages mit Tagträumen, ein weiteres Drittel mit Arbeit und schließlich das letzte Drittel mit Schlaf.

Weil wir nicht bemerken, wenn wir tagträumen, können wir leicht übersehen, wenn wir unsere Wirklichkeit mit unseren Träumen verwechseln. Wir träumen beispielsweise davon, bestimmte Bücher zu lesen und kaufen sie uns. Wenn es sich um Bücher handelt, deren Thematik unser besonderes Interesse weckt, dann kaufen wir Bücher darüber, auch wenn wir die bereits vorhandenen noch gar nicht gelesen haben. Auf diese Weise füllen sich bei manchen Menschen Regale mit Büchern über Buddhismus, Gesundheit und Erfolg. Mit ihren Büchern haben sie sich viele Möglichkeiten verschafft, sich zu informieren. Aber sie informieren sich nicht, sie träumen nur davon, das jederzeit tun zu können.

Es gibt noch andere Wirklichkeiten, über die wir uns hinweg zu träumen versuchen, so zum Beispiel, wenn wir mehr scheinen wollen als wir sind.
Dann geben wir mit Dingen an, die wir zu diesem Zweck gekauft oder zu denen wir eine Beziehung haben. "Mein Haus, mein Auto, meine Frau!"! So wird die Erfüllung dieses Traumes in der Werbung verkauft. Selbst mit dem Outfit der Frau wird geprahlt wie mit der eigenen Armbanduhr oder dem teuren Handy.
Dass hiermit die Entwertung wichtiger Werte erfolgt, fällt den Machern schon gar nicht mehr auf.
Nach und nach haben wir das Geld an die Stelle unserer Werte gesetzt. Dass sich aber mit Geld ohne Wertebewusstsein nicht mehr umgehen lässt, das wurde uns so lange nicht klar, bis wir nicht mehr in der Lage waren, mit Geld überhaupt noch umzugehen.
Erst da sind wir in unseren Luftschlössern wach geworden und zeigten uns jäh außerstande, ohne Werte noch irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen. Vor Jahren haben wir noch nach den Werten gefragt, heute fragen wir nur noch nach dem Preis.
Angesichts der Ohnmacht, ohne Wertebewusstsein überhaupt noch irgend etwas richten zu können, verfallen wir dem Wahn, alles zugrunde gehen zu lassen, um wieder neu beginnen zu können. Das ist der gefährlichste Traum, den wir zur Zeit träumen. Wir fahren alles gegen die Wand, damit wir neu aufbauen können. Wenn wir das nicht schnellstens duchschauen, und die Lust am Untergang aufgeben, werden wir die Finanzkrise nicht überwinden können. Das Schlimmste, das uns jetzt zustoßen kann, sind Manager, die sich als Masochisten gefallen.

26
Dez
2008

S I C H T E N

Angesichts der Bilderflut um uns herum bleibt das Bewusstwerden des Bilderlebens zunehmend häufiger aus. Das Bilder-Leben der Fantasie 'stirbt ab' und das Bild-Erleben vermittelt immer weniger Ideen. Dieser Verlust des inneren Wahrnehmens schränkt auch das äußere (sinnliche) Wahrnehmen ein.
Dieser Vorgang ist nicht etwa nicht umkehrbar. Als selbstreparierendes Organ vermag das Gehirn neuronale Verbindungen zu reaktivieren. Zum Zweck solcher Selbstreparatur existiert die neuronale Funktion des Bewusstseins, gleichsam ein Regler, der neuronale Vorgänge zu verändern vermag. Das Bewusstsein vollzieht sich als jeweils augenblickliche Vergegenwärtigung von Sichten wie: Ansicht, d.i. die kategorisierte Vergegenwärtigung oder Wahrnehmung unter einem ganz bestimmten Aspekt, die Vorsicht, das ist die vorwegnehmende Vergegenwärtigung (Antizipation), die Einsicht, das ist die kategorisierende zusammenfassende Vergegenwärtigung von Wahrnehmungen, die Rücksicht, das ist die Vergegenwärtigung der Bedingung der Möglichkeiten. Jede dieser Sichten wird gefühlsmäßig rückgekoppelt. So wird Einsicht als sogenannter "Aha-Effekt" erfahren, Vor-Sicht und Rücksicht als Sorge und Ansicht als "Abstand" und "Gelassenheit" oder auch als umgekehrtes Gefühl.Vorsicht, Rücksicht, Ansicht beruhen eher auf Erfahrungen oder auf erfahrunsbedingten Modellen als Einsicht, die sich unvoreingenommen ereignen kann. Die einzelnen Möglichkeiten zu sichten, dominieren unterschiedlich "ernsthaft". So kann es geschehen, dass jemand etwas vor lauter Vorsicht plötzlich als vordringlich erachtet, aber aufgrund eines Sichtwechsels dann doch völlig vergisst.

25
Dez
2008

Liebe

Wer von der Liebe in der Vergangenheit sprechen muss, hat sie nie erfahren

Apostel Pauslus "Über die Liebe"

Das Hohelied Salomos

20
Okt
2008

Wenn man will, kann man das sehen

Verstehen können bedeutet tun wollen


Unser Gehirn erledigt ständig mindestens vier Aufgaben zugleich:

1.es ist kritisch, indem es Vorhandenes daraufhin überprüft, wie es sich verbessern oder gar erneuern lässt,
2.es ist kreativ, indem es vorhandene Ideen weiterzuführen und vielleicht sogar auszuführen versucht,
3.es ist ökonomisch, indem es laufende und gespeicherte Abläufe zu vereinfachen und dann in vereinfachter Form erneut anzubieten versucht,
4.es ist aktuell, indem es anstehende Aufgaben oder gar Probleme zu lösen versucht.

Je nach dem, unter welchem Aspekt man die neuronale Aktivität des Gehirns darstellt, kommt man auf eine unterschiedliche Anzahl von Prozessen. Die neuronale Vielfältigkeit ließe sich auch von den neuronalen Funktionen her darstellen und dann könnte man sagen, dass das Gehirn ständig:

1.perzipiert: Außenreize filtert,
2.apperzipiert: ausgefilterte Außenreize in Innenreize überführt,
3.flektiert: Innenreize filtert,
4.reflektiert: ausgefilterte Innenreize bewusst werden lässt,
5.affiziert:äußere bzw. sinnliche Wahrnehmungen fühlt,
6.emotionalisiert: zueinander in Beziehung gesetzte Außen- und Innenreize gefühlsmäßig auf Verträglichkeit hin gefühlsmäßig kommentiert, also Lust oder Unlust erzeugt.

Manche vergleichen die neuronalen Funktionen des Gehirns mit Berufen, und dann ergeben sich beispielsweise wiederum folgende ebenfalls zugleich ablaufende Tätigkeiten.

1.Das Gehirn arbeitet künstlerisch, wenn es Wahrnehmungen komponiert oder Betrachtungen gestaltet,
2.das Gehirn arbeitet philosophisch, wenn es neue Gedanken erzeugt,
3.das Gehirn arbeitet wissenschaftlich, wenn es vorhandene Verhaltens- oder Handlungsmuster und Erfahrungen zu vereinfachen versucht,
4.das Gehirn arbeitet psychologisch, wenn es innere Abläufe kommentiert,
5.das Gehirn arbeitet spielerisch, wenn es Vorhandenes neu arrangiert oder neue Kombinationen ausprobiert,
6.Gehirn entscheidet, wenn es Prioritäten setzt.

