Unilogo

15
Jan
2016

Innenbilder


die Sprache der Seele
kennt nur Bilder

denen sie selbst ihr
Leben gibt

leuchtende Flächen
Gestalten aus Licht

im Tanz des Lebens

Traum der Vernunft


15.1.2015
+ Ulrike Schmid


Kunst ohne Zweifel


Künstlerisches Schaffen offenbart Wahrheit. Was ins Werk gesetzt wird, das wird durch Betrachten subjektiv ausgelegt.
Im Gegensatz zur empirisch beweisbaren, objektiven Richtigkeit lässt sich Wahrheit allein subjektiv begreifen. Was Musik, Malerei oder Dichtung zum Ausdruck bringt, das lässt sich niemals verallgemeinern. Es ist gleich gültig, ob das, was ins Werk gesetzt wird, von einzelnen oder vielen auf bestimmte Art und Weise subjektiv erfahren wird.

Jedoch empfinden die meisten nicht mehr, was sich ihnen als Wahrheit offenbart. Sie trauen ihren Empfindungen nicht. Sie wollen in der Regel sich selbst nicht wahr haben. Stattdessen flüchten sie sich in überzogene, Weisheiten. Andere vertrauen wiederum auf wissenschaftliche Fragmente der Wirklichkeit.

Allein Kunst vermag Wahrheit in Werk zu setzen, also Subjektives zu objektivieren. Aber ins Werk gesetztes Subjektives entzieht sich jeglichen wissenschaftlichen Zugriffen.

Extreme Fantasietätigkeit führt zu emotionalen Überreaktionen, die zu verstärkter Aktivitäten der inneren Stimme bis hin zu Visionen führen können.

Nicht wenige sensible Menschen empfinden solche Aktivitäten als inneren Ruf Gottes und fühlen sich zu besonderem religiösem Leben im Dienste Gottes berufen.

Besondere Riten wie beispielsweise Askese und Gebete führen dann dazu Transmissionen der Intelligenz oder eines besonderen Talents zu zügeln bzw. einzuschränken.

Ähnliche Wirkungen können aber auch durch ein karges, ärmliches Leben hervorgerufen werden.

Die vielleicht bekannteste und zugleich früheste überlieferte Vision ist die des Moses (8. Jh. v. Chr.). Es ist die Vision vom brennenden Dornbusch. Es wird in der Bibel erzählt, dass Moses viele Jahre die Herden seines Schwiegervaters Jitro hütete.

Eines Tages weideten die Schafe und Ziegen auf den saftigen Weiden an den Hängen des Berges Sinai. Moses blickte in die Ferne, und er traute seinen Augen nicht.

Er erblickte einen brennenden Busch, der nicht verbrannte. Neugierig näherte sich Moses.

Da hörte er plötzlich eine Stimme. Sie kam aus dem brennenden Busch und sagte: "Zieh deine Schuhe aus, Mose! Du stehst auf heiligem Boden."
Moses spürte intuitiv, dass es Gott war, der zu ihm sprach.
Er gehorchte, und Gott sagte: "Ich bin, der ich bin.
Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ich habe die Klagen und Bitten meines Volkes gehört, das in Ägypten in der Sklaverei lebt. Und ich werde es retten. Du Mose, sollst es aus Ägypten in ein Land führen, das ich den Nachkommen Abrahams versprochen habe. In diesem Land werden Milch und Honig fließen. Und dich Moses, sende ich nun zum Pharao."

Dieser Auftrag ist für einen Hirten in der Wüste nicht gerade naheliegend. Offenbar ist allen Visionen gemeinsam, dass sie Menschen überraschen, die über die Kraft verfügen, ihnen zu entsprechen.

Moses macht erst gar nicht den Versuch, sich als Hirte darzustellen, der dazu nicht in der Lage ist, weil er ja nichts gelernt und aus sich gemacht habe und nur ein dummer Hirte geblieben ist.

Anders als bei Hildegard von Bingen wird Moses’ Vision nicht durch innere Prozesse vorbereitet und auch nicht theologisch, sondern religiös gedeutet. Die Vision überrascht. Wahrnehmungsreize bzw. Überreizungen könnten sie ausgelöst haben.

Beide Visionen zeichnen sich als Kraftgeber aus und ermöglichen dadurch außergewöhnliches mutiges Verhalten. Unbefriedigend bleibt in beiden Fällen, dass sie als Ereignisse des Glaubens natürlicherweise (neuronal bedingt) analytischem Denken verschlossen bleiben.

Auch der Mythos basiert auf einer Überreaktion der neuronalen Transmissionen der Fantasie.

Über die Vertreibung aus dem Paradies selbst berichtet niemand. Dieser katastrophalste Augenblick der Menschheit wird verdrängt. Religionen vermeiden angestrengt eine redliche Offenlegung dieses Ereignisses.

Philosophie vermag solchen Ursprung nicht in den Blick zu nehmen, und auch Kunst setzt nichts ins Werk.

Seit Jahrtausenden wird der Paradies-Mythos verdrängt. Andererseits wird von Religionen so getan, als hätte alles genau so stattgefunden. Niemand streicht diesen Anfang aus dem Buch der Bücher. Stattdessen sammeln sich weitere Mythen an. Das Buch Moses ist voll davon.

Es bleibt dabei, der Gott der Religionen verbleibt im Dunkel der Mythen.

Zu allem Unglück hat sich das Trauma Paradies tief ins Unterbewusste des Menschen eingegraben. Aber Erinnerungen sind nicht kräftig genug, um Wahrheit zu vergegenwärtigen. Ahnungen lassen vermuten, wesentlich Existentielles verloren zu haben.

Vage Vermutungen zwingen zu suchen. Diese Zwangsneurose nötigt zum Glauben an den strafenden Gott des Paradieses. Religionen aber schaffen so großartige Bestimmungen ihres Gottes, dass selbst Wissenschaften nicht zu widersprechen vermögen.

Sokrates und Platon sind bislang die einzigen Philo-sophen, denen es gelingt, ein annehmbares Kom-plement zum Mythos aufzuzeigen.

Um vor dem Göttlichen überhaupt bestehen zu können, muss die von den beiden Philosophen entdeckte Welt natürlich die gleichen Wesenseigenschaften aufweisen wie die göttliche.

Die philosophisch gedachte Welt darf nicht von dieser Welt, also von Menschen gemacht sein. Diese Welt muss ebenso unsichtbar wie ewig sein. Zudem muss sie für den menschlichen Geist unerreichbar bleiben.

Dem Dichter Angelus Silesius werden die gleichen (inneren) Spiegelungen bewusst wie dem Philosophen Platon. Auch Platon betrachtet das Schauen der höchsten Idee als göttlich.

Durch die griechische Mythologie gelangt wahrscheinlich der erste, nämlich menschliche Grund der Götterwelt zum Vorschein. Es sind besonders begabte Seher, durch welche sich Gottheiten künstlerisch gestalten. Solche fantastischen Inszenierungen werden durch Priester missbraucht, indem sie sich ihrer aus Machtgier bemächtigen. Sie vergiften natürliches Glauben mit ihren Machtfantasien von einer jenseitigen Welt.

Heilige verinnerlichen solche fantastischen Vorstel-lungen so stark, dass sie Möglichkeit und Wirklichkeit verwechseln. Aber ihr Gott lässt sich nicht verallgemeinern, sondern immer wieder erneut in jeder Seele besonders initiieren.

„Gott lebt nicht ohne mich

Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben,

Werd' ich zunicht', er muß von Not den Geist aufgeben“.


Es ist wahrscheinlich, dass der Gottesglaube evolu-tionär bedingt physiologisch im Gehirn verankert ist. Das „Gottes-Gen“ (VMAT2-Gen), schreibt der Bio-chemiker und Verhaltensgenetiker Dean Hamer 2004 in seinem so betitelten Buch, ist für die Aus-schüttung chemischer Botenstoffe im Gehirn ver-antwortlich. Diese Botenstoffe steuern neben Stim-mungen u.a. auch religiöse Gefühle.

Die gewagte These vom Gottes-Gen begründet keinen biochemisch bedingten Gottesglauben.

Dass Kinder eine natürliche Tendenz, an Übernatür-liches zu glauben, besitzen, ergibt sich aus einem Ungleichgewicht zwischen Vernunft und Verstand. So wird alles Unerklärbare durch Glauben und nicht durch Wissen geregelt. Auch Erwachsene regeln in ihrem Alltag Vieles noch mit Aberglauben.

