Unilogo

12
Aug
2011

Basic Instinct : der gestalterische Grundtrieb

 
"basic instinct" ist der gestalterische Grundtrieb in allen Lebewesen. Durch Steuerung der Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Berühren, Schlafen, Bewegen, Sichern, Schützen regelt der Ur-Instinkt die Existenz der Lebewesen.

Diese Einflussmöglichkeit hängt von unseren Fähigkeiten ab, uns logisch und ästhetisch zu organisieren. Diese Fähigkeiten sind zum einen in unseren Genen verankert, zum anderen aber auch durch die Umweltbedingungen gegeben, wie wir sie vorfinden und verändern. Dieser Prozess wird außerdem durch unseren Willen gesteuert und durch die Art und Weise, wie Anlagebedingtes und Gelerntes miteinander verknüpft werden.

Je besser dieses Netzwerk entwickelt ist und sich kongruent zu unseren Gefühlen verhält, desto eher vermögen wir den basic instinct zu beeinflussen. Weil aber Intelligenz keine feste Größe, sondern veränderbar ist, können wir sie erheblich beeinflussen, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten.
 

11
Aug
2011

Hilf mir, es selbst zu tun : Sketch "Schwäbische Kehrwoche"

 
(Beispiel zur Selbstorganisation)

Petersen: „Grüß Gott Herr Schätzle. An meiner Tür hängt ein Schild „Hausordnung“. Was bedeutet das?“
Schätzle: „Das hän i hinghängt. Sie habet nämlich diese Woche Kehrwoche!“
Petersen: „Ja, und was bedeutet Kehrwoche?“
Schätzle: „Ha, dass Sie jetzt dro sin mit Kehre’. Die Woche, wo Sie dran sin, müsset Sie s’Treppenhaus kehre un putze’, die Stroß un den Hof un auch die Mülleimer ausspüle’ un reinige’. Am Samstag hänget Sie obends des Schildle an d’ nächst Tür!"

 

10
Aug
2011

Hilf mir, es selbst zu tun : Schülerunterricht

 
Wir haben viele Jahrzehnte an verschiedenen Schulen in Schleswig-Holstein Schülerunterricht gezeigt und erklärt, warum der selbstorganisierte Unterricht so einfach ist und so viel mehr Freude bringt. Denn: „Niemand lässt sich gern gängeln!“
 
Selbstorganisation
 
Wer hat vor allem das Sagen bei dieser Unterrichtsform? Es ist die Intuition, die allen Beteiligten unterrichtliche Einfälle schenkt. Es darf allerdings eine ganz wichtige Voraussetzung nicht verschwiegen werden: Die Art und Weise dieses Unterrichts funktioniert erst dann und wirklich nur dann, wenn Lehrende und Lernende sich mögen! Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist die verlorene Kraft der Intuition zurückzugewinnen und Verhaltensregeln zu finden, um sie uns zu erhalten.

Intuition ist ein Geschenk der Natur. Um das begreifen zu lernen, müssen wir uns zunächst mit dem befassen, was "basic instinct" genannt werden kann.
 

9
Aug
2011

Hilf mir, es selbst zu tun : Selbstorganisation

 
Für das Thema "Selbstorganisation" nimmt man am besten ein alltägliches Beispiel, z.B. das Organisieren eines Einkaufs oder das Verhalten von Verkehrsteilnehmern im Kreisverkehr. Im Plattdeutschen gibt es sogar einen Spruch für Selbstorganisation "Dat lüppt sik allns torecht!" (Das läuft sich alles zurecht). Damit ist gemeint, dass etwas, was in Unordnung geraten ist, sich gleichsam wieder von selbst ordnet.

Der Kreisverkehr repräsentiert das einfachste Muster für Selbstorganisation. Es zeigt das, was Selbstorganisation wesentlich auszeichnet, nämlich ein Vorgang, der schrittweise nach vorgegebenen Regeln abgearbeitet wird. Wenn sich also ein Ablauf selbst organisieren soll, dann ist er gewöhnlich standardisiert, damit der Verlauf nicht jedes Mal erneut organisiert werden muss.

Weitere Beispiele neben Straßenverkehrsordnung sind Gottesdienstordnung, Hausordnung, Schulordnung. Ordnungen, mit denen wir es täglich zu tun haben und die der Selbstorganisation dienen.
 