Gleichgültig, unter welchem Aspekt man auch die neuronale Aktivität des Gehirns betrachtet und zu welcher Aufschlüsselung man auch gelangt, es bleibt letztlich eine Frage des Geschmacks, wie man das darstellen möchte. Unbefriedigend dabei bleibt die Zufälligkeit der Auswahl, denn es zeigt sich weder eine befriedigende Begründung für die Wahl der Darstellung wie für die Entscheidung über die Anzahl der zu behandelnden Prozesse. Da ein gewisser Grad an Willkürlichkeit nicht abzustreiten ist, drängt sich die Frage auf, ob es denn nicht eine verlässlichere Grundlage gibt, auf der entschieden werden könnte, welche Darstellung wirklich zutreffend ist. Diese Frage lässt sich deshalb sehr leicht beantworten, weil unser Gehirn selbst uns die Möglichkeit anbietet, ihm bei der Arbeit zuzuschauen und das auch zu beschreiben, was es uns beobachten lässt. Das Wissen um diese Möglichkeit ist schon lange bekannt und ist unter dem Begriff der Introspektion in die Geschichte der Wissenschaft eingegangen.1 Introspektion [lateinisch] bedeutet wörtlich Selbstbeobachtung, also die nach innen, das heißt auf das eigene Bewusstseinsgeschehen, gerichtete Beobachtung. Letztlich vollzieht sich das Philosophieren auch als Introspektion, nämlich als das Versprachlichen des Betrachtens der eigenen Gedanken. Dass wir dem Gehirn bei seiner Arbeit zuschauen können, hat vor allem den großen Vorteil, dass wir den Prozess der neuronalen Tätigkeit beeinflussen können. Und da sind wir inmitten der Praxis, denn Introspektion lässt sich nun einmal nicht erklären, man muss diese Beobachtung selbst üben, um sie verstehen zu lernen.

19
Okt
2008

Man kann entweder pünktlich sein oder rechtzeitig ankommen

n der englischen Sprache bezeichnet das Wort "Vision" das Sehvermögen, und in der französischen Sprache steht das Wort "Vision" auch für. Traum) meint  eine vorwärtsgerichtete positive fantasievolle Vorstellung, gleichsam ein  Idealbild von einer noch unbestimmten Zukunft. Visionen zu erzeugen, dass ist eine grundlegende Eigenschaft des Gehirns. das sich bevorzugt an der Zukunft orientiert, um die Gegenwart angemessen angemessen ausrichten zu können. "Gestern war heute noch morgen" zeigt das Wesen des Seins in der Zeit. Der Augenblick ist die einzige Zeit, in der wirklich sein können. Als Raum, der zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt, gestaltet das Gehirn die Gegenwart, indem sie diesen aus Erfahrung auf Bedürfnisse einrichtet. Dieses Einrichten gestalten Lebewesen unterschiedlich. So lebt das Tier in den Tag hinein und erwartet, was da kommen wird. Der Mensch dagegen erwartet dagegen nichts mehr wirklich vom Tag, weil alles vorausgeplant ist. Im Gegensatz zum Tier braucht er nichts mehr zu erleben, insofern in diesem Wort noch so etwas wie das Leben erringen steckt. Weil das Tier keinen Plan hat, braucht es sich auch nicht zu rechtfertigen, weil etwas nicht eingehalten worden ist. Ein Tier kann nicht zu früh oder zu spät zu irgend etwas kommen. Es ist immer rechtzeitig. Die rechte Zeit ist die "Uhr" der Natur. Die technische Uhr zeigt die richtige bzw. rechte Zeit, den rechten Augenblick (kairós) nicht an. Die technische Uhr erlaubt es pünktlich, aber nicht rechtzeitig zu sein. Um das Gehirn zum Schaffen anzuregen, kann man niemals pünktlich sein, aber eben rechtzeitig. Von Natur her kennt das Gehirn durchaus die recht Zeit, also die bevorzugten Augenblicke des Tages, in denen es gern spielt und neue Gedanken ausprobiert. Im Gegensatz zu Menschen, die in der technischen Zeit leben, haben Menschen, die in der natürlichen Zeit leben, Schwierigkeiten, pünktlich zu sein. Okay, man kann entweder pünktlich ein oder rechtzeitig ankommen.
Neben der äußeren Zeit existiert für das Gehirn auch eine innere Zeit, die sich ausschließlich an Ereignissen orientiert. Auf diesen Abschnitt bezogen, bedeutet das, es existiert im Augenblick die Zeit der Vision, also jene Dauer, welche das Gehirn diesem Phänomen schenkt. Die Gedanken, die es während dieser zeit erzeugt, lassen sich gut versprachlichen, solange dies rechtzeitig geschieht. Die rechte Zeit lässt sich erfahren, solange das Denken  und schreiben fließt. Während dieser zeit sollte man sich auch unbedingt darauf beschränken, einfach nur zuzuschauen und aufzuschreiben. Sobald man versucht, diesen Fluss zu stoppen, indem man das Geschriebene prüft, fällt man in eine andere Zeit. In dieser anderen Zeit interessiert sich das Gehirn dann vielleicht dafür, ob es mit seinen Gedanken etwas auch tatsächlich Verwertbares wie eine Art Modell geschaffen hat. Aber es wird dann schwierig, die rechte Zeit des Schaffens zurückzubekommen. Die Zeit der Vision ist dann möglicherweise verpasst, weil eben bereits vorbei. Was für den Schreiber gilt, das gilt selbstverständlich auch für den Leser oder den Hörer. Der Text muss es ihm ermöglichen, rechtzeitig ankommen. Wer einen Text in der falschen Zeit liest, kann ihn nicht verstehen. Er läuft der Zeit gleichsam ständig hinterher, weil er nicht im Augenblick des eigentlich Gedachten sein kann. Als echte Zeit dauert die "Vision" genau so lange, wie dieses Wort braucht, um das, was es als Erscheinung beinhaltet als Sein zu erschließen. Entbergen, das ist ein typischer Ablauf in der rechten Zeit, in der ja auch kein "richtig" oder "falsch" existiert, sondern allein "verborgen" bzw. "unwahr" oder "unverborgen" bzw. "wahr". Die rechte Zeit der Vision besteht in der Klarheit dessen, was hier zur Sprache gelangt. Klarheit aber existiert für das Gehirn allein im Fall der Nachvollziehbarkeit und somit in der Einsicht, wie sich Vision vollzieht. Den einfachsten Fall von Vision lässt sich schaffen, wenn man dem Gehirn ein visionäres Wort schenkt, folglich ein Wort, mit dem es spontan spielen kann, denn schließlich vollzieht sich Vision allein im spontanen Spiel des Gehirns. Das visionäre Wort kann ein Wort sein, aus dem eine Gedicht oder eine Geschichte oder auch eine spontane Unternehmung besteht. Auf den Punkt gebracht: Das Gehirn visioniert, sobald es einen Wort oder Ton hat, mit dem es spielen kann. Um aus dem Wort "Sonnenblume" ein schönes Gedicht zu machen, brauchen Sie eine Vision, konkrete für ein Gedicht geeignete Bilder. 
Versucht man nun ein Wort aus der rechten Zeit in die richtige Zeit zu übersetzen, dann wandelt sich die Frage nach der Erfahrung mit dem, was das Wort inhaltlich bedeutet, in die Frage, wie sich diese Erfahrung modellieren, also als wissenschaftliches Modell darstellen lässt und als begriff fassen, also definieren lässt.Es liegt natürlich nahe, das gleich am Beispiel der Vision zu verwirklichen. Frage zum Schluss dieses Abschnitts: Gehört diese Umsetzung noch zu dem, was das Gehirn mittels "Vision" durchzusetzen trachtet?

