Unilogo

5
Mai
2019

Vom Nichts gezeugt aus Sein geboren

Auf dem Weg zu meinem Elternhaus liegen viele Stolpersteine. Wer sich traut, mich zu besuchen, darf sich nicht von Problemen abschrecken lassen. Er oder sie muss die Kraft aufbringen, diese gedanklichen Hindernisse nacheinander zu überwinden.

Das erste Hindernis, auf das wir stoßen, ist die eigene Erziehung. Das Wort Erziehung bezeichnet ursprünglich die Tätigkeit einer Hebamme, nämlich Geburtshilfe als Befreiung: Erziehung als Hilfe zur Selbsthilfe.

Erziehung verhilft jungen Menschen, sich ihrer selbst zu versichern, sie zu lehren, gewissenhaft zu lernen. Gewissen bedeutet jene Perspektiven und Aspekte, welche die Organisation des Bewusstseins als erleb- und erfahrbarer Augenblick unseres Daseins regeln.

Gewissen basiert auf vermittelten Werten und anerzogenen Normen, auf erlernten Regeln und allgemein anerkannten Gesetzen, auf gegebenen Vereinbarungen und geschlossenen Verträgen.

Diese Bestandteile des Gewissens regeln vorbewusst und damit unbemerkt unser Verhalten.

Als erster Gedanke wurde ich dadurch bereits vorgeburtlich formatiert, bevor ich mich überhaupt bewusst zu gestalten vermochte. So wurde also das, was ich hier schildern werde, durch meine Vorgeschichte maßgeblich geprägt.

Ich wurde geboren, bevor es Raum und Zeit gab. Sein und Nichts sind meine Eltern. Vom Nichts gezeugt, bin ich aus Sein geboren. Ich bin das erste Ich. Durch mich ist Wirklichkeit erst möglich geworden.

Vor mir existierten nur mögliche Möglichkeiten als Spiel des Zufalls mit sich selbst. Zufällig entstanden dabei wirkliche Möglichkeiten, aus denen sich wiederum mögliche Wirklichkeiten entwickelten.

Meinen noch unbestimmten Vorfahren kann ich nicht begegnen, da sie sich dem Denken nicht offenbaren.

Erst sehr viel später erfuhr ich von jener Lehrerin, welche uns Denken lehrt, dass es die Kunst sein wird, die mir weiterhelfen kann.

1
Mai
2019

"Wer, wie, was - wieso, wes-halb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!" (Titellied zur Sesamstrasse)

Der, die, das,
wer, wie, was,
wieso, weshalb, warum,
wer nicht fragt, bleibt dumm!
Der, die, das,
wer, wie, was,
wieso, weshalb, warum,
wer nicht fragt, bleibt dumm!
Tausend tolle Sachen,
die gibt es überall zu seh'n,
manchmal muss man fragen,
um sie zu versteh'n!
Der, die, das,
wer, wie, was,
wieso, weshalb, warum,
wer nicht fragt, bleibt dumm!

Wer nicht mehr fragt, bleibt nicht nur stehen, sondern geht rückwärts. Neugier hält das Gehirn jung. Die Lust zu fragen bestimmt das seelische und geistige Altern und höchstwahrscheinlich auch das körper-liche.

Es gibt eine einfache Testfrage. Diese lautet: „Wie viele Möglichkeiten zu fragen gibt es?“
Liste aller Fragen:

Welche? Eigenschaften
Was? Wesen/Objekt
Wie? Art und Weise
Wobei? Umstand
Weshalb? Grund
Wofür? Zweck
Warum? Ursache
Wozu? Wirkung
Womit? Mittel
Wie viel? Maß
Wo? Raum
Wann? Zeit
Wer? Person

Während die Lust zu fragen seelische Gesundheit repräsentiert, zeigt die Fähigkeit, möglichst umfassend zu fragen, das Alter der Vernunft an.