 

8
Aug
2011

Hilf mir, es selbst zu tun : ein Appell

 
"Hilf mir, es selbst zu tun!" gilt Maria Montessori als Offenbarung des Kindes aufgrund ihrer Beobachtung des spielerischen kindlichen Lernverhaltens. Und sie macht diesen inneren Zuspruch zum Grundgedanken ihrer Pädagogik.

Das bedeutet, alles dafür zu tun, um dafür die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, also eine vorbereitete Lernumgebung zur Verfügung zu stellen (1). Obgleich jeder Lehrerstudent sich im Laufe seines Studiums mit Maria Montessori beschäftigt, setzen die meisten Lehrer die didaktischen Prinzipien der Maria Montessori in ihrer Praxis nicht um, weil dies aufgrund der Klassengrößen schlicht unmöglich ist. Mehr als sieben Kinder lassen diese Prinzipien scheinbar einfach nicht zu, wenn sie so wie ursprünglich gemeint umgesetzt werden sollen.

"Hilf mir, es selbst zu tun!" sagt das kindliche Gehirn, das sich unbedingt gemäß seiner Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, entwickeln möchte. Diese Chance wird in der Schule bildungspolitisch gnadenlos zerstört. Aber kein deutscher Lehrer bekommt eine Klasse, deren Größe überhaupt an Selbstorganisation denken ließe.

"Hilf mir, es selbst zu tun!" würde bedeuten, dass der Lehrer möglichst wenig erklärt und auf keinen Fall mehr als für das eigenständige Verstehen unbedingt erforderlich ist.

___
(1) Maria Montessori ist 1870 in Italien geboren und schloss als eine der ersten Frauen ein Medizinstudium mit Promotion ab. Sie kam aus gutbürgerlichem, christlichem Hause, war weit gereist und engagierte sich stark für die Frauenrechte. Auf der psychiatrischen Station eines Krankenhauses arbeitete sie mit geistig behinderten Kindern. Im Laufe der Therapie stellte sich jedoch heraus, dass diese Kinder keineswegs schwachsinnig waren, sondern ihnen bislang nur jegliche Förderung gefehlt hatte. Maria Montessori entwickelte spezielle Arbeitsmaterialien, das "Sinnesmaterial", mit dem es ihr gelang, die Kinder zu stimulieren, ihre Neugier zu wecken und ihre Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit anzuregen.
 

7
Aug
2011

Pausenzeichen

 
Pausenzeichen stehen unter dem Motto "repetitio est mater studiorum" ('die Wiederholung ist die Mutter aller Studierenden'). Um das Merken zu erleichtern bzw. zu verstärken, wird jedes Pausenzeichen mit einer kleinen Gedächtnisübung verbunden.

Hier ein Beispiel zum letzten Kapitel. Stellen Sie sich zu diesem Zweck einen Obstbaum vor.
  1. Ansicht des Obstbaumes aus der Perspektive eines kleinen Kindes. Was sieht es, wenn es unter dem Obstbaum steht und hinaufschaut?
  2. Aussicht: Ein kleiner Junge klettert auf den Baum. Wie weit kommt er, und was kann er von dort aus sehen?
  3. Einsicht: An welcher Stelle hört er auf, noch höher zu klettern?
  4. Nachsicht: Die Mutter des kleinen Jungen beobachtet ihn. Warum lässt sie ihn gewähren?
  5. Rücksicht: Welche Bilder gehen ihr dabei durch den Kopf?
  6. Umsicht: Welche Vorsichtsmaßnahmen trifft sie jetzt?
  7. Übersicht: Sie will nun im Garten arbeiten. Was wird sie dabei beachten?
  8. Vorsicht: Würden Sie sich vorsichtiger als die Mutter verhalten?
Suchen Sie nun die einzelnen Antworten als zusammenhängendes Geschehen in Ihrer Vorstellung zu inszenieren, zu vergegenwärtigen und zu merken!
 