28
Feb
2007

Zeit zum Lesen

Pause

27
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel

Das Denken strebt in einen Anfang zurück

Solange das Denken mit möglichen Möglichkeiten spielt, befindet es sich im Nichts, also jenseits allen Seins. Während dieser Befindlichkeit verfügt das Denken über keine sinnlichen oder geistigen Wahrnehmungen. Vorstellungen von irgendwelchem Sein von etwas sind vollkommen unmöglich.

Interessant ist dieses Denken vor allem Sein vor allem auch deshalb, weil es sich ja vor aller Schöpfung vollzieht. Wenn es also ein schöpferisches Wesen vor aller Schöpfung gibt, dann denkt dieses im Nichts bereits das Sein. Aber dieses vor allem Sein vorhandene Wesen vermag nicht nur das Sein im Nichts zu denken, sondern zeigt sich gleichzeitig in der Lage, aus Nichts das Sein hervorzubringen.

Das Denken vor allem Sein ist der Philosophie keineswegs fremd. Und spätestens seit Kant hat dieses Denken auch einen Namen, nämlich 'Denken a priori' oder 'Denken vor aller Erfahrung'. Und uns ist auch das Hervorbringen aus dem Nichts nicht ganz fremd. Wer ein neues mathematisches Gebiet entwickelt und begründet bzw. einen neuen mathematischen Bereich eröffnet, schafft so etwas.

Folglich ist das Nichts nur insofern die vollkommene Abwesenheit von Sein als Sein mit Erscheinen gleichzusetzen ist. Das Nichts beinhaltet gleichsam im Gegensatz zum Sein a posteriori das Sein a priori. Als solches ist das Nichts der Geburtsort aller künstlerischen, philosophischen, mathematischen und technischen Ideen.

Es scheint nun gar nicht so schwierig, auf das Denken a priori zurückzugreifen. Aber handelt es sich wirklich nur um einen Rückgriff oder sind wir auch in der Lage, dieses Denken unmittelbar nachzuvollziehen? Und was denken wir dann, wenn wir a priori denken, also vor allem sinnlich oder geistig vernehmbaren Sein?

Schauen wir uns doch einmal einen solchen Gedanken an. Es handelt sich um den allbekannten Satz der Identität, sehr wahrscheinlich zuerst von Aristoteles formuliert. Dieser Satz lautet "a = a". In Worten: "Jedes Etwas ist sich als dieses Etwas selbst gleich." Aus diesem Satz folgt umgekehrt: "Alles unterscheidet sich voneinander."

Beide Gedanken sind leicht nachvollziehbar, obgleich sie "nichts Konkretes"(!) zum Inhalt haben. Aber handelt es sich tatsächlich um Gedanken und nicht vielmehr um Axiome, über die niemand mehr nachzudenken braucht?

Da wir nicht so schnell eine Aussage finden, die nicht axiomatischen Charakter hat, ersetzen wir das Wort "Gedanke" durch "Axiom". Axiom ist eine Aussage, die von sich selbst her einsichtig ist und keines Beweises bedarf. Wenn wir also weiterhin von Denken sprechen, dann meinen wir axiomatisches Denken.

Als mögliche Möglichkeiten regeln Axiome mögliche Wirklichkeiten. So muss etwas möglich möglich sein, bevor es wirklich möglich sein kann. Das Axiom, das diesen Zusammenhang regelt, lautet: "Etwas geht etwas voraus." bzw. "Etwas folgt auf etwas."

Etwas folgt auf etwas: Augenblick auf Augenblick (Dauer), Schritt für Schritt (Weg) oder x Schritte pro Augenblick (Geschwindigkeit). Die Axiome lassen sich leicht auslegen und anwenden. Es zeigt sich, dass man durch das Spiel mit Axiomen verschiedene Verhältnisse erfassen kann wie z. B. das der Geschwindigkeit. Was sich also erst so vollkommen fern zeigte, erscheint jetzt durchaus nahe liegend.

Wir können diese Grenzüberschreitung aber auch unter dem Aspekt der Natur vollziehen. Die Natur zeigt sich uns in ständiger Veränderung. Entstehen und Vergehen wechseln. Jede Erscheinung ist gleichsam eine Momentaufnahme natürlichen Geschehens. Der Mensch findet sich in dieser ständigen Veränderung nicht zurecht.

Angesichts ständigen Wechsels sucht er eine Bleibe. Die Natur kommt diesem Bedürfnis entgegen, indem sie Veränderungen zeitlich unterschiedlich gestaltet. Auf diese Weise entsteht der Eindruck von Bleibendem. So erfährt der Mensch zwar sein Leben als unaufhörliches Vergehen, aber dieser Schwund vollzieht sich für ihn so langsam, dass es ihm gelingt, sich für eine Weile einzurichten. Das Werden erscheint ihm wie Sein. In dieser Täuschung richtet sich der Mensch ein und nennt dieses Festhalten Dasein. Indem er die Vergänglichkeit des Daseins verdrängt, glaubt er sich fest einrichten zu können. Um diese Art von Einrichtung abzusichern, schafft er sich Systeme, die den Eindruck von Dauer verstärken.

Angesichts des Sterbens wird aber die Vergänglichkeit des Lebens immer wieder augenscheinlich. Statt diese Flüchtigkeit zu bejahen, versucht der Mensch sein Dasein zu verlängern, indem er nach Möglichkeiten sucht, sich über den Tod hinaus einzurichten. So begibt er sich auf die Suche nach Zeichen jenseits seiner Daseinsgrenzen.

Die Vergänglichkeit des Lebens schickt den Menschen also auf die Suche nach Zeichen von Unvergänglichkeit. Mit der Entdeckung solcher Zeichen beginnt seine Geschichte. Die Menschen gestalten im Verlauf ihrer Geschichte die Suche nach ihren Möglichkeiten, Daseinsgrenzen ‘lebend’ zu überschreiten, recht unterschiedlich. Das Bilderleben des Unbewussten zeigt sich dem erwachenden Bewusstsein als Bild-Erleben. Alle Erscheinungen der Natur erfährt es als göttliches Geschick.

Der Alltag des Menschen zu Beginn der abendländischen Kultur wird von der Welt der Götter bestimmt. Der Göttin der Erde obliegt alles, was die Natur an Pflanzen hervorbringt. Sie entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Ernte. Die Göttin der Gerechtigkeit legt fest, was gerecht und ungerecht ist. Die Göttin der Weisheit offenbart die Geheimnisse des Lebens. Sie verfügt über die Möglichkeiten und Grenzen allen Erkennens. Als göttliche Offenbarung beeinflusst der Mythos bis heute das Leben der Menschen. Aus den Welten der redseligen regionalen Götter ist die Welt eines schweigsamen globalen Gottes hervorgegangen.

Die Ablösung des Mythos (Welt der Bilder) durch den Logos (Welt der Begriffe) wirkt sich auf diesen einen Gott maßgeblich bestimmend aus. Dieser Gott zeigt sich nicht mehr unmittelbar in Bildern, sondern offenbart sich mittelbar durch das Wort. Die Worte des Gottes der Christenheit werden in der katholischen Kirche sogar durch dessen Stellvertreter auf Erden geschützt.