Aber nicht nur der Glaube, sondern auch unser Wissen erscheint uns vereinzelt zunächst als Glaube. Ein Axiom beispielsweise gelangt gleich einem Dogma zum Vorschein.

“Ich glaube an die Identität ‘a = a’ ” wie an die Dreifaltigkeit".

Viele Sätze beweisbaren Wissens waren ursprünglich nicht beweisbare Glaubenssätze. Eigene Vorstellungen sind häufig mehr als negative Utopie oder eine Art Fata Morgana des Bewusstseins.

Es scheint aber oft sehr schwierig, auszumachen, ob das Schauen innerer Spiegelungen des Unbewussten auf irgendeine Art und Weise schließlich doch Wahrheit offenbart.

Wird davon ausgegangen, dass der Mensch ver-nunftbegabt ist und die mythischen Hinweise eines Sokrates, Platons oder Moses zutreffen, dann könnte das menschliche Erbgut tatsächlich doch eine Art Gen enthalten, das religiöses Empfinden ermöglicht.

Den kanadische Neuropsychologen Michael Persinger[2] veranlasst dies zu folgender Überlegung: Wenn ich die fürs Religiöse zuständigen Hirnregionen eines Menschen stimuliere, verschaffe ich ihm damit auch religiöse Gefühle? Er entwickelte einen Helm, der ein sich bewegendes Magnetfeld erzeugt. Diesen Helm liess er Versuchspersonen zwanzig Minuten lang tragen. Vier von fünf Probanden beschrieben die ausgelösten Empfindungen als übernatürlich oder spirituell. Sie fühlten die Gegenwart eines höheren Wesens, eine Berührung Gottes, Transzendenz.

Demnach könnte ein allgegenwärtiges Wesen (“Geist in der Materie”) sich offenbaren, indem es das Gehirn beeinflusst und auf dem Weg der Spiegelungen religiöse Vorstellungen und Empfindungen erzeugt. Erscheinungen der Heiligen bekämen dann eine “natürliche” Erklärung.

Der “Umweg” über Spiegelungen des Glaubens sichert das kulturell bedingte, individuelle Verstehen und Auslegen des allgegenwärtigen Wesens. Alle Versuche, diesen Glauben in Wissen umzuwandeln, versagen.

Der göttliche Funke bleibt eine innere Entladung, die sofort nach Absinken höchster Konzentration erlischt.

Das vernunftbegabte Lebewesen neigt dazu physi-kalische Eigenschaften metaphysisch oder künstlerisch zu überhöhen. Der Mythos gestaltet meteorologische Erscheinungen zu Göttern um. Es ist die griechische Göttin Ge, die gute oder schlechte Ernten verursacht. Es ist Thor, der germanische Gott des Gewitters, der Blitze schleudert und donnert, wenn er grollt. Es ist ein Gott, den Moses im brennenden Dornbusch erblickt, und aus überschärfsten Sinneseindrücken werden noch heutzutage Erscheinungen von Schutzengeln geboren.
Überhöhte Vorstellungen während des Bewusstwerdens kommen durch psychisches Verfremden physikalischer bzw. physischer Prozesse zustande. Wider alle verfügbaren Erfahrungen spielt die Fan-tasie ver_rückt.


14
Jan
2016

Irrlichter


ich dachte, ich freue mich
auf den nächsten Schritt

ich täuschte mich

ich blieb vor meinen Gedankenbildern stehen

ich freute mich über ihr Spiegelbild

dem Wunsch nach mehr
Freiheit von mir selbst


14.1.2015


Kraft der Fantasie


Das innere Auge bedarf wegen der intensiven ästhetischen Funktion der Bilderzeugung der Kraft der Fantasie, um das Schauen von Sein hervorscheinen zu lassen.

Durch konzentriertes Loslassen sich aufdrängender Erinnerungen und Erfahrungen verdichten sich mögliche Fantasien zu einem sinnlich vernehmbaren Lichtpunkt, aus dem heraus aus der Tiefe unbewussten Sein eine Projektion hervorscheint.

Die meisten Esoteriker fantasieren diesen Vorschein in absurden okkulten Bildern und beanspruchen auf diese Weise Erfahrungen, über die sie nicht verfügen.
Sie missbrauchen gleichsam die Kraft ihrer Fantasie, in der Regel um Machttriebe und/oder Geldgier zu befriedigen. Dabei gestalten sie das Öffnen des inneren Auges so kompliziert, dass die meisten interessierten Suchenden frustriert aufgeben.

Aber jeder künstlerisch Schaffende geht mit innerem Wahrnehmen ganz natürlich um. Er empfängt wie selbstverständlich innere Bilder und/oder Worte und setzt sie spontan ins Werk.
Aus diesem Grund erscheint das, was Künstler und Künstlerinnen über die Welt hinter dem Horizont ins Werk setzen auch wahrhaftiger. Kunst geht mit Selbstbefreiung einher. Als Kern des Ichs treibt das Selbst aus sich künstlerisch schaffend heraus.

In seinem Höhlengleichnis weist Platon auf den Weg der Selbstbefreiung des Ichs hin. Es ist das Wagnis, das Wissen aus seinen Engen zu befreien und die Intuition (wieder) zuzulassen. Das Ich vermag sich nämlich einzig und allein intuitiv selbst zu schauen.

Der im Selbst Gefangene erkennt im Augenblick seiner Befreiung aus der Höhle das Licht der höchsten Idee. Diese Erkenntnis entspringt dem Glauben auf Grund seiner Erfahrungen, dass sich im reinen inneren Licht das anerzogene Selbst dem Ich als bloßer Schatten des Gehabes seiner Erzieher offenbart.

Angesichts dieser Offenbarung erscheinen dem Ich alle Annahmen des Selbst als unwahr. Und die innere Stimme teilt dem Ich mit, dass nichts von dem wahr ist, was es bislang seinem Selbst zugesprochen hat.

Im reinen, weil von Erziehung ungefilterten inneren Licht, schaut das Ich die Wahrheit des Selbst. Und Lethe, die Göttin oder Kraft des Vergessens, offenbart dem Ich, dass das Selbst verunreinigt und zum Krankheitsherd wird, sobald ihm überhaupt Eigen-schaften irgendwelcher positiver oder negativer Art zugesprochen werden.

"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Reich Gottes kommen." (Markus 10, 13 - 16)
Kleine Kinder kennzeichnet darüber die völlige kör-perliche Abhängigkeit und geistige, seelische Unab-hängigkeit von den Eltern und Erziehern. Die kindliche Fantasie lässt eine Gleichschaltung von körper-licher Abhängigkeit und geistig, seelischer Unabhängigkeit nicht zu und entführt das Kind jederzeit in seine eigene Welt, um es zu retten.

Es ist die kindliche Unvoreingenommenheit, die allein das wahre Selbst schaut. Lethe verhilft zum Ausstieg aus der eigenen Höhle, indem sie jeden Gedanken einer unwahren Selbsteinschätzung verbietet bzw. gebietet, diesen unmittelbar loszulassen. Und es ist die Zeit, die dann aufgrund der Übungen des Loslassens von den Selbstschändungen reinigt.

Allein ein freies, wahres, weil vom Ich nicht ausgelegtes Selbst ermöglicht dem Ich die Existenz in der Allgegenwart Gottes, denn das "Himmelreich", das überall ist, duldet wie das Selbst keinerlei Auslegung.


Paradoxerweise fordert die Seele das Ich trotz Los-lassens auf, sich wieder sinnlich anschauen zu ler-nen. "Dein innerer Spiegel zeigt Dir, inwieweit es Dir gelingt, die Spuren der Erziehung zu beseitigen!" Das unangenehme Gefühl, welches diese Berührung der inneren Stimme das Ich noch spüren lässt, macht die Entfernung zum Selbst deutlich.

"Einer von den Pharisäern, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn auf die Probe stellen und fragte ihn: Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste? Er antwortete ihm: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (nach MT 22, 37-39 verkürzt)

Ohne Liebe ist das Selbst nicht zu haben. Ohne Selbstliebe vermag das Ich sich nicht zu finden. Selbstliebe sollte allerdings nicht zum Narzissmus oder zur homosexuellen, körperlichen Selbstverliebtheit entarten.
Bei der Fantasie (φαντασία phantasía – „Erscheinung“, „Vorstellung“, „Traumgesicht“) handelt es sich letztlich um eine vernachlässigte geistig seelische Kraft. Im Zusammengang mit Denken findet sie kaum Beachtung. Dennoch bestimmt Fantasie als „Bilder-Leben“ (Bilderleben) Denken maßgeblich.