6
Aug
2011

Einsicht ist nicht nur eine Sicht

 
Wir wissen alle, dass es zu ein- und derselben Sache verschiedene Ansichten gibt. Die Sprache selbst bringt dies durch entsprechende Substantive zum Ausdruck:

Ansicht = auf eine Perspektive oder einen Aspekt beschränken,
Aussicht = (mögliche) Möglichkeiten (geistig) sehen,
Einsicht = alles Gemeinsame in Einem (Wesen) (geistig) sehen,
Nachsicht = Schwachstellen bewusst übersehen,
Rücksicht = mehrere Möglichkeiten gelten lassen,
Umsicht = möglichst viele Möglichkeiten sichten,
Übersicht = geordnet (sytemisch) sehen,
Vorsicht = systematisch bzw. strukuriert (methodisch) beobachten.

Viele dieser Sichtweisen laufen unbewusst ab und werden nur bei entsprechenden Anforderungen in bestimmten Situationen bewusst. Während des Unterrichtens sind Lehrende darauf angewiesen, dass ihr Bewusstsein dieses mehrdimensionale Sehen organisiert und sie nicht irgendeiner Einseitigkeit aufsitzen. Diese Art von Beweglichkeit kann nur in einer strengen Schule philosophischen Denkens erworben werden.

Lesehinweis:
Einführung in das philosophische Denken von Karl-Heinz Volkmann-Schluck, Klostermann (Taschenbuch - 1989)
Immanuel Kant: Prolegomena

Solches kritische Denken voranzutreiben, das ist der maßgeblich bestimmende Leitgedanke dieser Abhandlung. Die Aneignung dieses Denkens erfordert allerdings viel Geduld, Zeit und große Anstrengungen. Ein sorgfältiges Durcharbeiten der einzelnen Kapitel ist jedoch hinreichend. Um das zu unterstützen und auch zu trainieren, führen wir Pausenzeichen ein. Je eines folgt nach jedem Kapitel.
 

5
Aug
2011

Vorurteile : körpersprachliche Signale sind Wahrnehmungsfilter

 

Vorurteile
 

Außer durch Erfahrungen werden Wahrnehmungen sowohl durch Sehgewohnheiten als auch durch die Befindlichkeit während des Wahrnehmens verändert. Die Befindlichkeit wiederum wird durch die Einstellung und Haltung vor allem gegenüber den wahrzunehmenden Menschen geprägt.

Alle diese Vorgänge während des Wahrnehmens erzeugen gewisse körpersprachliche Signale, die während der Wahrnehmung übertragen werden. Sensible Menschen spüren diese Signale und erfassen deren Bedeutung innerhalb eines Augenblicks, also innerhalb von zwei bis drei Sekunden. Das ist also der wichtigste Augenblick in einer ersten Begegnung.

Der Erfolg eines ersten Konzerts oder einer ersten Unterrichtsstunde hängt ganz entschieden von dieser Ausstrahlung der handelnden Person ab. Das lässt sich auch nur sehr bedingt durch gespielte Freundlichkeit korrigieren.

Von dem, was der Wahrnehmende von der Ausstrahlung eines Menschen an Signalen empfängt, hängt wiederum ab, wie er mit der empfangenen Information umgeht, ob er ihr beispielsweise von vornherein vertraut oder misstraut.

Es ist ganz wichtig, sich immer wieder klarzumachen, dass Information bewertet wird, bevor überhaupt deren Verarbeitung beginnt.

Wenn ein Lehrer Lernenden gegenüber negativ eingestellt ist oder eine mehr oder weniger ablehnende Haltung ihnen gegenüber hat, misstrauen Lernende seiner Information und leisten deshalb Widerstand.
 

4
Aug
2011

Vorurteile : das Gehirn ist schuld!

 
Aber dass wir nicht allein schuld sind, sondern auch unser Gehirn ein gutes Stück dazu beiträgt, soll folgendes Beispiel beweisen. So bevorzugt unser Gehirn das, was ihm wichtiger erscheint und passt dann das Übrige schlichtweg an.

Sehen Sie bitte hierfür die Beispiele der Illusionen unter Focus-online an: Focus online, Illusionen (1)
So erscheinen die beiden Geraden im Poggendorff-Experiment (a.a.O.) nicht mehr parallel, weil die rechte Gerade unter dem Einfluss des Rechtecks mehr geneigt zu sein scheint.

Erst durch Wegnahme des Rechtecks wird das Trugbild offensichtlich.

Viele setzen bei diesem Experiment die Linien zu hoch an. Eine Erklärung für diese Illusion scheint zu sein, dass das Gehirn die Winkel missinterpretiert, in dem die Teilstrecken das Rechteck schneiden.