Das Erwachen des Bewusstseins durch das Bilder-Leben des Mythos verändert sich zunehmend durch das Bild-Erleben des Logos. Der Mensch beginnt, die gestalterisch ins Werk gesetzten Gestalten seiner Götter nicht nur ästhetisch, sondern auch logisch auszulegen. Mit dem Erwachen der Vernunft erweitert sich das Wahrnehmen und Betrachten zum Beobachten und Begreifen. Indem der Mensch der Göttin der Erde gleichsam bei ihrer Arbeit zuschaut, entdeckt er, dass sie zum Beispiel Überschwemmungen nutzt, um die Ernte der Gottlosen zu vernichten. Indem der Mensch versucht, die Geheimnisse der Göttin der Erde zu entbergen, entdeckt er, dass sie die Flüsse ansteigen lässt, um fruchtbares Land zu überschwemmen.

Wiederholte Beobachtungen zeigen die Regelmäßigkeiten von Überschwemmungen und damit deren Vorhersagbarkeit. Das Fallen und Steigen des Wasserpegels wird berechenbar. Die Göttin der Erde verliert ihren Einfluss. Es sind nicht göttliche Einwirkungen, welche die Flüsse über die Ufer treten lassen, sondern gewaltige Niederschläge. An die Stelle des Opferns für die Göttin der Erde tritt die Berechnung des Verhaltens der Flüsse. Der aufkommende Zweifel an der Macht ihrer Götter treibt die Menschen an, nach natürlichen Erklärungen für das göttliche Wirken zu suchen. Noch erfahren sie diesen Antrieb als Geschenk der Göttin der Weisheit. Für kurze Zeit erklären die Griechen deshalb die Göttin der Weisheit zu ihrer Lieblingsgöttin.

Die Geschichte des Bilderlebens gelangt als Geschichte der Philosophie zum Vorschein. Das Wort 'Philosophie' wird ursprünglich als Gabe der Göttin der Weisheit empfunden. Die Freundschaft mit dieser Göttin erweist sich als Liebe zur Weisheit. Die Liebe zur Weisheit, das ist das maßgeblich Bestimmende der Philosophie geblieben. Allein die Liebe gewährt das unvoreingenommene Betrachten, Beobachten und Begreifen der Erscheinungen so wie sie sind. Die Liebe vereinnahmt nicht, sondern bewahrt die Offenheit für das, was sich zeigt. Um überhaupt versuchen zu können, diesem Anspruch zu genügen, dürfen die Gedanken der Philosophen nicht losgelöst (absolut) betrachtet werden. Die unterschiedlichen Gedanken sind verschiedene Beiträge zu dem, was uns als Bild-er-leben erscheint.

Die Geschichte der Philosophie zeigt sich uns als Wechselspiel zwischen Natur (Werden) und Geist (Sein). Die griechischen Philosophen denken das Sein des Werdens. Ihre Leitfrage sucht nach dem Bleibenden angesichts ständiger Veränderung. Sie entdecken es, indem sie über das sinnlich Vernehmbare (Physik) hinausgehen (Metaphysik) und das denken, was alles sinnlich Vernehmbare ermöglicht. Aus der Metaphysik entwickeln sich Mathematik und Naturwissenschaften.

Der sinnlich vernehmbare natürliche Vorgang erscheint als Ableitung der Regelung des Wachstums aus dem sinnlich nicht vernehmbaren regelnden Naturgesetz.

Der Metaphysik der westlichen Philosophie steht das Nirvana der östlichen Philosophie gegenüber. Das Nirvana östlicher Weisheit ist anders als das Sein westlicher Weisheit nicht das Bleibende angesichts ständiger Veränderung, sondern das Vergehen der ständigen Veränderung selbst. Das Denken dieses Vorgangs prägt alle asiatischen Religionen und Philosophien, sowohl des Hinduismus, des Buddhismus wie des Zen-Buddhismus.

Anders als die Liebe zur Weisheit im Verständnis westlicher Philosophie ist das Nirvana gleichsam das Aufgehen in der Harmonie mit dieser Liebe selbst. Während Fühlen und Denken in der westlichen Philosophie getrennt erscheinen, bilden Fühlen und Denken in der östlichen Philosophie eine Einheit. Aus diesem Grund erscheinen westlich geprägtem Denken die philosophischen Aussagen östlich geprägten Denkens oft eher religiöser als philosophischer Natur zu sein. Östliche Philosophie erscheint als Einheit von Fühlen und Denken als Religion.

Mit anderen Worten: Philosophie und Religion sind für das östliche Denken ein und dasselbe. Nirvana (aus dem Sanskrit) bedeutet »Erlöschen«, »Vergehen«. Nirvana als Verlöschen liegt die Vorstellung des Zur-Ruhe-Kommens einer Bewegung zugrunde, die Vorstellung einer endgültigen Heimkehr in den Urgrund. Das Verlöschen einer Flamme, deren Wachs aufgebraucht ist, ist ein Bild hierfür. Im Buddhismus bedeutet Nirvana vor allem das Verlöschen des Leidens, das aus dem Lebensdurst und den Leidenschaften entsteht. Als drei Ursachen des Leidens gibt der Buddhist die Begierde, den Hass und das Nichtwissen an.

Die östlichen Religionen und Philosophien lassen die Menschen die Rückkehr zum Einen ersehnen, die Vereinigung aller Vielheiten und Versöhnung mit dem göttlichen Urprinzip; und diese Rückkehr ist für den Menschen das Nirvana.

Nirvana als mögliche Erfahrung setzt die Anerkennung der Nichtigkeit des Ichs und die Erkenntnis voraus, dass der Alltag von einer krampfhaften Fixierung auf das Ich bestimmt ist. Es kommt alles darauf an, sich aus dieser Fixiertheit zu befreien.

Metaphysik dagegen hebt das Ich als Subjekt des Denkens hervor und versucht dieses in seinem Denken zu erfassen. Das westliche Denken ist immer ein Ich-Denken. Das östliche Denken ist dagegen immer ein Nicht-Ich-Denken. Das östliche Denken ist der unentwegte Versuch, in den Abstand zu sich selbst zu gelangen, um das Ich in seiner Nichtigkeit zu schauen. Die Befreiung aus der Ich-Haft ist das wesentliche Anliegen östlicher Philosophie. Nirvana vollzieht sich als das Irrelevant-Werden von Gegensätzen.

Metaphysik aber ist von ihrem Grund her auf Gegensätzen aufgebaut, vor allem auf dem Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt. Das östliche Denken verneint diese Gegensätzlichkeit nicht, sondern erfasst sie als Beleg für die Brüchigkeit des Ichs. Aus der Einsicht in die Leere von allem erwächst die Verbundenheit mit allem. Das Aushalten von Leere bedeutet Freiheit, wenn sie nicht mehr auf dem Hintergrund der Sehnsucht nach Sicherheit ausgelegt wird. Wenn die Vernunft nicht mehr anhaftet und alles ergreift, erwacht der Mensch zur Weisheit (Prajna), mit der alle Menschen geboren werden.

Westliche und östliche Philosophie berühren sich: das Nirvana und das Nichtige sind zwei Namen für dieselbe Erscheinung. Aber während in der östlichen Philosophie das Nirvana das Denken maßgeblich bestimmt, erwähnt die westliche Philosophie das Nichtige so selten, dass den meisten dieser Begriff unvertraut ist.