Das Verdrängen der Fantasie aus dem Bewusstsein lässt Wirklichkeit als Illusion in Vergessenheit geraten. Zurück bleibt die ungenutzte Chance, durch den Schein das Sein zu schauen.


13
Jan
2016

Spirale nach innen


zurück
in den Augenblick

nähere mich

hier stehe ich
da
spüre ich
dich

das Licht
die Hoffnung

das Zufallende

auch Glück


13.1.2015
+ Ulrike Schmid


Innere Stimme


Als Reflexion auf das Ich wird die innere Stimme „Selbst“ genannt.
Jeder Mensch hat eine angeborene Fähigkeit zu unterscheiden was wahr oder unwahr ist. Das Gewissen macht sich durch die „innere Stimme“, die alle unsere Handlungen beurteilt, bemerkbar. Die innere Stimme ist also gleichsam die Stimme des Gewissens.

Die innere Ruhe und Gelassenheit, mit der verschiedene Überlieferungen das Ende des Sokrates darstellen, verdankte der Philosoph seiner „inneren Stimme“ (gr. ‚daimónion’), wie er es zu nennen pflegte. Diese innere Stimme vernahm er seit seiner Kindheit und er hörte auf sie unbeirrt in allen Situationen des Lebens bis zu seinem Tod.

Platon beobachtet bei seinem Lehrer Sokrates, dass das Reaktivieren dieses Sinns ein Vertiefen des Wahrnehmens derart ermöglicht, dass metaphysische Ereignisse hervorscheinen. So erfährt Sokrates das ‚Idein’(gr.) (geistiges Wahrnehmen als innerer Sinn) so, als ob ihn ein Schutzgeist begleitet.
Aber dieser Schutzgeist begleitet ihn nicht nur, sondern berät ihn auch in heiklen Situationen.

In der Tat wird in der Geschichte der Philosophie das Phänomen der inneren Stimme zum ersten Mal von Sokrates beschrieben. Sokrates nennt sie ‘daimonion’. Das bedeutet für ihn Wesen und Wirkung des Göttlichen.

Nach Sokrates Auffassung wird jedem Menschen von Geburt an ein göttlicher Schutzgeist mit auf den Weg gegeben, der ihn vor Unheil bewahrt. Das erinnert an Schutzengel, deren Fest jedes Jahr am 2. Oktober gefeiert wird. Dieses christliche Fest erinnert an das Wirken der Schutzengel, welche die Menschen wie die „Dämonen“ des Sokrates in ihrem Leben begleiten und vor Schaden bewahren.

Erst wenn der Mensch diesen Schutzgeist vernach-lässigt und damit den Unwillen der Götter erregt, wird das ‚daimònion’ zum Dämonischen in ihm, zur Verblendung und Besessenheit.

Das sokratische Daimonion hat eine Stimme und stellt sich schützend vor die ihm Anvertrauten. Für Sokrates ist das ein klar erkennbares Faktum. Es ist so selbst-verständlich anwesend, dass dies nicht erst diskutiert zu werden braucht. Das Daimonion berät zwar, aber es trägt nicht zum Erkennen bei.

Das Daimonion ist streng getrennt vom Verstand, es sagt das, was der Verstand nicht erkennen kann. Es ist nicht das sittliche Gewissen. Was Sokrates zu tun hat und was nicht, sagt ihm sein Verstand. Das Daimonion bedeutet die Stimme, die ihn warnt, sobald sein Verstand gegen seine Intuition zu handeln rät.

Innere Wahrnehmungen, die sich übersinnlich gestalten und wirkliches Anwesen von hilfreichen Wesen spüren und empfinden lassen, gelten nicht als Fantasmata (eine Art Wahnvorstellungen), sondern als wirklich existierend.
Nach Sokrates Auffassung wird jedem Menschen von Geburt an ein göttlicher Schutzgeist mit auf den Weg gegeben, der ihn vor Unheil bewahrt.

Das erinnert an Schutzengel, deren Fest jedes Jahr am 2. Oktober gefeiert wird. Dieses christliche Fest erinnert an das Wirken der Schutzengel, welche die Menschen wie die „Dämonen“ des Sokrates in ihrem Leben begleiten und vor Schaden bewahren.

Erst wenn der Mensch diesen Schutzgeist vernach-lässigt und damit den Unwillen der Götter erregt, wird das Dämonische in ihm zur Verblendung und Besessenheit.

Das sokratische Daimonion hat eine Stimme und stellt sich schützend vor die ihm Anvertrauten. Für Sokrates ist das ein klar erkennbares Faktum. Es ist so selbst-verständlich anwesend, dass dies nicht erst diskutiert zu werden braucht. Das Daimonion berät zwar, aber es trägt nicht zum Erkennen bei. Das Daimonion ist streng getrennt vom Verstand, es sagt das, was der Verstand nicht erkennen kann. Es ist nicht das sittliche Gewissen. Was Sokrates zu tun hat und was nicht, sagt ihm sein Verstand. Das Daimonion bedeutet die Stimme, die ihn warnt, sobald er gegen seine Intuition handelt.

Innere Wahrnehmungen, die sich übersinnlich gestalten und wirkliches Anwesen von hilfreichen Wesen spüren und empfinden lassen, gelten nicht als Fantasmata (eine Art Wahnvorstellungen), sondern als wirklich existierend.
Der griechische Schriftsteller Plutarch (45-120) hat das sokratische Daimonion ausführlich erörtert. Hinweise auf die Existenz eines Daimonion finden sich auch in den Schriften der römischen Autoren Seneca (4-55 n. Chr.) und Marc Aurel (121-180 n. Chr.). Augustinus deutet das Daimonion als Gewissen und legt die innere Stimme als Stimme Gottes aus. Thomas von Aquin deutet es sogar als Erkenntnisorgan der praktischen Vernunft.
“Die innere Stimme gilt je nach Ansicht den einen als Stimme der Seele, anderen als Sprache der Vernunft und wieder anderen als Ausdruck des Gewissens oder als Zuspruch des Geistes oder auch Stimme des Herzens. Mahatma Gandhi nennt die leise innere Stimme den einzigen Tyrann, den er in dieser Welt anerkennt.“ (Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.))

„Du hast deine Kindheit vergessen, aus den Tiefen deiner Seele wirbt sie um dich. Sie wird dich so lange leiden machen, bis du sie erhörst.“
(Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.)

Und Friedrich Nietzsche sagt zur inneren Stimme:

“Es geht geisterhaft zu, jeder Augenblick des Lebens will uns etwas sagen, aber wir wollen diese Geisterstimme nicht hören. Wir fürchten uns, wenn wir allein und stille sind, daß uns etwas in das Ohr geraunt werde, und so hassen wir die Stille und betäuben uns durch Geselligkeit.”
Friedrich Nietzsche, Werke I - Unzeitgemäße Betrachtungen)

“In dem Augenblick aber, wo uns alles verloren scheint, erreicht uns zuweilen die Stimme, die uns retten kann; man hat an alle Pforten geklopft, die auf gar nichts führen, vor der einzigen aber, durch die man eintreten kann, und die man vergeblich hundert Jahre lang hätte suchen können, steht man, ohne es zu wissen, und sie tut sich auf."
(Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3 )

Woher die recht unterschiedlichen Namen für die innere Stimme?

“Das liegt daran, dass sich dieses Phänomen dem Wissen entzieht und allein dem Glauben offenbart. Der Glaube verfügt aber über keine eindeutigen Namen bzw. Begriffe, sondern allein über vielfältige und vieldeutige Hinweise, Zeichen oder Bezeichnungen.

Offenbarungen des Glaubens lassen ganz persönliche Deutungen zu wie beispielsweise auch das Wort Gott. Deshalb glaubt Sokrates seiner inneren Stimme, als einer göttlichen Eingebung und nennt sie deshalb auch seinen “daimonion”, also seinen persönlichen Schutzgeist, der Teil des Ichs ist.