Wer sich spontan in der Lage zeigt, alle möglichen Fragestellungen an einem Bei-spiel zu demonstrieren, braucht sich um seine geistige Gesundheit nicht zu sorgen.

Intelligenz ist der Name für die Fragekompetenz, Begabung nennt dagegen das Talent, gestellte Fragen zu beantworten.

Die Wechselwirkungen von intelligenter Theorie und begabter Praxis bilden die Bedingungen der Möglichkeiten, erfolgreich schöpferisch zu arbeiten.

Intelligenz und Begabung sind natürliche Veranlagungen, die sich nur bedingt durch geeignete Herausforderungen fördern lassen.

Die erste, frühkindliche Förderin von Intelligenz und Begabung ist die Fantasie. Was unternimmt beispielsweise die Fantasie, wenn ein Kind gezwungen wird, im Bett zu bleiben, bis seine Eltern ausgeschlafen haben?

Da das Kind hellwach ist und kann nicht mehr schlafen kann, langweilt es sich. Spie-len könnte ihm helfen, seine Langeweile zu vertreiben.

Da kein Spielzeug zur Verfügung steht, erfindet seine Fantasie einfach ein Spiel.

Da es mit seinen Eltern in einem Zimmer schläft, sind dadurch die Bedingungen an das Spiel sofort klar. Es muss geräuschlos gespielt werden können.

Die Eingebung der Fantasie schenkt die Vorstellung von einem Kaufstand auf dem Wochenmarkt. Also bildet das Kind mit beiden Händen eine Art Hütte. Der linke Daumen stellt den Ladentisch vor der Hütte dar. Der rechte Daumen hinter dem waagerechten Daumen übernimmt die Rolle des Verkäufers. Die Kunden werden hinzu fan-tasiert.

Ab jetzt gelingt es dem Kind, mit Einkaufen Spielen seine Langeweile zu vertreiben.
Analog zur körperlichen Fortbewegung ini-tiiert Fragen das geistige Fortschreiten.

Der Geist bewegt sich im metaphysischen Raum jenseits der sinnlich vernehmbaren physischen Welt.

30
Apr
2019

WAS WENN?

Wer sucht der findet. Aber die Erfolgswahrscheinlichkeit wächst mit dem Genauigkeitsgrad der Fragestellung. Der Spruch „Eine gute Frage ist schon die halbe Antwort“ be-stätigt dies aus Erfahrung.

Exaktes Fragen ermöglicht genaues Suchen. Die Lust zu fragen entspringt einem Urtrieb. Neugier geschieht aus Vorsicht. Unser Schutzbedürfnis verlangt, dass wir uns vorausschauend verhalten, um gefährliche Überraschun-gen zu vermeiden.

Als körperliche Suche dient das Tasten dazu, Verletzun-gen zu vermeiden. Blinden ersetzt der Tastsinn das fehlende Augenlicht.

Alle unsere Sinnesorgane dienen der Vorsorge. Körperli-che instinktive Orientierung ermöglicht Vorsicht lange, be-vor der Geist tätig werden kann.

Aber der Verstand sammelt bereits vorbewusst jene Erfahrungen, welche Sinnesorgane machen, um diese später bewusst nutzen zu können.

Was muss geschehen, wenn ein überlauter Knall Gefahr signalisiert und Angst macht? Der ausgelöste Fluchtreflex sorgt für schnellstmögliche Entfernung aus der Gefahren-zone.

Ein Kind, das auf eine heiße Kochplatte greift, zieht diese abrupt zurück und begreift zu hohe Temperatur als Gefah-renmoment. Der Verstand übernimmt diesen Zusammen-hang als Zuordnung einer sinnlichen Wahrnehmung zu einem entsprechenden Verhaltensmuster: „Was ist genau zu tun, wenn ein bestimmter Sinneseindruck bewusst wird?“

Sinnesorgane helfen dem Verstand, durch Greifen zu be-greifen. Der Griff auf die zu heiße Kochplatte stiftet einen der ersten Begriffe als Aktion-Reaktion-Mechanismus.