Eine Annäherung an das Nichtige ermöglichen die Begriffe "Nichts" und "Sein". Das Sein ist das allen natürlichen Erscheinungen (Seiendes) Gemeinsame. Als das Wesen alles Seienden erscheint das Sein dem Denken als reine Möglichkeit. Wird das Sein gedacht, dann wird nicht die Wirklichkeit bedacht, sondern deren Möglichkeiten, Wirklichkeit zu werden. Als Abwesenheit aller sinnlich vernehmbaren Erscheinungen lässt sich das Sein insofern auch als Nichts begreifen. In diesem Sinn betont Hegel: Sein und Nichts ist dasselbe. Unter naturwissenschaftlichem Gesichtspunkt erscheint das Sein in der Elementarteilchenphysik als die Einheit von Information und Energie (Zustand vor aller Materie).

Das Seiende ist verwirklichte Möglichkeit der Natur. Das Sein ist die Fülle aller möglichen Wirklichkeiten. Das Nichts zeigt sich dem Denken als Spiel mit wirklichen Möglichkeiten. Das Nichtige dagegen ist der Reichtum aller möglichen Möglichkeiten und so, was die Wirklichkeit angeht, die vollkommene Leere.

26
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (VII)

Das Denken verliert (sich)

Wenn aber die Seitenorientierung fehlt, dann fallen die unterschiedlichen Aspekte der Betrachtung aus. Das neuronale Hypersystem, also das Quartupel von Affektion (intuitive Orientierung aufgrund erfolgreicher Muster), Emotion (gefühlsmäßige Wertung), Intuition (Gespür für Sein) und Interesse (engagiertes Umsetzen) wird nahezu wirkungslos und infolgedessen fällt das Denken aus.

Die Aspekte des vollständigen Gedankens sind:

Muster:
1. Eigenschaften
2. Erscheinung
3. Verhalten
(Vorherrschaft der Natur)

Wert
1. Grund
2. Zweck
3. Aufwand
(Vorherrschaft des Mythos)

Theorie:
1. Ursache
2. Wirkung
3. Überführung
(Vorherrschaft des Logos)

Praxis:
1. Umstand
2. Ereignis
3. Zeitpunkt
(Vorherrschaft der Technik)

Information ist abhängig von dem Denken, das sie aus einer Nachricht bzw. Mitteilung allererst gewinnt. Mit anderen Worten: nicht aus jeder Mitteilung kann eine Information entstehen. Das gilt unabhängig von der Qualität einer Aussage. So können Aussagen der höheren Mathematik eben auch nur von Mathematikern verstanden werden. Und selbst dort, wo man annehmen sollte, dass es ganz entschieden darauf ankommt, dass alle alle Aussagen verstehen, kann niemand gewährleisten, dass Information in jedem Fall initiierend wirkt.

Als neuronale Initiation wirkt Information wie ein Samenkorn, das aufgehen kann oder nicht. Wie sehr die Information von der Situation abhängt, in der sie eintrifft, ist auch dem wortgewaltigen Jeshua bewusst, wenn er das Gleichnis vom Sämann erzählt. „Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg; da kamen die Vögel und fraßen es auf. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten es. Einiges fiel auf gutes Land und trug Frucht, einiges hundertfach, einiges sechzigfach, einiges dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre!“ Die Jünger verstehen nicht, warum ihr Meister in Bildern redet und nicht ‘Klartext’ spricht.

„Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen? Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen, diesen aber ist's nicht gegeben. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht. Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfüllt, die da sagt (Jesaja 6,9-10): Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: ihre Ohren hören schwer, und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe. Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören. Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, was ihr seht, und haben's nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben's nicht gehört.“

Ist Information dadurch vor Missbrauch geschützt, dass sie sich unter gewissen Bedingungen erst gar nicht aus einer Mitteilung erschließt? In der Tat existieren gesonderte Bereiche, die besonderer Information vorbehalten bleiben. So wie man die Sprache eines Landes verstehen muss, um Aussagen erfassen zu können, so muss man in einem Bereich zu Hause sein, um zu verstehen, was dort gesagt wird. Wer in Mathematik oder Philosophie nicht zu Hause ist, kann mathematische und philosophische Aussagen nun einmal nicht begreifen.

Prüfen Sie die Aussagen, die jenen Bereichen entstammen, die für den Anbau von Information zuständig sind. Es sind die so genannten Quadranten:

I. Mögliche Möglichkeit
II. Wirkliche Möglichkeit
III. Mögliche Wirklichkeit
IV. Wirklichkeit

Denken nähert sich der Wirklichkeit an, indem es mit möglichen Möglichkeiten spielt, die gewonnenen wirklichen Möglichkeiten vergleicht und sich für eine davon als mögliche Wirklichkeit entscheidet.

25
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (VI)

Vorschrift statt Tugend

Eine durchgeregelte Gesellschaft interessiert sich unter dem Aspekt des Regelaufwandes allein für die medizinische Definition des Alterns. Schließlich spielt nur eine Rolle, wann ein Mensch auffällig wird, weil er erhöhte Kosten verursacht. Durch die Bevorzugung dieser Version der Altersbestimmung wird der Aspekt des Gewinns von Ressourcen völlig übersehen. Es trifft zwar zu, dass die Ressourcen an Information, die alte Menschen bereitstellen, erheblich mehr kosten, aber dafür sparen sie Unsummen für unnötige ‘Trial-and-error’-Versuche. Mit anderen Worten: Durch die Vernachlässigung alter Menschen bringt man sich um die Quintessenz des Lebens. Die Tradition nennt diese Bilanz beispielsweise „Weisheit“, ein Wort, das gegenwärtig nahezu in Vergessenheit geraten ist.
Der Erfolg menschlicher Existenz wird als solcher durch die vier Kardinaltugenden beschrieben. In dem Wort „Tugend“ steckt das Wort „Tauglichkeit“. Lebenstauglich erscheint, wer sich auszeichnet durch:

Weisheit,
Gerechtigkeit,
Tapferkeit,
Mäßigung.

Höchstwahrscheinlich existiert für jedes Gehirn so etwas wie eine "neuronale Pointe". Aber weder die Existenz dieser Pointe noch deren Aktivität wird bewusst erfahren. Dieser Mangel beruht schlichtweg auf Unkenntnis über die Entwicklung des Gehirns. Manche Naturvölker haben jedoch ein Gespür für diesen neuronalen Höhepunkt des Lebens. Die Menschen ziehen sich dann zurück, um zu sterben, weil sie das als Übergang in ein anderes Leben als Höhepunkt erfahren und nicht verpassen wollen.

Wirklichkeiten erfahren wir unterschiedlich. Alle haben ihre eigenen Bilder. Jeder erlebt seine individuell zurecht gemachte Wirklichkeit. Wir gestalten Wirklichkeit sinnlich wahrnehmend, seelisch empfindend und vernünftig auslegend für uns so, dass wir uns in uns zu Hause fühlen. Jeder wohnt in seinem eigenen verschlossenen Haus. Allein die Türen zu jenen Räumen, welche eigens für Besucher hergerichtet sind, sind nicht verschlossen oder stehen sogar offen.

Nicht wenige haben keine Geheimnisse vor anderen. Alle dürfen alle Räume sehen. Diese offenen Räume werden sogar sehr stolz vorgezeigt. Voller Bewunderung werden die mit größter Sorgfalt gereinigten Räume betrachtet. Voller Staunen lässt sich nirgendwo auch nicht die geringste Andeutung von schöpferischem Chaos entdecken.

Wirklichkeiten, die wir sinnlich, seelisch und vernünftig für uns zurechtlegen, vermögen wir leicht phantasievoll zu gestalten. Die 'Eigenheime' unserer Phantasien und Träume verschönern zwar vielleicht unser Erleben, aber sie befinden sich in einer neuronalen Gegend bzw. Hirnregion, in der kein Leben mehr stattfindet.

