Unilogo

6
Mrz
2018

BEWUSSTWERDEN - auseinandersetzen

Geistige Auseinandersetzungen brauchen Innenraum. Und je komplexer sie werden, um so mehr Ressourcen des Kurzeitgedächtnisses beanspruchen sie.
Der Ausdruck "Enge des menschlichen Bewusstseins" besagt, dass höchstens 7 Ereignisse zugleich während der Gegenwartsdauer, also für etwa 10 Sekunden, festgehalten werden können, also beispielsweise 7 Wörter oder 7 Zahlen u. dgl. m. Wenn aber die einzelnen Dinge geschickt durch eine Geschichte miteinander verbunden werden, kann die Anzahl der Daten, die festgehalten werden sollen, erhöht werden, weil eine Geschichte gleichsam als eine von sieben Einheiten des Kurzzeitgedächtnisses zählt. Wir wollen das an einem Beispiel zeigen.
Wir beginnen mit einem Blick in den Kalender mit zwölf Monatsbildern, welche die Veränderung eines Apfelbaumes im Verlauf eines Jahres zeigen. Betrachten Sie das jeweilige Monatsbild sorgfältig in Ihrer Vorstellung (!).
Der Verstand projiziert das gewünschte Bild, und die Vernunft erzeugt die entsprechende Stimmung dazu.

Januar:
Der Baum ist total verschneit. (In der Neujahrsnacht fiel ungewöhn-lich viel Schnee.)
Februar:
Der immer noch völlig verschneite Baum liegt nun im dichten Nebel.
März:
Der Baum ist noch vollkommen kahl.
April:
Die ersten kleinen Knospen beginnen zu sprießen.
Mai:
Der Baum steht in voller Blüte.
Juni:
Der Baum hat nun sein frisches grünes Blattwerk.
Juli:
Das Blattwerk wirkt sehr 'schlaff'. Die Blätter leiden unter sengender Hitze.
August:
Das Blattwerk hat sich nach starkem Gewitter mit viel Regen wieder erholt. Auf den einzelnen Blättern liegen noch einzelne Regentropfen.
September:
Der Baum hängt voller gut gewachsener Äpfel.
Oktober:
Der Baum trägt buntes Blattwerk.
November:
Der Baum ist bis auf elf (!) Blätter kahl.
Dezember:
Der Baum ist total vereist.
Wenn Sie sich alle Bilder klar genug vorgestellt haben, dann haben Sie auch alle sofort behalten und können jetzt alle zwölf Monatsbil-der wiedergeben!
Noch einmal mit Verstand und Vernunft gemeinsam:
Januar:
Verstand: Der Baum ist total verschneit. In der Neujahrsnacht fiel ungewöhnlich viel Schnee.
Vernunft: Fröhlich lärmende Kinder sind mit ihren Schlitten unter-wegs.

Februar:
Verstand: Der immer noch total verschneite Baum liegt nun im dich-ten Nebel.
Vernunft: In der Ferne hört man jetzt den fröhlichen Lärm karne-valsbegeisterter Menschen. Nordische Version: Durch den Nebel dringen düster klingende Nebelhörner von Schiffen in der Ferne.

März:
Verstand: Der Baum ist vollkommen kahl.
Vernunft: Mit ihrem "zizi" oder "zizizi" zeigen Meisen ihre Freude auf den nahenden Frühling.

April:
Verstand: Die ersten kleinen Knospen beginnen zu sprießen.
Vernunft: "Amsel, Drossel Fink und Star", die ersten zurückgekehr-ten Zugvögel, singen.

Mai:
Verstand: Der Baum steht in voller Blüte.
Vernunft: Zwischen den Blüten summen Bienen.

Juni:
Verstand: Der Baum hat nun frisches grünes Blattwerk.
Vernunft: Vom blauen Himmel strahlt die heiße Frühsommer-Sonne.

Juli:
Verstand: Das Blattwerk wirkt sehr 'schlaff'.
Vernunft: Die Blätter leiden unter der großen Hitze. Man hört aus dem Freibad in der Nähe den Lärm badender Menschen.