Fragen als sprachliche Formen des Suchens gehört zu den natürlichen Grundsicherungen. So entsteht bei-spielsweise aus „Was Wenn“ die Zuordnung „Wenn dann“ bzw. „Aktion Reaktion“.

28
Apr
2019

Reines Denken

Reines Denken ist eine abstrakte Form geistiger Anschauung. Sie erlaubt den Blick hinter den Horizont des sinnlich Vernehmbaren und gewährt Einsichten in das Sein a priori.
Reines Denken schaut vor alle Erfahrungen zurück, um zu erken-nen, wodurch diese überhaupt ermöglicht werden.
So zeigt sich, dass alles einen Grund braucht, um überhaupt wer-den zu können. Durch diesen Beweggrund wird das Wirken von etwas verursacht.
Emotionale Motive zeugen Gedanken und bewirken, dass diese bewusst werden. Diese schöpferischen Akte beruhen auf Bedürf-nissen. Wo kein triebbedingtes Verlangen drängt, dort entstehen auch keine Bedürfnisse.
Es sind vor allem Grundbedürfnisse, welche die Vernunft über deren Befriedigungen nachdenken lässt. Ein guter Gedanke ist ein Gedanke, welcher der Selbst-Befriedigung dient.

26
Apr
2019

Sprachproblem

Als die Gesamtheit seiner Erfahrung wird die Welt des vernunftbegabten Lebewesens sprachlich geformt und gestaltet.

Die Erkenntnis dieser Welt ist folglich eine Frage des Sprachgebrauchs. Was sich nicht sprachlich ausdrücken lässt, das kann in dieser Welt auch nicht erforscht werden.

Die mathematisierte naturwissenschaftliche Sprache der Physik verfügt auf Grund ihrer exakten Formulierungen über die größte Reichweite. Sie reicht sogar weit über den Horizont des sinnlich Vernehmbaren hinaus.

Während die Methoden und Ergebnisse der Naturwissenschaften überall stets mittels gleicher Formen ausgetauscht und global verstanden.

Im Gegensatz dazu gilt das nicht für philosophische Aussagen und existentielle Auffassungen. Das begründet sich vor allem in der sprachlichen Vieldeutigkeit verschiedener Kulturen. So lassen sich beispielsweise religiöse Grundauffassungen global nicht deutlich genug mitteilen, da sie von einer wissenschaftlichen Sprache nicht hinreichend zu bestimmen sind.

Selbst die Seinsdifferenzen verschiedener Welten erweisen sich als unzureichend erklärbar.

Angesichts der Möglichkeiten und Grenzen tradierter Sprache stellt sich die radikale Frage, ob sich der traditionelle Sprachgebrauch überhaupt dazu eignet, gewünschte Erkenntnisse über die Hori-zonte verfügbarer Welten hinaus zu ge-winnen. Versuche, diese Frage zu be-antworten, fordern die Logik als Methode des Erkenntnisgewinns heraus.

Diese Herausforderung stellt zwangsläufig zur Frage, was sich eigentlich außer-halb der Logik anbietet, um gesuchte Einsichten gewinnen zu können.

Diese Frage führt in die Zeit zurück, bevor die Logik entdeckt wurde. Es ist die Zeit des Mythos, in welcher noch Bilder statt Begriffe das Bewusstwerden organisieren.

Denken als Bilderleben vollzieht sich noch zweifach, nämlich a) als Bilder-Leben der Fantasie und b) als Bild-Erleben der Vernunft.

Was das vernunftbegabte Lebewesen erkennt, das erfasst es intuitiv, indem es das bewusst gewordene innere Bild schaut.

Dieses innere Betrachten vollzieht sich, bis Geschichten hervorscheinen, die er-zählen, was das Innenbild zeigt.