Das Leben, welches weder von Phantasien noch Träumen gestaltet wird, sondern so erscheint wie es von Natur aus 'gedacht' ist, entzieht sich unseren Sinnen. Die wahre Natur können wir allein mit dem Auge des Geistes wahrnehmen. Damit sich uns die Natur als solche zu eröffnen vermag, müssen wir sie also denken.

Merkwürdigerweise gilt es im Westen immer noch als etwas höchst Befremdliches, das Denken als eine Art und Weise des Sehens anzuerkennen.

Diese Folge lässt sich nicht sinnlich, sondern allein geistig wahrnehmen. 'Denken' ist ein anderes Wort für 'geistig(es) Wahrnehmen'. In der Geschichte der Menschheit wurden vor allem drei Arten und Weisen zu denken entdeckt: das mythische bzw. religiöse, das philosophische und das mathematische bzw. das naturwissenschaftliche Denken. Die einzelnen Arten und Weisen des Denkens sind im Verlauf der Geschichte auseinander hervorgegangen.

In der Geschichte wird daneben auch zwischen physischen und metaphysischen Arten und Weisen zu denken unterschieden. Metaphysik bedeutet 'jenseits' des physikalisch Erfassbaren. Philosophie und Mathematik zählen demnach zur Metaphysik. Physik erscheint vor allem im Elementarteilchenbreich nicht selten gleichsam als angewandte Metaphysik.

Nicht nur wir und unsere Welt, sondern alle Welten entstehen jeweils aus dem Spiel des Zufalls mit sich selbst. Wir wissen nicht, wie viele Zufälle in welcher Zeit welche Welten entstehen lassen. So wissen wir auch nicht, ob unsere Welt die einzige ist, die durch Zufall entstanden ist. Was wir als wirklich erfahren, das ergibt sich zufällig aus dem, was ursprünglich einmal möglich wirklich war. Wir sind in der Lage, sowohl mögliche Möglichkeiten, wirkliche Möglichkeiten als auch mögliche Wirklichkeiten und Wirklichkeiten denkend zu erfahren.

Die Überführung von Gedanken in Worte verkürzt die Momente des Denkens. Gewöhnlich dienen Worte auch nur der Orientierung. Die 'Umgangssprache' bezeichnet sinnlich Vernehmbares und verhilft so zur Verständigung auf der Grundlage der Wiedererkennung (Identifikation). Jeder versteht den Satz "Ich kaufe auf dem Wochenmarkt ein.". Aber dieses Verständnis hat noch nichts mit Denken zu tun.

Das Problem: Gedanken sind vollendet, sobald sie versprachlicht sind. Worte kommen immer schon zu spät. Worte geben nichts wieder, sondern initiieren etwas. Worte dienen weniger der Verständigung als vielmehr der Orientierung.

24
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (V)

DER DEPP MIT DER SCHEUKLAPPE

Seine kindliche Spielwelt gestaltet sich das Gehirn aus, indem es sich formend, ordnend, fühlend und selbst erfahrend ausprobiert. Diese Proben auf mehr oder weniger zufällige Exempel zwecks Versuch und Irrtum erfahren mit Beginn der Schule eine jähe Einschränkung. Aus dem aufwendigen Sich-Ausprobieren wird eine didaktisch gesteuerte, gewöhnlich wenig aufwendige Bewährungsprobe.

Um sich ausprobieren zu können, muss das Gehirn spätestens alle drei Sekunden folgende Prozesse parallel aktivieren und deren Inhalte im Kurzzeitgedächtnis vergegenwärtigen können:

1. Wahrnehmen
2. Betrachten
3. Werten
4. Auswählen
5. Beobachten
6. Begreifen
7. Probieren
8. Urteilen

Jeder dieser Vorgänge kann neuronal unterschiedlich organisiert sein. Analog zu den Modi des Denkens existieren acht Möglichkeiten neuronaler Organisation:

1. punktuell
2. linear
3. alternativ
4. tabellarisch
5. algorithmisch
6. zirkulär
7. heuristisch
8. modular

Wird nun das Hirn angeleitet, Vorgänge nur zu imitieren statt durch Versuch und Irrtum Erfahrungen zu sammeln, dann verringert sich der neuronal organisatorische Aufwand um etwa drei Viertel. Möglich wird diese „Vereinfachung“, weil Imitationen lediglich auf Wahrnehmung und Identifikation beruhen. Das reicht dann lediglich für punktuelles, lineares, tabellarisches und zirkuläres Denken aus.

Besteht Unterricht vorwiegend aus der Inszenierung von Imitationen, dann entsteht im Gehirn der Trugschluss, dass es sich bei dieser einfachen neuronalen Organisation um den Regelfall handelt. Kommt dieser Trugschluss - eine Art neuronaler Kurzschluss - zustande, dann entsteht in Analogie zum Tunnelblick die Scheuklappe.

Der Tunnelblick ist eine Folge übermäßigen Fernsehkonsums bei Kindern. Solche Kinder können nicht mehr rückwärts gehen. Grund dafür ist die starke Einschränkung des Wahrnehmungsfeldes, durch die eine Seitenorientierung unmöglich wird. Die Einschränkung des Wahrnehmungsfeldes beruht auf dem „Schluss“, dass alle relevanten Ereignisse nur in der Mitte des Wahrnehmungsfeldes stattfinden, eben dort, wo der Fernseher steht. Vergleichbar dazu entsteht das Phänomen „Scheuklappe“. Das Gehirn geht davon aus, dass keine komplexen neuronalen Aktionen mehr stattfinden. Im Umkehrschluss wird nicht mehr komplex neuronal aktiviert.

Dieser Situation entsprechend wird die streng lineare unterrichtliche Organisation gelehrt, gewöhnlich in Form einer Tabelle, wobei in der Regel vier Zeilen für die so genannten Phasen des Unterrichts stehen und die einzelnen Spalten für Zeit, Lehrschritt, Lernschritt, Medieneinsatz usf. Diese unterrichtliche Organisation bezieht sich zwar vorwiegend auf den lehrerorientierten Unterricht, aber da Anfänger ausgerechnet in dieses triviale Planungsverfahren eingewiesen und darin geschult werden, bleiben sie dann später als Lehrer auch dabei. Schließlich braucht dann auch nichts mehr geplant zu werden, wenn die einzelnen Phasen nicht mehr bedeuten als Anfangen, Durchführen, Wiederholen, Beenden.

Seit einiger Zeit gibt es eine verkappte Version lehrerorientierten Unterrichts, das sogenannte Lernen an Stationen oder der didaktische Mini-Markt. An Tischen können sich Lernende auswählen, was sie sich gerade einprägen wollen.

Die Vereinfachung der Vermittlung durch Formalisierung und Standardisierung beschleunigt zwar den Absatz von Information, aber verlangsamt das Erzeugen von Information, ein verhängnisvoller Vorgang, wenn man bedenkt, dass Information den eigentlichen Rohstoff einer Informationsgesellschaft darstellt.

Was geschieht nun eigentlich durch den Scheuklappeneffekt?

Das Gehirn repräsentiert ein selbstorganisierendes System. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation setzt jedoch voraus, dass im Bewusstsein mehr geschieht als bloßes Identifizieren. Nur beim hoch aktivenGehirn geschieht das Zusammenspiel der Teile als Ganzes. Nur das spielende, schöpferische Gehirn wird der natürlichen neuronalen Situation gerecht: Jedes Ganze und dessen Teile zeichnen sich sowohl durch individuelle Strukturen als auch durch autonome Systeme aus.