Unser Gehirn versucht die Teilobjekte (Rechteck und Teilgeraden) eindeutig voneinander zu trennen und erhöht dabei die Winkel zwischen den Teilgeraden und dem Rechteck (gegen 90 Grad). Nach-dem unser Gehirn die Winkel erhöht hat, können wir die beiden Linien nicht mehr richtig ausrichten.

Wählen Sie ein anderes (schmaleres) Rechteck und Sie werden sehen, dass es Ihnen nun leichter fällt.

Das Experiment trägt den Namen von Johann Poggendorff (1796-1877), einem deutschen Physiker, der das Phänomen 1860 erstmals beschrieb.

Das Beispiel zeigt, dass Wahrnehmungen nicht nur durch Vorurteile, sondern ebenso durch optische Täuschungen verstellt werden können, ein Sachverhalt, auf den bereits René Descartes aufmerksam macht, wenn er feststellt, dass ein gerader Stab, den man ins Wasser hält, gebrochen erscheinen wird. Der Stock ist an sich gerade, er wird jedoch gebrochen wahrgenommen.

"Seit vier Jahrhunderten zerbrechen sich Wissenschaftler den Kopf über die Frage, was passiert, wenn Licht an einer Grenzfläche zweier transparenter Materialien gebrochen wird. Willebrord Snellius (1580-1626), René Descartes (1596-1650), Isaac Newton (1643-1727) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1823) haben sich hierzu geäußert. Das Snelliussche Brechungsgesetz – in Frankreich übrigens als das Brechungsgesetz von Descartes bekannt – lernt heute jedes Kind in der Schule: Das Licht wird von Vakuum oder Luft her kommend im Material mit Brechzahl n > 1 zum Lot hin gebrochen."

Quelle des Zitats:
digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/documents/754585

__
(1) Quelle: http://www.focus.de/wissen/bildung/illusionen/nichts-ist-wie-es-scheint_aid_23169.html
Es gelten die AGB von TOMORROW FOCUS MEDIA GmbH im Rahmen von Online-focus.de
 

3
Aug
2011

Vorurteile : zu schnelle Urteile

 
„Vorurteile“ sind das, was die Vorsilbe zum Ausdruck bringt: vor-geordnete Urteile. Bevor Wahrnehmungen überhaupt vollständig erfasst worden sind, werden sie auch schon beurteilt. Wer den Namen eines Moderators oder einer Moderatorin einer Sendung hört oder liest, verfängt sich sofort in einer gewissen Erwartung. Diese wird vor allem durch Erfahrungen mit von ihnen moderierten Sendungen geprägt.

Vorurteile beeinflussen und beschleunigen vor allem die meisten Alltags-Entscheidungen. Vorurteile können also die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen, aber auch eine angemessene Reaktion verhindern.

Der häufigste Fall und das bekannteste Beispiel für Vorurteile, die zu Illusionen führen, ist die „Alte junge Frau“.

Das Hinzufügen oder Fortlassen bzw. Übersehen von Details kann die Wahrnehmung verändern. Unklar gesprochene oder geschriebene Sätze oder Texte können zu Verfälschungen bzw. Täuschungen führen. Die Wissenschaft versucht sich davor durch Fachbegriffe zu schützen.

Vor Hör- oder Lesefehlern kann man sich letztlich nur durch Aufmerksamkeit und Konzentration schützen. Das ist auch zugleich der beste Schutz gegen Betrüger oder Abzocker, die besonders im Internet unsere Schludrigkeit schamlos ausnutzen.
 

2
Aug
2011

Fortsetzung vom 01.08.2011

 
(Kritik Nietzsches an der Pädagogik - Exkurs)

"Wie wenig Vernunft, wie sehr der Zufall unter den Menschen herrscht, zeigt das fast regelmäßige Mißverhältnis zwischen dem sogenannten Lebensberufe und dem ersichtlichen Nichtberufensein: die glücklichen Fälle sind Ausnahmen wie die glücklichen Ehen, und auch diese werden nicht durch Vernunft herbeigeführt. Der Mensch wählt den Beruf, wo er noch nicht fähig zum Wählen ist; er kennt die verschiedenen Berufe nicht, er kennt sich selbst nicht; er verbringt seine tätigsten Jahre dann in diesem Berufe, verwendet all sein Nachdenken darauf, wird erfahrener; erreicht er die Höhe seiner Einsicht, dann ist es gewöhnlich zu spät, um etwas Neues zu beginnen, und die Weisheit hat auf Erden fast immer etwas Altersschwaches und Mangel an Muskelkraft an sich gehabt.