August:
Verstand: Das Blattwerk hat sich nach starkem Gewitter mit viel Re-gen wieder erholt. Auf den einzelnen Blättern liegen noch Regen-tropfen.
Vernunft: Es riecht noch nach frischem Regen und duftet nach nas-sem Gras.

September:
Verstand: Der Baum hängt voller gut gewachsener, schöner reifer Äpfel.
Vernunft: Die Farben der Äpfel leuchten in der Spätsommersonne.

Oktober:
Der Baum trägt buntes Blattwerk.
Vernunft: Aus der nahegelegenen Kita dringt das Lied von Kindern: "Bunt sind schon die Wälder"

November:
Verstand: Der Baum ist bis auf elf Blätter kahl.
Vernunft: Der dichte Nebel ist auf dem Gesicht zu spüren.

Dezember:
Verstand: Der Baum ist total vereist.
Vernunft: Es hatte fast ununterbrochen geregnet, bis es dann frostig kalt wurde. Das Läuten der Weihnachtsglocken durchdringt die Nacht.

Falls Sie alle Monats-Bilder spontan vergegenwärtigen können, ver-suchen Sie ein eigenes ‚Bilderbuch' zum Beispiel mit 12 Bildern von Tieren, welche für entsprechende Zahlen stehen:
0 Maul eines Karpfens
1 Pinguin
2 Schwan
3 Schwalbe
4 Flamingo auf einem Bein
5 Hase
6 Schnecke (rechts) baumaufwärts kriechend
7 Stechmücke
8 Wespe
9 Schnecke (links) baumabwärts kriechend
10 Pinguin hat ein Ei gelegt....
11 Das Pinguin-Paar freut sich.
12 Pinguin und Schwan schwimmen um die Wette.

4
Mrz
2018

BEWUSSTWERDEN - Wiedererinnern

Was ich wiedererkenne , dem bin ich bereits begegnet. Damit habe ich bereits Erfahrungen gemacht, das habe ich mir gemerkt und daran erinnere ich mich. Bei einer neuerlichen Begegnung brauche ich Erfahrungen nicht zu wiederholen.
Wiedererkennen verkürzt das Einschätzen bekannter Situationen. Das Gehirn weiß die Vorteile des Wiedererkennens so sehr zu schätzen, dass es diesen Vorgang automatisiert und als Routine ins Unbewusste delegiert.

Sobald Existieren aber nur noch aus Routinen besteht, verliert Be-wusstwerden gleichsam das Bewusstsein und Dasein entartet zu bloßem Dahinvegetieren.

Neuerdings wird solches Dahindämmern als Demenz beschrieben. Weil die Vernunft in Vergessenheit gerät , verliert das Gehirn an Bewusstsein.

Aber unbewusstes, weil automatisiertes Wiedererkennen = Identifi-kation lässt sich als solches rechtzeitig jederzeit vergegenwärtigen und in rückbesinnliches Erkennen zurückführen. Mit solchen Rück-führungen kann dem Entstehen von Demenz entgegengewirkt wer-den. Praktisch bedeutet das, täglich wenigstens einmal gegen die Gewohnheit und ausdrücklich gefühlsmäßig handeln.

Wiedererkennen bezieht sich sowohl auf Außen- als auch auf In-nenwahrnehmung. Während sinnliches Wahrnehmen von der ge-genwärtigen Stimmung beeinflusst wird, beeinflussen gegenwärtige Einstellungen geistiges oder inneres Wahrnehmen.

Das Wiedererkennen ist demnach nicht nur eine Sache des erfahre-nen Verstandes, sondern auch eine Angelegenheit der empfindenden Vernunft.

3
Mrz
2018

BWUSSTWERDEN - Wahrnehmen und Erkennen unterscheiden

Uns wird etwas sinnlich als Wahrnehmung und/oder gefühlsmäßig als Eindruck bewusst. Sinnliche Wahrnehmungen werden durch Einstellungen beeinflusst, Eindrücke durch Stimmungen.
Einstellungen sind Vorurteile auf Grund von Erfahrungen, Stimmungen sind situativ bedingte Empfindungen.
Der Verstand urteilt. Die Vernunft wertet. Urteile sind Formen des Wahrnehmens, Betrachtens, Beobachtens und Begreifens, Wertungen sind Ausdrucksweisen der Seele.
Der Verstand liest Grade vom Thermometer ab, die Seele fühlt die Temperatur .
Während der Verstand Wahrnehmungen digitalisiert, also in Wahrnehmungsmomente auflöst, erhält die Vernunft Wahrnehmungen als ganzheitliche Vorgänge.
Das Großhirn organisiert sich sowohl digital als Bewusstsein oder Verstand als auch analog als Intuition der Vernunft.