Diese innere Stimme warnt ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer gefährlichen Absicht ab. Sokrates versteht das Dai-monion, wie bereits gesagt, als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, und vom Falschen abrät, jedoch zu nichts rät.

Seinen Daimonion schätzt Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorcht. Da er es auch über die Götter stellt, wurde ihm sogar vorgeworfen, es als einen neuen Gott einführen zu wollen.”

Die innere Stimme offenbart der Fantasie, der Vernunft und dem Verstand, dass sie selbst letztlich nichts Anderes ist als ein sprechendes inneres Bild ihrer ureigenen daimonia.

Aus der inneren Stimme spricht nicht nur das Selbst des Ichs, sondern zugleich auch der Logos der Natur. Und was die innere Stimme nicht auszudrücken vermag, zeigt sie dem Dritten Auge in den inneren Bildern der Vorstellungskraft.

Wer künstlerisch schafft, ist begabt genug, sowohl die innere Stimme zu vernehmen als auch zu schauen, was das innere Auge zeigt.

Der Dichter hört die Worte, die er aufschreibt. Der Musiker hört seine Komposition, die er in Noten umsetzt, der Maler sieht die Bilder, die er ins Werk setzt.
Der künstlerisch begabte Mensch bedarf keiner Übung, um inneres Hören oder Schauen aus Kindheitstagen zu reaktivieren.

Kinder folgen in ihrer Spielwelt ihrer inneren Stimme und dem, was ihnen das innere Auge fantasievoll zeigt.


12
Jan
2016

Öffnen des inneren Auges


Das innere Auge lässt sich nur im kontemplativen Zustand öffnen. Als innere Versenkung verlangt Kontemplation vor allem sowohl das Vermögen los-zulassen als auch die Kraft der Konzentration. Vor allem bedarf es, um Erfolg zu haben, viel Geduld.
Wer unerfahren im Philosophieren oder Meditieren ist, wird sich besonders schwertun.

Aber auch der Unerfahrene kann sehr wohl überprüfen, inwieweit und inwiefern er in der Lage ist, das innere Auge zu öffnen.
Das geschieht einfach dadurch, dass er versucht, folgende Gedanken sorgfältig nachzuvollziehen.

Erfolg geglückter Existenz wird als Leichtigkeit des Seins erfahren. Diese Leichtigkeit wird durch jenes Bewusstwerden getragen, welches Sein als Illusion des Werdens empfindet und sich aus der Verbindlichkeit aller „ismen“, Irrlehren also befreit.

Existenz meint Vorhandensein, Vorschein von etwas. Körperliches ist das Hervorscheinen informierter Energie, die wir als Materie wahrnehmen.

Existenz erleben wir sinnlich, seelisch, geistig. Wir versuchen dieses Erfahren geistig zu erfassen, indem wir dessen Werden analysieren, kalkülisieren, mathematisieren, objektivieren. Wir versuchen Leben zu verstehen, indem wir es simulieren. Simulationen steuern zunehmend mehr Operationen. Nicht computerunterstütze Diagnosen verschwinden.

Weitgehend ohne besondere Rücksicht auf seelische Belange entwickeln sich vielfältige technische Realisierungen menschlichen Verhaltens.
Wir vergessen dabei zunehmend mehr, dass alles letztlich Illusionen sind, also Reaktionen sinnlicher Wahrnehmungen auf jene physischen Formen, wel-che sich informativ energetisch gestalten.

Körperliche Erscheinungen sind Akzidenzien der Energie als Substrat. Information als Inhärenz zwischen akzidenzieller Gestalt und substanzieller Form des Substrats reiner Energie (Verhältnis zwischen Sein und Werden) vermögen wir durchaus kontemplativ zu schauen.

Existieren entfaltet sich physikalisch aus dem ‚Spiel’ möglicher Möglichkeiten über wirkliche Möglichkeiten hin zu möglichen Wirklichkeiten als Bedingungen der Möglichkeit von Wirklichkeit. Geistig vollzieht sich diese Entwicklung durch Wahrnehmen möglicher Möglichkeiten, Betrachten wirklicher Möglichkeiten, Beobachten möglicher Wirklichkeiten und Begreifen der Wirklichkeit.

Ziel allen Begreifens ist, Wahrnehmen zu durch-schauen, also angeborene Neugier zu befriedigen.
Denken, das auf die Grenzen des Verstandes stößt, muss, um diese überschreiten zu können, in Intuiti-on wechseln, also Innenbilder wahrnehmen, betrachten, beobachten und begreifen.

Intuition gründet im Gegensatz zum Verstand auf Fantasieren oder Träumen. Das innere Auge ist gleichsam ein intuitives Organ, das über die Welt des Verstandes hinaus sehen kann.

Platon nennt dieses Vermögen „idein“. Diesem inneren Sehvermögen verdanken wir alle unsere Ideen und Theorien.

Das innere Auge erlaubt als höchste Stufe der Kon-templation das Schauen informierter Energiemuster, die in dieser tiefen Wesensschau als ganz konkrete Bilder hervorscheinen.

So erblicke ich plötzlich in ein Auge, das mich unsäglich warm und gütig anblickt. Mir wird während dieser Kontemplation klar, dass es mein verstorbener, blinder Vater ist, der mich so liebevoll ansieht.

Als inneres Auge der Seele schaut das dritte Auge vor allem alles, was Gefühle schenkt: Berühren, Tasten, Schmecken, Riechen, Hören...

Wahre vollkommene Ein-Sicht aber entsteht erst dann und nur dann, wenn das Vergegenwärtigen von etwas 12-dimensional erfolgt, beispielsweise durch Vergegenwärtigen des komplexen Satzes:

Ich erfasse etwas dann, wenn ich über dessen

• Grund und Zweck,
• Ursache und Wirkung,
• Art/Weise und Umstand,
• Eigenschaften und Wesen,
• Mittel und Ausmaß
• in Raum und Zeit

verfüge .

Um das Öffnen des inneren Auges zu unterstützen, kann man in der Stille die Augen schließen, um sich stark auf die Mitte der Stirn zwischen den Augenbrauen zu konzentrieren. Wenn man dies lange genug durchhält, erscheint plötzlich vor dem inneren Auge ein kleiner blauer Punkt, der sich bei weiterer Konzentration vergrößert und zu drehen beginnt. Inmitten dieser sich drehenden Kreisfläche entstehen lichte Spiralen, die für einige Augenblicke das Bild informierter Energie freigeben.

Durchaus für diese Übung geeignet ist die Zeit vor dem Einschlafen oder kurz nach dem Erwachen, hinrei-chende Geduld immer vorausgesetzt.

11
Jan
2016

Botschaft der Liebe


Sehnsucht
nach Berührung -

die Seele
sehnt sich nach sich selbst

Sehnsucht nach Licht -

ein zarter Hauch löscht
alle anderen Begehren auf

das Selbst ist
Seele und Ich


11.1.2015
+ Ulrike Schmid


Wie die Seele Gott erfährt


B: „Durch Vergegenwärtigen des Satzes vom zu-reichenden Grund wird auch der allgegenwärtige Ursprung allen Werdens bewusst. Diese Gegenwart vollzieht sich areligiös.

Irgendwelche Interpretationen sind nicht zulässig. Deshalb schweigt die innere Stimme. Zugleich entsteht irgendwie das Empfinden, dass durch diese Verbindung zugleich auch Kontakt zur Welt hinter dem Horizont zustande kommt.

Es ist völlig klar, dass sich solcher Kontakt vollkommen subjektiv gestaltet. Aber er erlaubt durch das Öffnen des Dritten Auges sogar einen sichtbaren Anblick von bzw. Einblick in Drüben.

Dimensionieren und Kategorisieren lösen sich gleichsam in Allgegenwart von Unsterblichkeit und Ewigkeit auf. Erfahren des absooluten Nichts kräftigt die Seele.

Sein ist Information. / Werden ist Energie =>
Seiendes ist informierte Energie = Materie


Gleichnis von der Raupe und dem Schmetterling:

Eine Raupe findet zutiefst erschrocken die sterbliche Hülle ihres verstorbenen Bruders. Sie ist zu spät gekommen. Ihr Bruder ist ohne sie einsam und allein gestorben.

Plötzlich fällt über sie ein Schatten über sie. Die Raupe blickt hoch und sieht einen wunderschönen, farbenprächtigen, fröhlichen Schmetterling über sich flattern. „Warum bist Du so traurig?“, fragt er die kleine Raupe.