Die jeweiligen neuronalen Strukturen der Menschen sind aufgrund vorgegebener Möglichkeiten individuell begrenzt. Da neuronale Strukturen vorwiegend im ersten Lebensjahr definiert und vom zweiten bis zum dritten Lebensjahr geprägt werden, entstehen relativ stabile (wenig veränderbare) autonome Systeme. Das bedeutet, dass gut ausgebildete neuronale Strukturen weniger anfällig sind für den Scheuklappeneffekt.

Wesentliche Veränderungen des Verhaltens sind nach der Grundprägung nicht mehr möglich, es sei denn durch Wesensänderung des Systems aufgrund von Krankheit, Unfall oder traumatischer Ereignisse. Aber wesentliche Veränderungen eines definierten Systems bedeuten in der Regel auch wesentliche Einschränkungen, Verluste also.

Der bedingungslose (absolute) Anfang des neuronalen Systems entsteht wie alle natürlichen Systeme durch Zufall. Vor dem individuellen „absoluten“ Anfang existieren keine vererbten Anlagen, die diesen hervorbringen könnten. Vergleichbare Verhaltensweisen zwischen Eltern und Kindern beruhen vielmehr auf Grundprägungen, die durch Nachahmung entstanden sind.

Vor dem absoluten Anfang existiert zwar der Zufall, aber dieser Zufall ereignet sich wiederum relativ zur Natur im Ganzen. Mit anderen Worten: vor jeglicher Geburt existiert eine Einheit von Information und Energie, die durch die Geburt materiell individuell zum Vorschein gelangt. Das gilt für alles Geschehen schlechthin.

Wenn also von Zufall die Rede ist, dann ist dies nur aus der Sicht des Systems zu verantworten, in dem wir uns gerade befinden. Was in unserer Welt als Zufall erscheint, kann in einer anderen Welt durchaus gesetzmäßig geschehen. Zufälle als solche sind folglich Repräsentanten parallel existierender Systeme.

Zufall, das ist ein Prozess. Mögliche gedankliche Möglichkeiten fallen einander zu. Durch dieses Zufallen entstehen mögliche neuronale Verbindungen. Indem eine dieser möglichen neuronalen Verbindungen zu den Grenzen zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit gelangt, versprachlicht sie sich und wird zu einem Gedanken. Durch solche Gedanken entstehen erste Gedankengänge.

Noch einmal: Was einem System als Zufall erscheint, das ist für ein anderes System ein definierter Fall. Wer etwas mit Zufall erklärt, befindet sich zwar an einer systemischen Schnittstelle, aber eben ohne Kontakt zu den Systemen selbst. Das erklärt, warum religiöse Menschen an Möglichkeiten der Begegnung mit dem Göttlichen glauben und diese Begegnung zum Beispiel durch das Gebet herbeizuführen versuchen. Schnittstellen dieser Art existieren allerdings auch innerhalb eines Systems, wenn dieses sich von Grund auf radikal verändert. Eine historisch gewichtige Schnittstelle ist zum Beispiel der Übergang des Mythos zum Logos vor etwa zweieinhalb Jahrtausenden.

Andere wiederum meinen, dass sie als Individuum von Anfang an gleichsam als individuelles neuronales Muster in ihren Möglichkeiten, vernünftig zu handeln, festgelegt sind. Wegen der vorgegebenen Möglichkeiten des Da-Seins sprechen sie von Geschick oder Schicksal. Dieses Bewusstsein wird dann möglicherweise auch noch religiös begründet durch Bilder wie Geschöpfe oder Kinder Gottes. So werden dann im Alltag Ereignisse nicht selten als der Wille Gottes ausgelegt. Problematisch wird diese Auslegung dann, wenn angesichts nicht genutzter Möglichkeiten Schuldgefühle entstehen. Die Medizin unterstützt gegenwärtig den Glauben, dass alles irgendwie vorherbestimmt zu sein scheint. Denn: die Medizin zeigt sich zunehmend mehr in der Lage, körperliche Entwicklungen genau vorherzusagen bzw. den Verlauf des Alterns eines Menschen zu antizipieren. Hierbei kommt es dann sogar innerhalb der Naturwissenschaften zu einander diametral entgegengesetzten Ergebnissen. So ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO alt, wer das 65. Lebensjahr vollendet hat. Nach der Definition der Hirnforschung dagegen gilt als alt, wer keine neue Information mehr erzeugt. Das neuronale Alter ist nahezu unabhängig vom biologischen Alter. Allerdings unterscheidet sich das neuronale Altern wesentlich vom biologischen Altern. Während das körperliche Altern durch fortwährenden Zerfall gekennzeichnet ist, vollzieht sich das Altern des gepflegten Gehirns als zunehmende Stabilität neuronaler Vernetzung.

23
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (IV)

An die Stelle der Wahrheit tritt das Recht.

Durch diesen Paradigmenwechsel verändert der Mensch die Gestaltung seines Daseins grundsätzlich. Er orientiert sich nicht mehr philosophierend, sondern paragrafierend. Die Frage nach dem Wesen wird zur Frage der Rechtsauffassung. Die Juristen treten an die Stelle der Philosophen.

Diese Wandlung geschieht als "Umwertung aller Werte". Nicht der Mensch ist das Maß aller Dinge, sondern alle Menschen messen sich an den Dingen, die sie sich leisten können oder eben auch nicht. Werte gehen immer mehr in gesetzlich kontrollierbaren Normen auf, Regeln werden mehr und mehr durch Gesetze definiert und Verstöße lassen sich so leichter und schneller sanktionieren. Im Alltag helfen Verordnungen, Verhalten zu vereinheitlichen. Veränderungen werden durch Erlasse kundgetan. In einer durch und durch geregelten Gesellschaft lässt sich 'Freiheit' leicht inszenieren, ohne dass jemand bemerkt, dass sie fehlt. Innerhalb vorgegebener Ordnungen darf ja jeder tun und lassen, was er will.

In einer durchgeregelten Gesellschaft wird der Fortschritt vom Markt bestimmt. Bildung haben bedeutet gute Produkt- und Absatz-Ideen haben. Und erfolgreich erzogen ist, wer erfolgreich, also vereinfacht genug kommuniziert und angemessen konsumiert.

Von den Gleichmachereien durchgeregelter Gesellschaften sind alle Schulen betroffen. Eine standardisierte Gesellschaft kann sich Schulen ohne vereinbarte Standards nicht leisten. Also werden auch alle Bildungseinrichtungen durch und durch standardisiert, um sie schnell vergleichen und reglementieren zu können. Auf diese Weise lassen sich besondere Leistungen als nachwachsende produktive Ressourcen einfach erkennen und dem Produktionskreislauf zuführen.

Trotz des Verlustes der Selbständigkeit fühlen sich gläserne Bürger einer digitalisierten Demokratie sehr behaglich. Alles mundgerecht Aufbereitete ist sehr leicht verdaulich. Die Probleme der anderen werden geschickt ausgeblendet und gönnerhaft an zahlreiche Hilfsorganisationen delegiert. Ab und zu ist man mit einer Spende oder bei einem Benefizkonzert dabei. Gleichzeitig wird das Service-Angebot verbessert und ständig erweitert. Selbst hartgesottene Service-Muffel wie gewisse Beamte erstrahlen lächelnd in geschulter Freundlichkeit. Als müsse es auch Schutzzonen geben, wird dagegen an vielen Schulen noch immer der rauhe Ton nach Art „Apokalypse now“ gepflegt.