In die Organisation des Bewusstseins fließen Erinnerungen mit ein und gleichen Wahrnehmungen bisherigen Erfahrungen an. Dieser Einfluss bewirkt Vorurteile, die Wahrnehmungen etikettieren. Aus diesem Grund wird die Tätigkeit des Verstandes "Erkennen" genannt.

Im Wort "erkennen" steckt aufgrund der Vorsilbe "er" die Funktion "das zurückholen, was wir schon kennen", weil wir es irgendwann einmal mehr oder weniger unbewusst oder bewusst erfahren haben. "Erholen" bedeutet entsprechend, eine "bessere Befindlichkeit" zu-rück holen (wieder herstellen).
Den ersten griechischen Philosophen des Altertums war dieser Sachverhalt bewusst, weshalb für sie Erkennen zugleich immer auch ein Wiedererinnern war.

Sokrates demonstrierte diese Auffassung, indem er bei einem Sklaven nachwies, dass dieser den Satz des Pythagoras immer schon weiß. Wird er nämlich nur geschickt genug danach gefragt, dann kann er systematisch in sich suchen und den Lehrsatz des Verhältnisses der Quadrate über den Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks zum Quadrat über dessen Hypotenuse entdecken und zutreffend wiedergeben.
Sokrates' Methode des systematischen Forschens durch zielgerichtetes Fragen ist als "Hebammenkunst" "Mäeutik" in die Geschichte eingegangen.
Wie kann man sich den Unterschied zwischen Verstand und Vernunft praktisch vorstellen? Zur Erklärung eignet sich das Einkaufen besonders gut. Wer verstandesmäßig einkaufen geht, legt zuvor die Abfolge der Geschäfte, in denen er die gewünschte Ware findet, ge-nau fest. Wer dagegen vernunftgemäß einkaufen geht, macht einen Einkaufsbummel. Ihn interessierende Geschäfte legt er erst unterwegs spontan, gefühlsmäßig fest.

Dem Verstand kommt es auf den kürzesten Weg an, der Vernunft eher auf das Vergnügen.
Die ersten Philosophen unterschieden zwischen Verstand und Vernunft . Die entsprechenden Verben bedeuten sehen, be-deutet körperlich oder sinnlich sehen und bedeutet seelisches gefühlsmäßiges Empfinden oder Intuition.

Den Menschen aber bestimmten sie als vernunftbegabtes und nicht etwa als verstandesbegabtes Lebewesen.
Die Intuition der Vernunft erschien ihnen demnach existentiell wichtiger als der Logos des Verstandes.
Ohne diese Unterscheidung der griechischen Philosophen des Altertums wäre wohl die Entdeckung und Grundlegung einer sinnlich unabhängigen Theorie wie Geometrie, Mathematik oder Metaphysik kaum denkbar gewesen. Diese Tatsache aber erklärt auch, warum keiner der ersten Philosophen jemals auf den Gedanken gekommen wäre, Theorie für wirklich zu halten.

Eine einfache Aufgabe demonstriert diese Auffassung.
Sehen Sie sich in dem Raum, in dem Sie sich befinden, genau um und sagen Sie, wie viele Kreise Sie sehen.
Falls Ihre Antwort lautet "Ich kann keinen Kreis sehen!", hat Sie das " " geleitet. Und selbst, wenn Sie mit dem Zirkel einen Kreis zeichnen sollen, werden Sie immer noch zutreffend erklären, dass Sie keinen herstellen können.
Der Kreis existiert nämlich wie alles Geometrische oder Mathematische nur als Vorstellung einer Idee in Ihrem Kopf! Diese Idee ist unmittelbar dafür verantwortlich, warum sich in Ihrem Raum so viele Kreise befinden.
Wissenschaft vermag niemals wahrzunehmen, sondern immer nur wahr zu nehmen.