Die Aufgabe ist meistens die, wieder gutzumachen, ungefähr zurechtzulegen, was in der Anlage verfehlt war; viele werden erkennen, daß der spätere Teil des Lebens eine Absichtlichkeit zeigt, die aus ursprünglicher Disharmonie entstanden ist; es lebt sich schwer. Am Ende des Lebens ist man's aber doch gewohnt – dann kann man sich über sein Leben irren und seine Dummheit loben: bene navigavi cum naufragium feci, und gar ein Preislied auf die »Vorsehung« anstimmen.

Ich frage nun nach der Entstehung des Philologen und behaupte

1. der junge Mensch kann gar nicht wissen, wer Griechen und Römer sind,
2. er weiß nicht, ob er zu ihrer Erforschung sich eignet,
3. und erst recht nicht, inwiefern er sich mit diesem Wissen zum Lehrer eignet. Das, was ihn also bestimmt, ist nicht Einsicht in sich und seine Wissenschaft, sondern
a) Nachahmung,
b) Bequemlichkeit, dadurch, dass er forttreibt, was er auf der Schule trieb,
c) allmählich auch die Absicht auf Broterwerb.

Ich meine, 99 von 100 Philologen sollten keine sein."

Und weiter:

„Da aber die Philologen vornehmlich mit Hilfe des griechischen und römischen Altertums erziehen, so könnte die im ersten Falle angenommene Mangelhaftigkeit ihrer Einsicht einmal darin sich zeigen, dass sie das Altertum nicht verstehen; zweitens aber darin, dass das Altertum von ihnen mit Unrecht in die Gegenwart hineingestellt wird, angeblich als das wichtigste Hilfsmittel der Erziehung, weil es überhaupt nicht oder jetzt nicht mehr erzieht. Macht man ihnen dagegen die Ohnmacht ihres Willens zum Vorwurf, so hätten sie zwar darin volles Recht, wenn sie dem Altertum jene erzieherische Bedeutung und Kraft zuschreiben, aber sie wären nicht die geeigneten Werkzeuge, vermittels deren das Altertum diese Kraft äußern könnte, das heißt: sie wären mit Unrecht Lehrer und lebten in einer falschen Stellung: aber wie kamen sie dann in diese hinein? Durch eine Täuschung über sich und ihre Bestimmung. Um also den Philologen ihren Anteil an der gegenwärtigen schlechten Bildung zuzuerkennen, könnte man die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Schuld und Unschuld in diesen Satz zusammenfassen: Drei Dinge muss der Philologe, wenn er seine Unschuld beweisen will, verstehen, das Altertum, die Gegenwart, sich selbst: seine Schuld liegt darin, dass er entweder das Altertum nicht oder die Gegenwart nicht oder sich selbst nicht versteht.“


Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. Band 3, herausgegeben von Karl Schlechta. München: Hanser, 1954. Band 3, S. 323-332.


 

1
Aug
2011

Kritik Nietzsches an der Pädagogik (Exkurs)

 
"Man mache sich nur einmal mit der pädagogischen Literatur dieser Gegenwart vertraut; an dem ist nichts mehr zu verderben, der bei die-sem Studium nicht über die allerhöchste Geistesarmut und über einen wahrhaft täppischen Zirkeltanz erschrickt. Hier muss unsere Philoso-phie nicht mit dem Erstaunen, sondern mit dem Erschrecken begin-nen: wer es zu ihm nicht zu bringen vermag, ist gebeten, von den pädagogischen Dingen seine Hände zu lassen."

Die Begründung Nietzsches für diesen Missstand in der Pädagogik fällt scharf aus:

"Dass es aber trotzdem nirgends zur vollen Ehrlichkeit kommt, hat seine traurige Ursache in der pädagogischen Geistesarmut unserer Zeit; es fehlt gerade hier an wirklich erfinderischen Begabungen, es fehlen hier die wahrhaft praktischen Menschen, das heißt die-jenigen, welche gute und neue Einfälle haben und welche wissen, dass die rechte Genialität und die rechte Praxis sich notwendig im gleichen Individuum begegnen müssen: während den nüchternen Praktikern es gerade an Einfällen und deshalb wieder an der rechten Praxis fehlt."