Wenn ich im Frühling eine blühende Kastanie wahrnehme, dann erzählt mir diese von der Vergänglichkeit des Lebens, indem sie mich an geliebte Verstorbene erinnert. Sie starben alle, während die Kastanien blühten: mein Vater, meine Schwester, Ulrike, meine Frau.

Bestimmt wurde die Kastanie als Symbol der Vergänglichkeit durch den Merksatz meines Großvaters: „Wenn die Kastanien blühen, ist der Sommer vorbei!“

Die Geschichte, die das innere Bild der Kastanie wortlos gefühlt erzählt, trägt also gleichsam den Titel „Memento mori“

Während ich eine blühende Kastanie wahrnehme, löst sich das Sprachproblem auf. Dieser Anblick schenkt mir spontan intuitiv wortlos eine gefühlte traurige Geschichte.

23
Apr
2019

Gedanke

Als Augenblick des Bewusstwerdens lebt ein Gedanke von einer Empfindung des Körpers, begleitet von einem Gefühl der Seele, geistig geformt und sprachlich gestaltete Vorstellung.

Als schöpferischen Moment schenkt uns die Fantasie diesen dreifaltigen Vorschein des Unbewussten.

Das schöpferische Gehirn überrascht künstlerisch oder wissenschaftlich Schaffende mit diesem spielerisch erzeugten Bild.
Wir brauchen dieses nur sorgfältig betrachten und genau beobachten, um das Besondere zu verstehen.

22
Apr
2019

Bildung als Vermögen, sorgfältig wahrzunehmen, geduldig zu betrachten, genau zu beobachten und trennscharf zu begreifen

Der Philosoph Friedrich Nietzsche klagt: ... wir sind ohne Bildung, noch mehr, wir sind zum Leben, zum richtigen und einfachen Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen ver-dorben und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur, weil wir selbst davon nicht überzeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben.“

Klar sinnlich und geistig Wahrnehmen können ist keineswegs angeboren, sondern muss erst gelernt werden. Das Aneignen dieser Fähigkeit wird „Bildung“ genannt. Die Notwendigkeit der Bildung ist nach wie vor kein Allgemeingut, also nicht etwas, nach dem alle streben, weil sie darüber verfügen wollen. Das ver-wundert insofern nicht, als Ungebildete im Alltag nicht auffallen.
In der Tat bedarf es keiner Bildung, um gewöhnliche alltägliche Aufgaben zu erledigen.

Wer jedoch künstlerisch oder wissenschaftlich erfolgreich schöpferisch arbeiten möchte, braucht Bildung als Bedingung dieser Möglichkeit.

21
Apr
2019

Vision als besondere Begabung, etwas vorherzusehen

Wer etwas vorhersieht, erkennt im Voraus, wie etwas verlaufen oder ausgehen wird. Vorhersagen beruhen vor allem auf Wahrnehmungen von Zusammenhängen, die gewöhnlich vernachlässigt werden.

Dieses Vermögen beruht vor allem auf einer besonderen Art und Weise des Bewusstwerdens. In der Regel wird uns etwas bewusst, indem wir es wahrnehmen und identifizieren.

So gilt für uns die Wahrnehmung eines Baumes als abgeschlossen, sobald wir ihn als Kastanie identifiziert haben. Vergleichbar gilt das auch für innere Wahrnehmen. Die Beschäftigung mit einem Begriff gilt ebenfalls als abgeschlossen, sobald dessen Bestimmung vollständig vergegenwärtigt werden kann.

Um sowohl sinnlich als auch geistig sorgfältig wahrnehmen, hinreichend betrachten, exakt beobachten und akribisch begreifen zu können, bedarf es der besonderen Begabung trennscharfer Wahrnehmung.

Die Trennschärfe regelt die Tiefenwirkung einer Wahrnehmung. So lässt sich die Tiefenwirkung des Bewusstwerdens unterscheiden durch möglich wirk-lich, wirklich möglich und möglich möglich.