Es erscheint paradox, warum nun ausgerechnet ganzheitliches Wahrnehmen der Vernunft zur Entdeckung detaillierten Wahrnehmens des Verstandes geführt haben soll.
Pythagoras' ganzheitliches Wahrnehmen entwarf in ihm Fragen, weshalb etwas immer so erscheint und nicht anders. Wann klingt eine Tonfolge harmonisch und wann disharmonisch?
Pythagoras benutzte ein Monochord, einen Klangkasten, der mit nur einer Saite bespannt war, und experimentierte mit einem Steg, den er, um eine Antwort auf seine Frage zu finden, unter der Saite in verschiedenen Abständen verschob. Während er den Steg an einer besstimmten Stelle feststeckte, zupfte er das frei schwingende Saitenende und verglich den erzeugten Ton mit dem Grundton des Instruments.
Er entdeckte, dass er, wenn er den Steg genau mittig ansetzte, den reinen Klang exakt einer Oktave erzielte, bei der Aufteilung von 2:3 und 3:4 hingegen jeweils Quinte und Quarte, die er ebenfalls noch als wohlklingend empfand.
Pythagoras unterteilte bereits das Tonsystem in 12 Halbtöne und schuf damit die Grundlage für die westliche Harmonielehre.
Die Antwort auf seine Frage bestand also im mathematischen Verhältnis unterschiedlich hoher Töne zueinander.
Den Abstand zwischen zwei Tönen zu bestimmen, ist nur eine Frage der Übung. Für alle wichtigen Intervalle demonstrierte er bekannte Liedanfänge als Eselsbrücken.

Offensichtlich ist es Neugier, die Wahrnehmen mit Hilfe von Experimenten in Wahr-Nehmen übergehen lässt. Verstand erscheint so als Sonderfall der Vernunft.

Das neugierige sorgfältige, geduldige Wahrnehmen des Verlaufes der Sonne am Himmel brachte den Philosophen Thales aufgrund der Beobachtung der Sonnenstrahlen zur Feststellung, dass jeder Winkel im Halbkreis ein rechter ist.
Und Eratosthenes von Cyrene ein griechischer Mathematiker, Dichter, Athlet, Geograph, Astronom und Musik-Theoretiker, war der erste, welcher den Gedanken hatte, den Kreisumfang der Erde zu berechnen, indem er ein Messsystem verwendet, nämlich Stadien (Einheiten von jeweils 600 Fuß). Eratosthenes beobachtete, dass am Tag der Sommersonnenwende die Sonnen-Strahlen während des Zenits in Syene (jetzt Assuan) senkrecht fallen. Zur gleichen Zeit in Alexandria aber lenkten die Strahlen 7.5 Grad von der vertikalen Richtung ab. Erathostenes betrachtete die Entfernung jener zwei Städte von 5000 Stadien (800 km). Seine Annahme beruhte auf der Zeit, welche eine Karawane für diese Entfernung braucht. Demzufolge leitete er den Kreisumfang der Erde ab: 360°/7.5 * 800 km = 39000 km.

Mythos, Kunst, Philosophie und Geometrie helfen offensichtlich der Vernunft, ihre Neugierde zu befriedigen.
Solche Befriedigung geschieht durch das Zusammenspielen von Vernunft und Verstand. Vernunft und Verstand sind einander ergänzende Teile jenes Prozesses, welcher seit jeher als Denken bezeichnet wird. Denken bedeutet "Bilderleben", und zwar als

Bilder-Leben der Vernunft
und
Bild-Erleben des Verstandes.

Sobald gedacht wird, gewährt auch Selbstbeobachtung Aufschluss darüber, ob gerade die Vernunft, der Verstand oder beide das Bewusstwerden bestimmen. Wenn ich mich an eine Situation erinnere und das vergangene Geschehen in Bildern in meiner Vorstellung abläuft, wird das von der Vernunft geregelt. Sobald ich mich aber auf einzelne Bilder besonders einlasse, schaltet sich der Verstand ein. Wenn sich jemand an das Zuhause seiner Jugend erinnert und in Gedanken durch das Haus geht, wird dieser Besuch von der Vernunft gestaltet. Kommt aber der Wunsch auf, während des Gangs durch das Haus oder die Wohnung in einem Zimmer zu verweilen, um sich genauer umzusehen, wird das Erinnern vom Verstand geleitet.