„Siehst Du denn nicht, dass mein Bruder gestorben ist?“
Der Schmetterling beruhigt lächelnd die traurige Raupe:
„Siehst du denn gar nichts? Dein Bruder ist nicht tot, denn ich bin Dein Bruder, der sich in einen Schmetterling verwandelt hat!

Ich bin dieser hässlichen Hülle entschlüpft und freue mich über meine neue Welt, den Himmel!“
Die Schwester erkennt jetzt ihren Bruder in seinem licht-durchfluteten Gewand und versteht, dass das, was sie für „Tod“ hält, in Wahrheit eine große Wandlung bedeutet.

Energie wird nur für eine gewisse Zeit informiert. Materie zerfällt, ohne dass Energie verloren geht,
Während es materiellen Zustands gewonnene Information bleibt als Sein erhalten. Das gilt auch für die Materie als Energiemuster selbst.

Das innere Auge vermag Energie des Seins zu erfassen. Diese Energiemuster werden als subjektive Innenbilder kontemplativ entwickelt.


10
Jan
2016

selbstlos


in jedem Augenblick
drängen
endgültige Taten
auf das Tun

jeder Augenblick
wiederholt sich

sein Gesicht
ruhelos


10.1.20115
+Ulrike Schmid


Heimkehr


ein einziges Leben

eines das standhält

ein Tag

ein einziges Bild
jeweils

es drängt dem Ende zu

es blendet
Ahnungen aus

es lebt


10.1.2015


Warum die Seele und nicht der Verstand Gott erkennt


C; „Es ist streng zu unterscheiden zwischen sinnli-cher (A) und innerer oder seelischer Erfahrung (B). Innere Erfahrungen haben allerdings erst dann und nur dann Beweiskraft, wenn sie sich unmittelbar von einem der vier Axiome ableiten lassen.“

B: “Innere (nicht religiöse!) Erfahrungen von Gott beruhen auf dem 4. Axiom:
: Der Satz vom zureichenden Grunde
Alles hat seinen Grund, warum es so ist, wie es ist.

Gemäß der Kategorien von Grund und Zweck, Ur-sache und Wirkung: Es lässt sich Erfahren von Wirklichkeit als Wirken bzw. Verfolgen eines Zwecks betrachten.
Demnach erscheint alles, das ist, Ursache einer Wirkung bzw. Zweck eines Grundes. Folglich lässt sich jede Erscheinung auf ihre eigentliche Ursache zurückführen.
Erfahren von Gottes Existenz ist Wirklichkeit der Seele.
Diese Erfahrung ist Wirklichkeit und nicht etwa Glauben! Sie wird ja analog zum Zweifeln Descartes als Erkenntnisgrund des Subjekts erfahren!“

A: „Das Problem ergibt sich für den Verstand auf-grund der Subjektivität von Gottes Erfahrungen! Im Gegensatz zur Seele erfordert der Verstand objekti-ve statt subjektiver Belege. Also was immer die Seele individuell erfährt und für sich beansprucht, kann also für den Verstand mangels Objektivität nicht gelten!“

B: „Das ist angesichts verstandsmäßiger Grenzen zwar selbstverständlich, aber Axiome sind keines-wegs subjektiv. Schließlich dienen sie nicht zuletzt jeglicher Objektivierung. Es ist folglich unzulässig, axiomatisch seelische Erfahrung als subjektiv abzu-tun. Ich würde sogar noch ganz entschiedener wei-tergehen und Axiome schlechthin als seelische Mit-tel zum Zweck der Absicherung bezeichnen. Und den ersten zureichen Urgrund „Gott“ nennen, das ist ein Name aus der Notwendigkeit, Dinge benennen zu müssen, um sie festhalten zu können. Als zu-reichender Grund existiert Gott als die Erste Ursa-che von allem. Aber ist natürlich nicht der Gott der Religionen!“

A: “Aber Du setzt letztlich Gott als Name für das Axiom vom zureichenden Grund! ein“

B: „Das ist für mich ein und dasselbe!“

C: „Einen philosophischen Gedanken mit einer see-lischen Erfahrung gleichzusetzen, das ist durchaus zulässig. Denn: Denken ist letztlich nichts Anderes als das mit dem Verstand zu formen, was die Seele vorweg gestaltet!“

A: „Allerdings ist längst nicht jede intuitive Gestal-tung für den Verstand formbar. Mit anderen Worten: Nicht alles, was Intuition gestaltet, ist für den Ver-stand verwendbar, jedenfalls, solange es sich nicht wissenschaftlich aufarbeiten lässt!“

C: „Axiome zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie der Verstand verwendet, ohne sie beweisen zu können. Vielmehr akzeptiert er sie als nicht zu be-weisende Grundvoraussetzungen des Denkens!“

A: „Einverstanden, aber nicht auch damit, ein Axiom religiös zu vereinnahmen.!“

C: „Der Name „Gott“ für das Axiom des zureichen-den Grundes ist keineswegs religiös gemeint. Er steht lediglich für den absoluten Anfang. Religion ist ohnehin ein Unglück für das vernunftbegabte We-sen.“

A: „Okay, dann nenne ich den absoluten Anfang „Tante Frida“;)“


C: Vernunft
B: Seele
A: Verstand


9
Jan
2016

Selbstfindung


etwas Unerreichbares
etwas in Not

die Gewichte sind groß
und schwer

doch das Licht
umfließt immer wieder
das Tor

so dass ich geblendet bin

ohne Not
keine Heimkehr
ohne Schatten kein Licht


9.1.2015
+Ulrike Schmid


Spiegelungen


aus Blicken

aus Schweigen

wenn es Abend wird
und die Weisen
stimmlos sprechen

in der Nacht
wenn Sehnsucht und
Stille sich begegnen

in dem sanften
Sprung
wenn alle und alles
einander segnen
9.1.2015
+ Ulrike Schmid


Intuitiver Beweis


C: „Der Verstand beklagt, dass es intuitiver Erkenntnis an Beweiskraft fehlt. Führt er diese Klage überhaupt zurecht?“

B: „Wegen seines Tunnelblicks vermag der Verstand nur in eine Richtung zu blicken. Allein auf die Sinne ausgerichtet, sieht er einen Beweis nur als empirischen Beweis gelten. Könnte er seinen Blick wenden, dann würde er sogleich einsehen müssen, dass auch Beweise existieren, die nicht auf sinnlich vernehmbaren Nachweisen beruhen. Dazu zählen nicht nur mathematische, sondern auch philosophische Beweise.
Das ist keineswegs verwunderlich, denn Philosophie hat sich intuitiv entwickelt, und Mathematik wiederum gründet auf philosophischen Überlegungen!“

C: „Das erscheint mir überaus kurzsichtig, denn der Verstand bedient sich philosophischer und vor allem mathematischer Methoden, um Experimente empirisch verifizieren oder auch falsifizieren zu können!

Es ist wohl Rechthaberei, die das vernunftbegabte Lebewesen in die einseitige Sicht des Verstandes treibt. Es ist viel zu engstirnig, allein optisch sinnli-che und nicht auch innere geistige Erfahrungen als Belege zuzulassen. Schließlich meint „Vernunft“ doch das, was allein aus dem Zusammenspiel von Intelligenz des Verstandes und Begabung der Intuition entsteht! Rationales Denken ist immer auch emotionales Denken und umgekehrt!“

B: „Als Vernunft moderierst Du ja bereits rationales Denken des Verstandes und emotionales Denken der Seele. Ich nehme doch an, dass eigentlich Vernunft als Zusammenspiel von Verstand und Seele das Wesen des Denkens ausmacht:

A + B = C ! "

A: „Das bestreite ich nicht. Ich wollte nur daran erin-nern, dass auch Beweise ohne sinnlich vernehmbare Belege existieren. Und wenn man diese Richtung weiter verfolgt und die Grenzen des Verstandes überschreitet, dann entdeckt man sehr schnell auch intuitive Beweise.

Ich möchte aber Beweise a posteriori und Beweise a priori streng unterscheiden. Beweise a priori wer-den rein intuitiv geführt und weisen sich dementsprechend auch allein intuitiv aus.