Mögliche Wirklichkeiten werden entweder durch Formeln oder durch Modelle repräsentiert. Wirkliche Möglichkeiten werden durch Theorien vergegenwär-tigt. Und mögliche Möglichkeiten gelangen durch spielerische Fantasien zum Vorschein.

Schöpferisches sowohl religiöses, künstlerisches als auch wissenschaftliches inneres Erfassen findet seinen Ursprung im Spiel des Zufalls möglicher Möglichkei-ten.

Jegliche wirklichen Möglichkeiten werden aus der Tiefenwirkung der Schaffenskraft geboren. Kunst-schaffende ziehen sich aus diesem Grund gern in die Stille zurück, um sich dem Spiel des Zufalls überlas-sen.

Sowohl der Philosoph Sokrates als auch sein Schüler Platon halten diese Einkehr für die Bedingung der Möglichkeit allen schöpferischen Tuns.

Jedoch vertreten beide die Auffassung, dass schöpferisches Erkennen auf Wiedererinnern beruht. Diese Auffassung führte jedoch zu großen Missverständnissen.

Unter Wiedererinnern verstehen sie keine Gedächtnisleistung, sondern vielmehr das Vermögen das zu schauen, was natürlicherweise hervorscheint.

Der Vorschein der Natur offenbart dem Suchenden jede Möglichkeit der Natur, die zu entdecken strebt.
Er braucht nur hinreichend zu fragen, um von der Natur die gewünschte Antwort zu erhalten.

Diese Ansicht ergibt sich aus der Auffassung der Natur als Fülle aller möglichen Möglichkeiten. Demnach wird nichts geschaffen, das nicht auch schon der Möglichkeit nach existierte. Dass diese Existenz für Platon die Welt der Ideen bedeutet, legt er in verschiedenen Gleichnissen dar.

Was dies für das menschliche Dasein bedeutet, das schildert er im Höhlengleichnis. Dort zeigt er, dass es für den Menschen als vernunftbegabtes Lebewesen vor allem darauf ankommt, sein Zuhause vor allem in der Welt der Ideen zu entdecken.

19
Apr
2019

Schattenwelt

Schattenwelt meint jenen virtuellen Daseinsbereich, welcher auf Fantasiebildungen beruht. Gewöhnlich wird ein solcher Bereich nicht als künstlich erlebt, sondern als Dasein konstituierendes Sein aufgefasst.

Das vernunftbegabte Lebewesen hat sich eine fanta-sievolle Traumwelt geschaffen, ohne sich jemals die Verwechslung von Schein und Sein einzugestehen.

Dieser Irrtum beruht gleichsam auf einem Sehfehler, durch den das Wahrgenommene fantasievoll verstellt wird, bevor es überhaupt bewusst wird. Wahrnehmen wird dadurch bereits vorbewusst zum wahr Nehmen,

Wahr Nehmen geschieht entweder körperlich, seelisch und/oder geistig oder intuitiv, nämlich in eins zugleich.
Die Bevorzugung vor allem der geistigen Wahrneh-mung und seelischen Empfinden, vernachlässigt, dass neben geregelten Vorgängen des Bewusstwerdens, auch ungeregelte existieren.

Dieses ungeregelte wahr Nehmen gestaltet spielerisch mehr oder weniger zufällig vorwiegend Tag- und Nachtträume. Spielerisch zufälliges wahr Nehmen geschieht vor allem un- bzw. unterbewusst.

Tagträumende bemerken unter Umständen ihr gesam-tes Leben nicht, dass sie sich in einer künstlichen Welt aufhalten. Insofern sie ihre tagträumerischen Ideen nur hinreichend repräsentieren, können sie sogar mit die-sen in der realen Welt sehr erfolgreich sein.