Der Verstand wird tätig, sobald die Vernunft von einem starken Be-dürfnis bewegt wird. Der Verstand ist eine gefühlte Erscheinungs-form der Vernunft. Durch die Verstandestätigkeit wird Bilder-Leben zum Bild-Erleben und Einzelheiten treten in den Vordergrund.
Etwa zwei Drittel eines Tages werden ausschließlich von der Vernunft in Tag- und Nachtträumen geregelt. Bisweilen ertappen wir uns beim Tagträumen. Irgendetwas Auffälliges oder Aufdringliches ruft uns dann wieder zur Ordnung, und unser Verstand meldet sich zu Wort.

Gegenwärtig wird die Stimmung der Vernunft ständig durch Bilderfluten überreizt und der Verstand dadurch unaufhörlich herausgefordert.
Diese überdrehte Situation schafft ruheloses Bewusstwerden, dem besinnliches Betrachten fremd ist. Als Folge dieser ständigen Unruhe unterdrückt das Gehirn Gelegenheiten, sich mit etwas eingehender zu beschäftigen und Wahrnehmen geht unmittelbar in Identifizieren über. Das ermöglicht natürlich auch keinen Unterschied zwischen Vernunft und Verstand mehr.

Der Verstand verliert den Kontakt zu seinem Ursprung und weiß mit Vernunft nichts mehr anzufangen. Das Fortschreiten der Welt ‚verrechnet' sich, weil Vernunft nichts mehr zählt.

2
Mrz
2018

Kraft des Entbergens

Philosophieren bedeutet vor allem nach der Wahrheit suchen. Trotz aller Anstrengungen entzieht sich aber die Wahrheit einem Denken, das vor allem auf Richtigkeit aus ist.

Zwar ermöglicht das Entdecken des Denkens als ιδειν bzw. inneres Wahrnehmen das Schauen des inneren Lichts der höchsten Idee. aber diese An-schauung Platons wird bereits von seinem Schüler Aristoteles als unzeitgemäß abgelehnt.

Niemand kommt damals auf den Gedanken, dass es sich um eine Begegnung von Denken und Fühlen handelt. So kann die Vereinigung von Bild-Erleben und Bilder-Leben nicht als Einheit erkannt werden und das Denken als Bilderleben bricht auseinander. Mythos wird zum Gegenstand des Logos. Das Gefühl bleibt dem Denken so fremd, dass es wie etwas betrachtet wird, das Denken stört und nicht etwa regelt. Das Gefühl wird vom Denken ausgeschlossen und der Glaube als das Vertrauen in das Glauben bleibt der Religion vorbehalten.

Erst mit den Neurowissenschaften kommt heutzutage die Vermutung auf, dass das mythische Denken zumindest eine Alternative zum logischen Denken sein könnte. Das logische Denken scheint nicht nur in der Schulmedizin an seine Grenzen zu stoßen
Wie aber offenbart sich das mythische Denken an den Grenzen des Logos? Vermag herkömmliches Denken diesem Vorschein überhaupt zu genügen? Und würde das Einbeziehen des gefühlten Denkens in das logische Denken überhaupt Sinn machen?

Um solche Fragen beantworten zu können, muss man sich auf das gefühlte Denken überhaupt erst einmal wieder einlassen. Das Problem: Dass jemand an Krebs sterben wird, kann richtig, muss aber nicht wahr sein. Das beweisen beispielsweise viele Fälle spontaner Selbstheilung.