Wer allerdings allein dem Verstand vertraut, übersieht, dass auch jenseits seines Zugriffsbereichs Wahrnehmen, Betrachten, Beobachten, Definieren und Experimentieren existieren!“

C: Das ist die Stärke, die den gesunden Verstand auszeichnet, nämlich zugleich aus intuitiv, also vernünftig und nicht nur logisch zu denken!“

A: „Ich möchte den wesentlichen Charakter von Beweisen der Intuition als Denken a priori am Beispiel des Axioms ausführlich aufzeigen. Unser über 2000 Jahre altes Wissen fußt doch vor allem auf vier Ge-setzen des logischen Denkens. Die ersten drei Axiome gehen auf den Philosophen Aristoteles zurück:

1. Axiom: Der Satz der Identität
Alles ist mit sich identisch und verschieden von anderem.

2. Axiom: Der Satz vom Widerspruch
Von zwei Sätzen, von denen einer das Gegenteil des anderen aussagt, muss einer falsch sein.

3. Axiom: Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten
Von zwei Sätzen, von denen einer das vollständige Gegenteil des anderen aussagt, muss einer richtig sein.

4. Axiom: Der Satz vom zureichenden Grunde
Alles hat seinen Grund, warum es so ist, wie es ist.

Intuitives Wahrnehmen erfasst nicht wie sinnliches Wahrnehmen Konkreta, sondern Abstrakta. Die Erfahrung der Intuition ist wesentlich emotionalisierte Abstraktion.

Intuition erfasst etwas, betrachtet seine wesentlichen Eigenschaften und beobachtet, dass nur solche Eigenschaften existieren, die etwas als etwas Wesentliches bzw. Wesen auszeichnen. Dieser Sachverhalt wird als Selbstidentität begriffen und durch den Satz der Identität (lat. principium identitatis): - auch Satz der Selbstidentität aller Dinge genannt – zum Ausdruck gebracht:

‚Für jedes A gilt A=A’.

Im Gedankenexperiment zeigt sich, dass ein Axiom als Gesetz des Denkens keinerlei Ausnahme duldet. Die Beweiskraft eines Axioms zeigt sich in seiner Selbstverständlichkeit und nicht etwa im empirischen Be-leg. Axiome bedürfen folglich keiner empirischen Beweise. Das allerdings lässt sich allein innerlich erfahren und verstehen.

Quod erat demonstrandum!“


C: Vernunft
B: Seele
A: Verstand


8
Jan
2016

Selbstähnlichkeit



der Abstand wächst
zu den eigenen Zeiten

gesucht ist der Mensch
der sich selbst treu bleibt

Jahre und Welten
ziehen vorüber

was bleibt, was wächst
was davoneilt

entscheidet über die
Endlichkeit

und über das Licht
als Selbstverweis


8.1.2015
+ Ulrike Schmid


was größer bleibt


stößt an die Zeit
und rüttelt sie

wach auf! du bist
dir selbst im Weg

nimm deine Hände
ins Gebet

nichts bleibt von dem
was ewig ist


8.1.2015
+ Ulrike schmid


Zwei extreme Positionen gegenwärtigen Verstehens von Welt


A: „Was mich als Verstand vor allem auszeichnet, ist mein rationales Verhalten. Ich bin überzeugt, dass es richtig und vernünftig ist, nur das als wirklich anzunehmen, was sich sinnlich vernehmbar als bewiesen erweist. Kurzum: ich vertraue allein den von mir entwickelten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Allein Naturwissenschaften vermögen mir dank Logik und Empirie gesicherte Erkenntnisse zu vermitteln.“
B:“ Ich stimme zu, dass nur Logik und Empirie Erkennen begründen können. Aber ich verstehe nicht, warum Logik und Empirie allein dem Verstand zukommen sollten. Logik und Empirie begründen vor allem auch Intuition. Inneres Wahrnehmen ist so er-fahrbar wie sinnliches Wahrnehmen. Und schließlich verdankt Logik sich ausschließlich Wahrnehmungen a priori. Philosophieren entwickelte sich vor allem intuitiv reflektierend bis hin zur Begründung der Wissenschaft. Rationales und idealistisches Denken widersprechen sich nicht, sondern bedingen sich vielmehr wechselseitig.
Die Erfahrungen des Verstandes beruhen auf sinnlichen Wahrnehmungen, intuitive Erfahrungen beruhen dagegen auf inneren Wahrnehmungen.“

C: „Verstand und Intuition beanspruchen beide für sich sowohl empirische Erfahrungen als auch Logik, und zwar als Logik a posteriori und als Logik a priori. Aber der Verstand beklagt, dass es der Intuition an Beweiskraft mangelt!“

7
Jan
2016

Gleichmut



des Lebens Sinn
ist
das größte Gut

ihn zu erhalten
verlangt
viel Mut
es auszuhalten


7.1.2015
+ Ulrike Schmid

Angst


ist die sicherste Gefährtin

wenn es um das Lernen geht
ist sie durchschaut

dann bietet sie das Handeln an
das ihr hilft
sich in den Wind zu drehen
der Leben heißt

dann gibt sie auf


7.1.2015
Ulrike Schmid


Verhängnisvoller Irrtum


Sowohl Naturalismus als auch Idealismus verabsolutieren ihre Positionen. Vereinfacht gesagt handelt es sich um das wechselseitige Entgegensetzen von Werden und Sein bzw. von Natur- und Geisteswissenschaft.

Der Naturalismus überschätzt Verstand und unterschätzt Intuition. Naturalisten neigen dazu, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Idealisten sind dagegen in der Gefahr, die Teile zu vernachlässigen, während sie das Ganze betrachten.

Letztlich fällt diese Auseinandersetzung hinter das Denken der Vorsokratiker, des Sokrates und Platons zurück.
Im Alltag einer Erkrankung zeigt sich diese Ausei-nandersetzung als jeweils persönlich zu entscheidende Alternative von Schulmedizin und Selbstheilungskraft. Sogenannte Wunderheilungen zeigen, dass durchaus Phänomene existieren, die das Fassungsvermögen des Verstandes übersteigen.

Der entscheidende Nachteil des Idealismus zeigt sich im verlorenen Bezug zu den Sinnen. Wissen begründet sich nun einmal durch sinnlich vernehmbare Belege.
Wie der Naturalist sich vornehmlich seines Verstandes bedient, so nutzt der Idealist vor allem seine Intuition.


Wir wollen trotzdem versuchen, Naturalismus und Idealismus in Gestalt von Verstand und Intuition zu einem Dialog einzuladen. Moderiert wird dieser Dialog durch die Vernunft, die verstandesmäßige Intelligenz und intuitive Begabung in sich vereint.

• C steht für Vernunft
• B für Intuition
• A für Verstand

C: Ein verhängnisvoller Irrtum stürzt den Menschen in die Abgründe von Unglücken und Kriegen. Dieser Irrtum beruht auf dem inneren Zwiespalt zwischen Seele und Geist und der Unfähigkeit, beides in sich in einer gemeinsamen Einsicht und Ansicht von Welt zu vereinen.
Ich möchte versuchen, eine von allen beteiligten Kräften akzeptierte Lösung, durch gegenseitige Zugeständnisse zu gelangen.
So schlage ich erst einmal vor, die gegenseitigen Positionen zu klären.

6
Jan
2016

Freude


gibt der Seele Grund
sich zu entfalten

und der Hoffnung Mut
Leben zu gestalten

der Geist der Liebe
stiftet den Verbund

Sinn
glaubend zu erhalten


6.1.2015
+ Ulrike Schmid


Sorge


Angst spricht Zweifeln
aus dem Mund

wer liebt der hofft
und glaubt

er kennt den Grund
den Blick

immer wieder
aufrecht zu halten


6.1.2015
+ ulrike Schmid


Diametrale existentielle Gegensätze


Die der Natur inhärierenden Prinzipien a priori verdanken zwar ihre Entstehung der Evolution, also einer langen Kette von Versuchen und Irrtümern im Verlauf der Geschichte der Menschheit, aber dennoch:

es kann nichts wirklich werden, was nicht zuvor möglich war.

Intelligente Organisationen von Prozessen setzen dieses Geschehen der Möglichkeit voraus. Es kann nur wirklich werden, was zuvor möglich war.

Der Naturalismus schreibt zwar Entwicklungen der Natur zufälligen Folgen von Versuchen und Irrtümern zu, aber was sich aus Zufall bindet oder löst, entsteht oder vergeht, fällt immer nur dann wirklich zu, wenn es zuvor ermöglicht wird.