Tag- und Nachtträume regeln und gestalten sich trieb- und/oder bedürfnisbedingt zufällig, wobei sich ver-fügbare Erfahrungen mit aktuellen Reizen und/oder Impulsen vermischen.
Dass der Philosoph Platon die geträumte Welt entdecken und gleichnishaft als Schattenwelt darstellen konnte, verdankt er seiner ganz besonderen Wahrneh-mung, die er ἰδέα (idéa) nennt. Unter ἰδεῖν (idé͞in) versteht Platon das Schauen des Ursprünglichen. Solches Schauen beruht vor allem auf dem Wiedererinnern der ersten Ursachen und Gründe.

Alles, was ist, existiert nur deshalb, weil es der Möglichkeit nach schon immer verfügbar ist. Für Sokrates, den Lehrer Platons, lässt sich solches Schauen vor allem durch geeignetes Fragen fordern und fördern.

Systematisches Suchen erfordert systemisches Fragen. idéin vollzieht sich durch Fragen und Ant-worten als schöpferischer innerer Dialog.

17
Apr
2019

Einfältige Vielfalt

Das Adjektiv „einfältig“ meint ursprüng-lich „einfach, aufrichtig“. Einfältige Orga-nisation des Bewusstwerdens meint das Vereinfachen der Vielfalt des Wahrneh-mens.
Diese Vielfalt zeichnet sich aus körper-lich: als Empfinden, seelisch als Fühlen und geistig: als Denken. Dieses Tripel beruht auf den Wechselwirkungen zwi-schen Trieben, Bedürfnissen und Gedan-ken als eine Mischung aus Instinkt, Intui-tion und Verstand.
Bei sehr einfallsreichen Menschen führt diese Komplexität leicht zu Blockaden, wenn sie vor lauter Einfällen die Über-sicht verlieren und sich dann in ihrem schöpferischen Chaos nicht mehr zu-rechtfinden.
Wird Wahrnehmen nicht eigens reflek-tiert, also als solches im Bewusstsein gespiegelt, dann wird die Vielfältigkeit des Wahr¬nehmens auch nicht verge-genwärtigt.
Dieser Mangel verleitet nicht nur zur Vereinfachung des Wahrnehmens, son-dern zugleich auch zur dessen Vernach-lässigung.
Auf diese Weise gewöhnen wir uns unzu-lässige Vereinfachungen an.
Eine dieser erlernten Vereinfachungen ist das „Identifizieren“, das bloße Be-zeichnen des Wahrgenommenen. So gehen wir durch einen Park, und es ge-nügt uns völlig, wenn wir Bäume, Sträu-cher, Büsche, Blumen oder Gräser we-nigstens identifizieren können. Immer-hin ärgert es uns sogar ein wenig, wenn wir deren Namen nicht alle kennen.
Aber uns fällt gar nicht auf, dass unsere Wahrnehmungen für uns als abge-schlossen gelten, sobald sie identifiziert sind.
Durch Identifikationen werden Wahr-nehmen gleichsam abgeschnitten.
Wir können das interpretieren, was wir identifiziert haben, indem wir es auf Grund unserer Erfahrungen damit be-werten.
Streng genommen vollzieht sich so jede Wahrnehmung als Wiederholung des immer Gleichen. Solche Einfältigkeit ver-an¬lasst den Philosophen Friedrich Nietz-sche zur folgender scharfen Kritik:
„... wir sind ohne Bildung, noch mehr, wir sind zum Leben, zum richtigen und ein-fachen Sehen und Hören, zum glückli-chen Ergreifen des Nächsten und Natür-lichen verdorben und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur, weil wir selbst davon nicht über-zeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben…“
Nicht nur die äußere vielfältige Wahr-nehmung, sondern auch die innere wird auf diese Weise vernachlässigt.
Identifizieren bzw. Interpretieren werden schließlich schematisiert und als Tätig-keit der Vernunft aufgefasst. In Wahrheit aber geht Denken nicht im Interpretie-ren von Identifikationen auf, sondern vollzieht sich als innere Wahrnehmung qualitativ vollkommen anders als äußere Wahrnehmung.
Inneres Wahrnehmen wird als Bilder-Leben bewusst und als Bild-erleben or-ganisiert.
Diese Organisation vollzieht sich als Betrachten, Beobachten, Begreifen. Das Begreifen vollzieht sich wissenschaftlich durch Mathematisieren, Modellieren und technisches Objektivieren erfolgsver-sprechender Modelle als Formalisieren von Welt.
Auf diese Weise werden menschliche Fähigkeiten zunehmend mehr an Ma-schinen übertragen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass sich eines Tages die menschliche Vernunft als Software auf geeigneter Hardware ‚verewigt‘.
Die vorhersehbare Herrschaft der Ma-schinen über die Menschen in einer voll automatisch organisierten digitalisierten virtuellen Welt repräsentiert die Einfältig-keit der Vernunft in Hochform.