Seit Aristoteles existiert für die Wahrheit ein Prob-lem. Indem ihr der Philosoph die Richtigkeit entge-gengestellt, entzieht er der Wahrheit den seit Jahr-tausenden währenden Anspruch, für den Men-schen das höchste Gut zu sein. Durch das Denken des Aristoteles verfinstert sich die Sonne als Sinn-bild der höchsten Idee des Guten. Weil nicht wahr sein kann, was nicht zu überprüfen ist, verursacht die Wende der Wahrheit zur Richtigkeit eine Göt-terdämmerung, die bis heute nicht überwunden ist. Nietzsches Wort vom Tod des (alten) Gottes wird immer noch nicht als radikale Absage an alle Inhal-te des Glaubens verstanden, und damit wird auch nicht begriffen, dass es hierbei nicht um die ge-glaubte Existenz Gottes geht, sondern vielmehr um eine Ermahnung, von bestimmten Fantasien abzu-lassen. Nietzsche bestreitet nicht den Glauben, sondern die Annahme, diesen philosophisch be-handeln zu können. Die ständige Verwechslung von Wahrheit und Richtigkeit führt in die Katastro-phe. Die Gefahr der Atomenergie ist keine Glau-bensfrage, sondern eine Frage des Wissens. Wenn man anfängt, das zu glauben, was man ei-gentlich wissen muss, hört man auf zu überprüfen. Dieser Mangel an Aufklärung greift tief in unseren Alltag ein, indem das, was wir glauben, unser Han-deln bestimmt. Die "Erfindung" der Subjektivität hat dazu geführt, das Bemühen um objektive Erkennt-nis zu vernachlässigen. Die Idee der Subjektivität isoliert das Subjekt und inhaftiert es in einer Welt bloßer Meinungen.

Ob das Subjekt in seiner Subjektivität untergeht oder es ihm gelingt, sich die Sicherheit des Ichs zu verschaffen, ist für den Philosophen Descartes (1561-1650) eine Frage der Selbst-Verantwortung. Die Unzuverlässigkeit der Subjektivität währt ja nur so lange wie man sich deren Unbeständigkeit aus-setzt. Das Wesen des Subjektiven verhält sich nämlich nicht anders als die Natur: unbeständig, da im ständigen Wechsel zu Hause. Dieser Wechsel, dem das Ich ständig ausgesetzt wird, ist das Wer-den oder die Bewegung des Geistes. Und wenn überhaupt nichts mehr sicher ist, dann bleibt noch als letzte und zugleich auch erste Sicherheit das Erleben des eigenen Denkens. "Ich denke, also bin ich!" Nicht die Sinne vergewissern mich meiner Welt, sondern gefühltes Denken.

Mit dieser Quasi-Wiederentdeckung des Bewusst-werdens als Grund aller Ich-Erfahrung beendet Descartes gleichsam den Vollzug der durch Aristo-teles eingeleiteten Wende. Auch das Ich-Werden lässt sich selbstverständlich überprüfen, nämlich durch das Denken. Richtigkeit steht als solche nicht mehr der Wahrheit gegenüber, sondern erscheint als eine Kategorie von Wahrheit. Was wahr ist, kann nicht falsch sein. Selbst wenn jemand total irrt, bleibt wahr, dass er ein total Irrender ist. Und an dieser Stelle verbrüdern sich Wahrheit und Richtigkeit, denn das durchgängige Irren muss als solches nachgewiesen werden, wenn es wahr sein soll.

1
Mrz
2018

Innere Stimme

Der Vorschein der inneren Stimme wird unterschiedlich gedeutet. Die häufigste Auslegung ist wohl die der inneren Stimme als intuitive Eingebung. Intuition gilt als schöpferische Quelle des Denkens. Da diese Quelle außerhalb des Bewusstseins liegt, kann der Wirkung nur durch Rückschluss des Bewusstgewordenen reflektiert werden.
Es erscheint zwar legitim, auch von einer Stimme des Gewissens oder des Geistes zu sprechen, aber wohl nicht, diese auch zugleich als Stimme Gottes auszulegen.
In der griechischen Antike wurde die innere Stimme als daimonion bezeichnet, als persönlicher Schutzgeist, der Teil des Ichs ist.

Das Daimonion wurde von Sokrates als innere Stimme göttlichen Ursprungs erklärt. Diese innere Stimme warnte ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer unrechtmäßigen Absicht ab. Nach Platon warnte das Daimonion. Er verstand es als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, und vom Falschen abrät, jedoch zu nichts zurät. Sein Daimonion schätzte Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorchte.