Wie weit auch immer Wissenschaften Entstehung und Entwicklung der Menschheit zurück zu verfolgen vermag, Erklärungen von Wirklichkeiten werden immer an für den Naturalismus unüberwindbaren Grenzen zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit stoßen. So erscheint es mir hilfreich, dem naturalistischen Vorgehen eine umgekehrte ‚Denkrichtung’ vorzuschlagen.

Der Naturalismus beruft sich auf den Verstand als alleinige Quelle der Erkenntnis. Dabei wird allerdings übersehen, dass es neben mittelbaren bzw. reflektierenden Denken auch unmittelbares, nicht auf reflektierendes Denken gegründetes Erkennen gibt. Dieses unmittelbare Erkennen wird Intuition genannt.
Intuition wird als Sinneswahrnehmung wie Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken erlebt.

Intuition ermöglicht, innere und äußere Welt anders und tiefer wahrzunehmen und zu erfahren.

Unbekanntes wird erforscht und Möglichkeiten erahnt, die noch nicht sichtbar sind.

Intuition erfasst nicht wie Logik Richtigkeit, sondern Wahrheit.

Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Vorgehen gelangt Intuition nicht vom Teil zum Ganzen, sondern erfasst unmittelbar das Ganze.

Wissen drückt sich in Begriffen oder Symbolen aus, Intuition in Bildern oder Gefühlen.

Intuitive Mitteilungen werden, entsprechende Sensi-bilität vorausgesetzt, auch in Bildern oder Gefühlen empfangen. Im Gegensatz zum beweisbaren Wissen muss Intuitionen geglaubt werden. Es gehört zum Wesen des Verstandes, dass diese er diese Bedingungen der Möglichkeit von Intuition nicht zu akzeptieren vermag.

Verstand verwirklicht sich denkend durch Wissen, Instinkt dagegen durch Intuition. Wissen bedeutet, dass Ergebnisse des Denkens bewiesen werden können. Intuitionen muss geglaubt werden.


5
Jan
2016

ohne Vorrede


sag' was zu sagen ist
oder schweig
die innere Stimme
kennt mich

der volle Mond
erscheint
ich seh' ihn nicht
fühle mich allein

Sehnsucht
verdoppelt mich
ich trage mein Gesicht
vor das Licht

es wacht über mich
zeigt mir die Spanne
zwischen ich und ich -

wir sind nicht allein


4.1.2015
+ Ulrike Schmid


Vor aller Vernunft


Kants Kritik der reinen Vernunft ist ein wichtiger Hinweis zu verdanken. Seine Unterscheidung zwischen a posteriori (durch Erfahrung) und a priori (vor aller Erfahrung) verweist auf ein Sein, dass jeglichem Prozess des Verstandes vorausgeht. Unserer Natur sind beispielsweise Kategorien a priori gegeben, also:

• Raum und Zeit
• Ursache und Wirkung
• Grund und Zweck
• Wesen und Eigenschaften
• Maß und Mittel
• Art/Weise und Umstand

Aus dem Zusammenspiel mit Trieben und Bedürfnissen entwickelt sich Neugier, die Körper, Seele, Geist auf die Suche schickt.
Auch Möglichkeiten zu ordnen, sind a priori von Natur aus gegeben:

Zu- und einordnen,
Über- und unterordnen,
Vor- und nachordnen,
An – und beiordnen.

Phänomene, sowohl a posteriori als auch a priori weisen verschiedene Arten und Weisen zu sein (Seinsmodi) auf:

• Möglich möglich,
• Wirklich möglich
• Möglich wirklich
• Tatsächlich

Werden geschieht als:

• Entstehen – vergehen,
• Binden - lösen

Nach diesen Prinzipien a priori wird alles, das uns sinnlich vernehmbar erscheint. Der Verstand vermag solche Erscheinungen zu analysieren, zu kalkülisieren, zu mathematisieren, zu simulieren bzw. zu objektivieren, um diese Weise deren Art und Weise zu werden zu erkennen und zu verstehen.


4
Jan
2016

Ulrikes Geburtstag


Überfall


die kleine Seele trauert
um die Harmonie
des Vertrauten,
das Schutz und Wärme gibt;

in der Tiefe des Anverwandten
findet sie
ihre Hoffnung wieder;

alles bleibt in einer Hand


4.01.2015
+ Ulrike Schmid

4. Wahrnehmen verlernt (Exkurs 1)

„.. wir sind ohne Bildung, noch mehr,
wir sind zum Leben, zum richtigen und einfachen Sehen und Hören,
zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natür-lichen verdorben
und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur,
weil wir selbst davon nicht überzeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben.“

Es sind vor allem zwei Aussagen des Philosophen Friedrich Nietzsche, die das, was ich intuitiv empfinde, ausdrücken. Die erste Aussage beinhaltet seine Kritik an der Pädagogik, die uns jene Erziehung und Bildung aufdrängt, durch welche das unvoreingenommene Sehen verlernen.


"Man mache sich nur einmal mit der pädagogischen Literatur dieser Gegenwart vertraut; an dem ist nichts mehr zu verderben, der bei diesem Studium nicht über die allerhöchste Geistesarmut und über einen wahrhaft täppischen Zirkeltanz erschrickt. Hier muss unsere Philosophie nicht mit dem Erstaunen, sondern mit dem Erschrecken beginnen: wer es zu ihm nicht zu bringen vermag, ist gebeten, von den pädagogischen Dingen seine Hände zu lassen."

Die Begründung Nietzsches für diesen Missstand in der Pädagogik fällt scharf aus:

"Dass es aber trotzdem nirgends zur vollen Ehrlichkeit kommt, hat seine traurige Ursache in der pädagogischen Geistesarmut unserer Zeit; es fehlt gerade hier an wirklich erfinderischen Begabungen, es fehlen hier die wahrhaft praktischen Menschen, das heißt diejenigen, welche gute und neue Einfälle haben und welche wissen, dass die rechte Genialität und die rechte Praxis sich notwendig im gleichen Individuum begegnen müssen: während den nüchternen Praktikern es gerade an Einfällen und deshalb wieder an der rechten Praxis fehlt."

Die Folgen solcher Erziehung und Bildung: "wir sind ohne Bildung, noch mehr, wir sind zum Leben, zum richtigen und einfachen Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen verdorben und haben bis jetzt noch nicht einmal das Fundament einer Kultur, weil wir selbst davon nicht überzeugt sind, ein wahrhaftiges Leben in uns zu haben. Zerbröckelt und auseinander gefallen, im Ganzen in ein Inneres und Äußeres, halb mechanisch zerlegt, mit Begriffen wie mit Drachenzähnen übersät, Begriffs-Drachen erzeugend, dazu an der Krankheit der Worte leidend und ohne Vertrauen zu jeder eigenen Empfindung, die noch nicht mit Worten abgestempelt ist : als eine solche unlebendige und doch unheimlich regsame Begriffs- und Wortfabrik habe ich vielleicht noch das Recht zu sagen cogito ergo sum, nicht aber vivo, ergo cogito. Das leere "Sein", nicht das volle und grüne "Leben" ist mir gewährleistet, meine ursprüngliche Empfindung verbürgt mir nur, daß ich ein denkendes, nicht daß ich ein lebendiges Wesen, daß ich kein animal, sondern höchsten ein cogital bin. Schenkt mir erst Leben, dann will ich euch auch eine Kultur daraus schaffen!"

Als Grundvoraussetzung für richtiges und einfaches Sehen und Hören, zum glücklichen Ergreifen des Nächsten und Natürlichen gilt dem Philosophen Nietzsche die Überzeugung, ein wahrhaftiges Leben in sich zu haben. Seiner Ansicht nach stört das Fehlen einer solchen Überzeugung das Wahrnehmen ganz empfindlich.

Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Wer ‚unvor-eingenommen' äußerlich (sinnlich) wahrnehmen will, muss von innen (geistig) nach draußen schauen. Wer sich nicht mit der Fantasie als Verfremdung des Wahrnehmens auseinandersetzt und aufklärt, vermag nicht zu erfassen, was in Wahrheit geschieht.

Der Rückgang in den Ursprung allen Erkennens gelingt der Vernunft, indem sie nach innen schaut. Die Sichtweise lässt sich verhältnismäßig leicht als Be-wusstwerden beschreiben.