Quelle: Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke : kritische Studienausgabe in 15 Bänden / hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. [Bd. 1-13 mit Vor-bem. von Mazzino Montinari, Bd. 1-6, 11 und 13 mit Nachw. von Giorgio Colli, übers. von Ragni Maria Gschwend]. - Dünndruck-Ausg. - München : Deutscher Taschenbuch Verlag ; Berlin ; New York : de Gruyter, 1980. - (dtv ; [5977]) Bd. 1. Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen I-IV. Nachgelassene Schriften 1870-1873. - 924 S.
Darin im Abschnitt "Basler nachgelassene Schriften 1870-1873": Zwei öffen-tliche Vorträge über die griechische Tragödie [Erster Vortrag: Das griechische Musikdrama. Zweiter Vortrag: Socrates und die Tragödie]. Die dionysische Weltanschauung. Die Geburt des tragischen Gedankens. Sokrates und die griechische Tragödie. Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern [Über das Pathos der Wahrheit. Gedanken über die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Der griechische Staat. Das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie zu einer deutschen Cul-tur. Homer's Wettkampf]. Ein Neujahrswort an den Herausgeber der Wo-chenschrift "Im neuen Reich". Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. Mahnruf an die Deutschen.

 

31
Jul
2011

Eigentliche Schwierigkeit des Lehrens

 
Die eigentlichen Schwierigkeiten der Pädagogik bestehen letztlich darin, nichts 'Greifbares' in Händen zu haben.

Die meisten Pädagogen und Pädagoginnen wollen das nicht wahrhaben und versteigen sich in absurden pseudowissenschaftlichen Begrifflichkeiten. Es ist nicht ganz verständlich, warum sie nicht offen zugeben können, dass in der Pädagogik einzig und allein Beispiele und Vorbilder zählen.

Pädagogik ist als Kunst des Lehrens ganz allein eine praktische Angelegenheit. Weil aber praktisch nicht umsetzbar ist, was theoretisch nicht gewusst wird, schließt die praktische Begabung des Pädagogen eine hohe philosophische Begabung mit ein. Er muss sich ständig etwas Neues "ausdenken" und damit schöpferisch bleiben. Schließlich ist seine Vernunft die einzige Quelle, aus der er täglich schöpfen kann.

Auf den Punkt gebracht: Die eigentlichen Schwierigkeiten der Pädagogik liegen in Philosophie und Kunst.

So müssten sich Schule und Hochschule die Lehrerausbildung teilen; der einzige Sinn in der Bildung ist die Kraft, aus der Theorie Praxis zu schöpfen. Verwechselt man wie heutzutage immer noch Bildung und Ausbildung bzw. Theorie und Praxis, dann entsteht jener Murks, welchen der Philosoph Friedrich Nietzsche so sehr beklagt.
 

30
Jul
2011

Lehren setzt Selbst-Befreiung voraus : Informieren

 
Leider waren die Projekte mit wenigen Ausnahmen immer davon abhängig, dass ich anwesend war. Selbst Studierende trauten sich das ohne mich bald nicht mehr zu. Da nur einige Lehrer diese Idee des Selbstunterrichtens übernahmen, konnte sich die Idee nicht durchsetzen, obgleich deren Verwirklichung immer erfolgreich war, aber eben fast nie ohne meine Mitwirkung.

Vergleiche mit ähnlichen Versuchen im In- und Ausland zeigen, dass so etwas immer personenabhängig bleibt, solange keine entsprechende eigene Schule hierfür gegründet werden kann.

Hieraus lassen sich auch erhebliche Einschränkungen für alle Versuche, das Vermögen zum Selbstunterricht zu vermitteln, ableiten. Aus der Philosophie habe ich jedoch gelernt, dass jeder vernünftig denkende Mensch selbst auf eine solche Idee kommen und diese auch in seinem Bereich verwirklichen kann.

Also kommt es wesentlich darauf an, diese Vernunft zu wecken!

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Seit 20 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

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