Die innere Stimme orientiert sich gewöhnlich intuitiv am Erfahrungsschatz einer Person. Der Name dieses Erfahrungsschatzes ist "Gewissen".

Der Intuition werden durch das Gewissen Grenzen gesetzt. Gewissen, das ist die Vorgabe des Verhaltensspielraums durch Werte und Normen, Regeln und Gesetze, Vereinbarungen und Verträge, Gebote und Verbote.

Die Ausprägung des Gewissens wird durch Bildung und Erziehung maßgeblich bestimmt.

Gewissensbildung ergibt sich gleichsam aus Erziehung. Regelungen des Verhaltens durch das Gewissen können durch Triebe oder Bedürfnisse verfälscht bzw. gestört werden.

Wenn nun Gott als innere Stimme - wie Augustinus es annimmt - zu einem vernunftbegabten Lebewesen spricht, dann tut er dies mittelbar als subjektiv personifiziertes Gewissen. ‚Gott' vermag dann nur das zu offenbaren, was individueller Erfahrung entspricht.

Unabhängig vom Gewissen würde sich Gott als innere Stimme der Wahrheit offenbaren.

Folgender Text repräsentiert beispielhaft eine sol-che Offenbarung:

"- Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Solche Götter lassen deine Triebe neben mir erscheinen. Wende dich nicht ab von mir, indem du dei-ne Gier befriedigst!

- Ich bin der Herr, dein Gott. Ich bin allgegenwärtig, aber du kannst mich weder sehen noch hören oder sonst irgendwie sinnlich vernehmen. Sobald aber dein Ich kann in seinem Selbst ruht, spürst du meine Gegenwart und lauscht dem, was ich dir durch die innere Stimme schweigend mitteile!"

- Ich bin der Herr, dein Gott. Unmittelbare Allgegenwart aber bleibt Dir verehrt. Als endliches Wesen vermagst Du Unendliches nicht zu fassen. Als vernunftbegabtes Lebewesen bleibt Dir Geistloses verwehrt.

- Ich bin der Herr, dein Gott, allmächtiger, allgegenwärtiger reiner Geist. Ich wohne nicht im Himmel, von dem Gläubige träumen, sondern ich bin als reines Sein selbst der Himmel.

- Ich bin der Herr, dein Gott. Deine wortlosen Gebete vermag ich nicht zu erhören, denn du kannst mich nicht verstehen. Als eines Sein bin ich zwar Schöpfer allen Werdens, aber alles wird dann ohne mich.

- Ich bin der Herr, dein Gott, auf den du sterbend noch hoffst, weil du glaubst und vergeblich liebst. Aber sobald du tot bist, findest Du Dich im Nichts.

- Ich bin der Herr, dein Gott und als solcher reines Sein und Nichts zugleich. Jenseits von Sein und Nichts existiert nur das Nichtige als Hölle alles Seienden."

24
Feb
2018

Gelassenheit

Kongruenz von Soll und Ist

23
Feb
2018

Gesetz

Ausnahmslose Vorschrift

22
Feb
2018

Glauben

Vertrauen, dass etwas so ist oder wird, wie es erscheint

21
Feb
2018

Gesetz

Ausnahmslose Vorschrift

20
Feb
2018

Gedankenlabor

systemisches Reflektieren auf Bewusstwerden

Gedankenlabor

systemisches Reflektieren auf Bewusstwerden

19
Feb
2018

Gebot

Empfehlung, sich zu verhalten

18
Feb
2018

Furcht

Sorge zu versagen

17
Feb
2018

Fragefürwörter

Welche? (Eigenschaften)
Was? (Objekt)
Wer? (Person)
Wie? (Art und Weise)
Weshalb? (Grund)
Wofür? (Zweck)
Warum? (Ursache)
Wozu? (Wirkung)
Wie viel? (Maß)
Wobei? (Umstand)
Womit? (Mittel)
Wo? (Ort)
Wann? (Zeit)

16
Feb
2018

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Prof. Dr. habil Wolfgang F Schmid

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