Würden nun besagte vernünftige Beobachter verschiedene Epochen vergleichen, dann würden sie feststellen, dass unsere Zeit keineswegs die schlechteste aller Geschichten der Geschichte inszeniert. Es sind zu allen Zeiten die wissenschaftlichen, künstlerischen, politischen oder sozialen Stars unter den Menschen, die andere über ihr tagtägliches Einerlei hinwegtrösten und manches Mal auch ein klein wenig hinweghelfen. Für manche werden sie zu Vorbildern, die zeigen, dass es auch andere Linien des Lebens gibt als den Durchschnitt. Bei genauerer Betrachtung halten nur wenige die Welt in Atem und am Leben. Es sind die gegen Überkommenes besonders resistenten Menschen.

Dass aber diese noch so wirksamen Menschen nicht ausreichen, beweist die gedankenlos fortschreitende Zerstörung unseres Planeten. Es müssen sehr viele Menschen erreicht werden, um das Verschwinden der Natur aufhalten zu können. Das bedeutet eine globale Veränderung der Haltung, was das Nutzen natürlicher Ressourcen angeht. In der Regel streben Menschen vor allem nach Glück, und sie versuchen alles abzuwehren, was sie daran hindert. Tatsächlich aber ändert nicht das unser Verhalten, was uns glücklich macht, sondern das, was uns unmittelbar bedroht. Solange es uns einigermaßen gut geht, sehen wir keinen Grund uns zu ändern. Vom größeren Glück träumen wir eher als dass wir es tatkräftig zu erreichen versuchen.

Nun würden vernünftige Wesen unseren Überlegungen entgegenhalten, dass wir diese genau dort anstellen, wo in der Regel schon längst alles zu spät ist. Diese Wesen würden uns vorwerfen, dass wir im Sommer diskutieren, was wir im Frühling hätten säen sollen. Das nämlich, was wir beschreiben, bezieht sich auf längst durch Erziehung maßgeblich beeinflusstes Leben, folglich auf neuronale Lebenspläne, die letztlich festgeschrieben sind. Vollkommen anders verhält es sich aber in einem Lebensalter, das noch mehr offene als angepasste neuronale Strukturen aufweist. Es ist das Alter, in dem unsere Kinder die Grundschule besuchen. Vor allem im ersten Grundschuljahr wirkt die kindliche Spielwelt noch sehr stark ein auf die sich beginnende Ausprägung fester Denkstrukturen. Und genau innerhalb dieses Entwicklungszeitraumes werden entscheidende Fehler gemacht.

22
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (III)

Die Leichtfertigkeit des Seins

Würden vernünftige Wesen das Treiben der Erdbewohner betrachten, dann kämen sie zu dem Schluss, dass es sich um recht fröhliche, weil unbekümmerte Leute handelt. Zu ihrem großen Erstaunen würden sie feststellen, wie die natürlichen Ressourcen der Erde verschleudert werden. Riesige Urwälder werden aus Profitgier abgeholzt, die Veränderung des Klimas lässt die Gletscher schmelzen, unzählig viele Pflanzen- und Tierarten verschwinden, weil ihnen die Lebensräume gestohlen werden. Die Erdbewohner setzen alles daran, ihren eigenen Lebensraum zu zerstören. Wo es Kriege nicht schaffen, dort hilft der Fortschritt nach.

Würden sich vernünftige Wesen aufmachen, um die Ursachen solcher Zerstörungswut ausfindig zu machen, so würden sie sehr schnell entdecken, dass die Erdbewohner über Einrichtungen verfügen, in denen sie ihren Nachwuchs darin schulen, sich die Erde auf habgierigste Weise untertan zu machen. Die Erziehung zu solcher Ausbeutermentalität wird dabei nicht einmal bewusst, sondern ist die Folge ebenso gut gemeinter wie dummerhaftiger Verhaltensregeln.

Diese Gedankenlosigkeit hat eine sehr lange Tradition. Über ihre Ursprünge lässt sich trefflich streiten. Die einen betrachten den Verlust religiösen Empfindens als den Anfang vom Ende, die anderen sehen in der Preisgabe philosophischen Denkens den Aufbruch in eine zunehmend gedankenlosere Welt. Und wiederum andere sehen gerade in Religion und Philosophie die Wurzeln allen Übels.

Vernünftige Wesen würden hoch wahrscheinlich weder Theologen noch Philosophen anerkennen. Diese Wesen würden uns jedoch zugestehen, dass es immer sehr viel einfacher ist, die Verantwortung an ferne Ideologien zu delegieren, weil sich dann niemand um das Nächstliegende zu kümmern braucht.

Aber andererseits ist das, was wir gegenwärtig erleben, entscheidend durch den Verlust der Leidenschaften des Religiösen und des Denkens geprägt. So ist an die Stelle der philosophischen Frage nach dem Wesen die Frage nach dem Recht getreten. Die Frage lautet nicht mehr "Was ist wahr?" sondern "Wer hat Recht?"

21
Feb
2007

Vom vernunftbegabten Lebewesen zum Simpel (II)

Bärendienst

Es war einmal ein armer Holzfäller, der in einer kleinen Hütte tief im Wald lebte. Eines Tages fand er ein kleines, schwer verletztes Bärenjunges. Der Holzfäller nahm es mit in seine Hütte und zog es auf.

Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Der längst erwachsene Bär ist geblieben und bewacht seitdem die kleine Hütte oder den Holzfäller, wenn er unterwegs ist.
Im Augenblick sitzt der Holzfäller auf der kleinen Bank vor der Hütte und hält Mittagsschlaf. Da setzt sich eine freche Fliege zum wiederholten Male mitten auf seine Nasenspitze. Der Bär holt mit seiner großen Pranke aus und schlägt mit aller Kraft zu. Die Fliege ist tot, der Holzfäller auch.

Diese Geschichte ist gemeint, wenn von Bärendienst die Rede ist. Auch das Wort Pädagogik erzählt eine analoge Geschichte. Pädagogen, das waren ursprünglich Sklaven, welche die Kinder der reichen Athener zum Unterricht führten. Das griechische Wort „Pädagoge“ bedeutet deutsch „Kinderbegleiter“. Später begleiteten Pädagogen Kinder nicht nur zum Unterricht, sondern durften diese selbst im Auftrag unterrichten. Pädagogen sind heutzutage immer noch Leute, die Auftragsunterricht erteilen, nur dass sie das längst im Staatsdienst tun. Pädagogen sind Lehrer und Erzieher zugleich, denn der eine Prozess ist ohne den anderen nicht zu bewältigen.

Der Staatsdienst hat nun mit dem Bärendienst gemeinsam, dass er das Gegenteil von dem erreicht, was er bezweckt. So schickt er Pädagogen in überfüllte Klassen und fordert von ihnen, dass sie Kinder und Jugendliche individuell unterrichten und erziehen. Die Vermassung von Unterricht führt eher zur geistigen Sterbehilfe als zur Lebenshilfe. Psychisch bzw. geistig tot, das bedeutet, dass das Gehirn außerhalb von Identifikationen keine neuronalen Verbindungen mehr schafft. Die neuronale Reduktion des Gehirns darf nicht isoliert von den gesellschaftlichen Bedingungen betrachtet werden. Wir wollen diese Betrachtung mit hinreichendem Abstand einmal unter dem Aspekt eines Besuchers unserer Erde durchführen.
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Seit 20 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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