4
Apr
2019

Sein > Nichts > Nichtig

„Sein“ umfasst alles Sichtbare, „Nichts“ alles Denkbare und „Nichtig“ alles Intuitive. Diese Un-terscheidung ergibt sich aus existentiellen Unter-schieden a priori.
„Mögliche Möglichkeiten“ existieren als Spielen des Zufalls mit sich selbst. Aus Übereinstimmun-gen von Zufälligem entstehen „wirkliche Möglich-keiten“. Intuitiv zeichnen sich „mögliche Wirklich-keiten“ ab, welche durch gedankliche Umsetzun-gen verwirklicht werden.
Je weiter sich das Bewusstwerden vom sinnlich Vernehmbaren entfernt, um so mehr nähert es sich dem Glauben. Glauben vollzieht sich als Ge-wahrwerden von sinnlich Unabhängigem. Dieser Zugang wurde von der Geschichte Abendländi-schen Denkens sträflich vernachlässigst. Folge davon ist das Unvermögen, die Leidenschaft des Religiösen hinreichend zu befriedigen.
So bleibt eine gesicherte Antwort auf die Frage nach der Existenz Gottes nach wie vor aus. Das ungelöste Problem logischer Lösungen wird nicht akzeptiert und stattdessen unaufhörlich nach neuen Wegen gesucht.
In Wahrheit aber lässt sich da Problem nicht lo-gisch, sondern allein rein intuitiv lösen. Das ver-langt das Suchen nach glaubwürdigen Methoden.
Da sich diese a priori verbergen. Können sie a posteriori auch nicht entdeckt werden. Damit sind tradierte wissenschaftliche Wege nicht gangbar.
Dementsprechend muss auch Denken als Bilder-leben anders gedeutet werden.

24
Mrz
2019

Kleid einer toten Seele (3)

Wer diese Begabung, ohne sie jemals genutzt zu haben, leugnet, vermeidet letztlich eine tiefe Begegnung mit seiner Seele.
Das religiöse Empfinden ist im vernunftbegabten Lebewesen von Natur aus angelegt. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Empfindung durch die Fantasie verfälscht wird, indem bildhafte Vorstellungen erzeugt werden. Wegen seiner rein geistigen Anwesenheit kann sich niemand ein Bild von Gott machen.
Rein geistige Anwesenheit ermöglicht allein reine Emotion als Kontakt. Diese Emotion vermittelt ein Gefühl der Anwesenheit. Diese vermag die innere Stimme sogar für einen nahezu wortlosen Dialog, der sich ebenfalls rein emotional vollzieht.Die Schwierigkeit solcher Kommunikation ergibt sich aus deren Gültigkeitsbereich, das ist der Glaube. Was geschieht, das kann folglich nicht als Wissen ausgewiesen werden.
Stellte sich allerdings die Frage, ob Wissen wirklich als der höchste Erkenntniswert gelten soll. Diese Frage berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Auslegungen. So wird niemand bezweifeln, dass mathematische Erkenntnisse Wissen bedeutet. Das verwundert insofern, als Mathematik selbst auf Glaubenssätzen beruht, das sind die sogenannten Axiome.

Als Analogen zu einem Atom gilt das Dogma. Unter Dogma (altgr. δόγμα, dógma, „Meinung, Lehrsatz; Beschluss, Verordnung“[1]) versteht man ebenfalls eine feststehende Definition oder eine grundlegende, normative Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird.

Als gleichsam mathematisches Dogma ist das Axiom ein von Natur aus gesetztes Prinzip a priori. Axiome hat niemand entwickelt; sie wurden entdeckt. Axiom, das ist gleichsam ein Lehrsatz der Natur.

Dass der Mensch sich als vernunftbegabtes Lebewesen auszeichnet, verweist auf das Vermögen einer besonderen Wahrnehmung dieser Theoreme. Durch dieses Vermögen erschließt sich ihm eine analoge Welt zum sinnlich Vernehmbaren. Dieses Analogon zur Physik wird Metaphysik genannt. Während Physik als die Welt der Logik hervorscheint, zeigt sich Metaphysik gleichsam als die Welt der Intuition. Metaphysik bildet die Schnittstelle zwischen reinem und empirischem Geist.

23
Mrz
2019

Kleid einer toten Seele (2)

Eine tote Seele ist unsichtbar, weil sinnlich nicht vernehmbar. Aber dennoch kann sie trotz ihrer Unsichtbarkeit wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmung vollzieht sich rein geistig. Weil eine tote Seele als reines Geistwesen existiert, kann sie auch allein geistig erfahren werden. Diese Erfahrung vollzieht sich emotional. Solange dieses Gefühl vorherrscht, ist es auch für die innere Stimme möglich zu kommunizieren.

Das Kleid einer toten Seele besteht aus deren Wesen. Wer einer toten Seele begegnen will, muss sie denken, um sie schauen zu können. Zwar verfügen wir alle über die Gabe dieser geistigen Wahrnehmung, aber wir müssen uns erst mit dieser Fähigkeit vertraut machen, um sie nutzen zu können. Wir müssen gleichsam erst lernen, geistig gehen zu können.

Um uns diesem natürlichen geistigen Vermögen angemessen zu nähern, versuchen wir zunächst, uns die Allgegenwart Gottes zu vergegenwärtigen. Um dies wahrhaft vollziehen zu können, müssen wir natürlich an Gott glauben. Dieser Glaube ist die intimste, seelische Wahrnehmung, also eine reine Emotion. Diese reine Emotion ist als religiöse Erfahrung der Möglichkeit nach als natürliche Begabung in uns allen vorhanden.

22
Mrz
2019

Kleid der toten Seele (1)

Das Kleid einer toten Seele besteht aus deren Wesen. Diese Bekleidung lässt sich also nicht sinnlich, sondern allein geistig wahrnehmen. Wer einer toten Seele begegnen will, muss sie denken, um sie schauen zu können. Zwar verfügen wir alle über die Gabe dieser geistigen Wahrnehmung, aber wir müssen uns erst mit dieser Fähigkeit vertraut machen, um sie nutzen zu können. Wir müssen gleichsam erst lernen, geistig gehen zu können.

Um uns diesem natürlichen geistigen Vermögen angemessen zu nähern, versuchen wir zunächst, uns die Allgegenwart Gottes zu vergegenwärtigen. Um dies wahrhaft vollziehen zu können, müssen wir natürlich an Gott glauben. Dieser Glaube ist die intimste, seelische Wahrnehmung, also eine reine Emotion. Diese reine Emotion ist als religiöse Erfahrung der Möglichkeit nach als natürliche Begabung in uns allen vorhanden.

Wer diese Begabung, ohne sie jemals genutzt zu haben, leugnet, vermeidet letztlich eine tiefe Begegnung mit seiner Seele.
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Seit 19 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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