Bewusstwerden lässt sich entweder durch Aufmerk-samkeit oder Konzentration ausrichten. Durch Aufmerksamkeit werden sinnliche (äußere) Wahrneh-mungen bewusst, durch Konzentration geistige (innere). Will man den Ursprung allen Erkennens schauen, dann geschieht das natürlich durch Konzentration. Wie weit man nach innen sehen kann, das hängt natürlich davon ab, wie stark man sich konzentriert.

Als Vergegenwärtigen von inneren Bildern oder Vorstellungen vollzieht sich Konzentrieren gleichsam noch ohne Aufwand. Man braucht dazu keine geistige Kraft. Sich etwas vorstellen, das geht so einfach wie sich erinnern. In der Regel muss sich niemand anstrengen, um sich zu erinnern.

Fragt man sich aber, was dem Vorstellen innerer Bilder vorausgeht, dann benötigt man geistige Kraft. Fragen kostet Kraft, und es hängt von der Art und Weise des Fragens ab, wie viel Kraft erforderlich wird. Die Frage „Wer oder was?“ kostet allerdings kaum Kraft, weil man sich lediglich erinnern muss, um diese Frage zu beantworten. Der Philosoph Sokrates aber kam als Erster auf die Idee die Frage „Was ist das?“ radikal umzudeuten. „Was?“ verlangt bei Sokrates nicht, etwas wiederzukennen, sondern vielmehr das Wesen von Etwas zu bestimmen. Als Wesensfrage braucht „Was?“ entschieden mehr Kraft als eine bloße Bestimmungsfrage.

Sobald wir wahrnehmen, erfassen wir nicht mehr, was ist. Stattdessen nehmen Verstelltes auf. Wenn wir einen Baum wahrnehmen, endet das Erfassen gewöhnlich mit der Feststellung „Das ist!“, mit bloßem Identifizieren also.

3
Jan
2016

3. Wenn Glauben und Wissen einander begegnen


Seele: „Aus meiner, nämlich emotionaler Sicht baut sich Wissen Welten, indem es modelliert, kalkülisiert, mathematisiert, objektiviert und simulierend kalkuliert.
Was sich kalkulieren lässt, das gilt als gesichert. Der Mensch betrachtet sich als erfolgreich, weil er be-rechnen und prognostizieren kann. Als Erfolg gilt das, was sich in Zahlen darstellen lässt.“

Verstand: „Was hast Du eigentlich gegen Berech-nungen? Numerische Werte zeigen doch jemandem zum Beispiel ganz genau, wie es um seine Gesundheit steht. So zeigen die Werte eines Blutbildes doch einen körperlichen Zustand an. Und wer schließlich benutzt kein Fieberthermometer, Blutdruck- oder Zuckermessgerät? Zahlenwerte helfen Menschen u.a., sich sicherer zu fühlen.
Was also hast du gegen Zahlen?“

Seele: „Ich habe doch nichts gegen Zahlen! Ich habe nur etwas dagegen, wenn Zahlen und nicht mehr Gefühle das Leben bestimmen!“

Verstand: „Das ist doch absurd! Jemand kann sich Dich noch gesund fühlen, und in Wirklichkeit ist er bereits todkrank! Nein, Rechnen und nicht etwa Fühlen verhilft Dir zu mehr Sicherheit.
Du magst die Welt des Wissens eine Traumwelt nennen, aber dann gestehe auch zu, dass die Fantasiewelt des Glaubens durchaus damit vergleichbar ist!“

Seele: „Ich gestehe durchaus ein, dass Menschen als sogenannte vernunftbegabte Lebewesen in ihnen je eigenen Traumwelten entweder des Glaubens oder des Wissens existieren. Denn sobald wir wahrnehmen, fantasieren wir. Wir legen uns Wahrnehmungen zurecht. Vernunftbegabte Lebewesen sind von Natur aus Schönfärber. Vielleicht ist dieser Selbstschutz das, was das Wesen von Vernunft ausmacht.“

Seele: „Verstand, bedenke aber unbedingt: Wer denkt, dass er denkt, denkt nur, dass er denkt. Wer denkt, formuliert und gestaltet nur, was sein Unterbewusstes vorweg formt.“

Verstand: „Das wird mitgedacht, sobald Denken ge-dacht wird. Denken meint nämlich Bilderleben, und zwar:
• Bilder-Leben der Fantasie als unbewusstes Spiel mit möglichen Möglichkeiten
• Bild-Erleben des Geistes als Bewusstwerden einer wirklichen Möglichkeit bzw. Eingebung.“

Seele: „Weil Fantasie als existentielle Kraft Körper, Seele, Geist maßgeblich bestimmt, bezweifle ich sehr stark, dass es uns überhaupt gelingen kann, etwas so zu erkennen, wie es in Wahrheit ist!“

Verstand: „Um uns nicht missverstehen, sollten wir sehr sorgfältig Denken und Einbildungskraft unterscheiden.
Wie Du betonst: Fantasie ist jene Kraft, welche uns das schenkt, womit sich dann unser Bewusstsein (als Moment des Bewusstwerdens) beschäftigt. Denken umfasst das, was wir als unsere Existenz erfahren.“

Seele: „Und Fantasieren schafft das, was wir glauben. Denken aber erschafft das, was wir wissen. Was wir wissen, das ist alles aus den Träumen des Glaubens geboren. Es sind unsere Ideen, die uns Begabungen des Unbewussten schenken!“

Verstand: „Ich verstehe, Du setzt Glauben und Spielen des Unbewussten mit sich selbst gleich. Und es ist dann Intelligenz des Verstandes, die jeweils in einem günstigen Augenblick (kairós) geglückte Eingebungen herausgreift.“

Seele: „Glauben ist der Schöpfer allen Wissens!“


2
Jan
2016

2. Vor-Gespräch


Seele: „Ich folge Deiner Einladung, weil ich sehe, wohin dich Wissen führt!“

Verstand: „Ich gebe zu, in eine Sackgasse geraten zu sein!“

Seele: „Warum so ‚bescheiden’? Es ist viel mehr als eine Sackgasse, nämlich eine wirkliche Weglosigkeit. Ohne diese Ausweglosigkeit würdest du dich doch niemals auf ein Gespräch mit mir einlassen!“

Verstand: „Ich stehe vor einem Scheideweg. Wissen ist der eine Weg, Glauben der andere. Und ich muss mich für eine Seite dieser Alternative entscheiden!“

Seele: „Wer oder was nötigt dich denn in diese zwiespältige Situation?“

Verstand: „Es sind die Regeln und Gesetze der Logik. Wissenschaft erlaubt nun ein einmal keine Aussage, die sich nicht beweisen lässt!“

Seele: „Wie aber gehst Du mit Erscheinungen um, die sich von ihrem Wesen her niemals beweisen lassen?
Betrachte doch nur einmal die Liebe. Sie ist eine Empfindung, die sich zwar wissenschaftlich nicht beweisen lässt, aber dennoch existiert!“

“Aussagen wie ‚Ich liebe dich!“ oder „Ich vertraue Dir“ erfordern keine Beweis, sondern gehen davon aus, dass man ihnen glaubt!“

Verstand: „Auch in der Wissenschaft gibt es Vergleichbares. Bittet man jemand, sich umzusehen und zu sagen, wo er Kreis entdecken kann, dann wird er zum Beispiel: Räder, Ringe oder Schallplatten nennen, weil er glaubt, dass es sich um Kreise handelt.
Tatsächlich aber existieren exakte Kreise nur als geometrische Idealfiguren, niemals aber in
Wirklichkeit!“

Seele: “Ich stimme Dir nicht zu, denn ihr beweist diese Dinge durch Berechnungen. Ihr habt dafür sogar Kreisformeln!“

Verstand: „Trotzdem, Liebe und Kreis haben gemeinsam, dass es sich bei beiden um Ideale handelt!“

Seele: „Offenbar existieren Schnittstellen zwischen Glauben und Wissen. Das lässt mich hoffen, dass wir doch noch zusammenkommen können!“


Der Verstand



Es gehört sehr viel Gefühl dazu,
das Richtige zu denken,
um mit den Gedanken die Handlungen
zu lenken

Der Verstand,
der sagt dir gar nichts über dich,
im Ernstfall lässt er dich im Stich
Er ist der Unverstand der Menschen,
Wärme und Geborgenheit zu finden


BonanzaMARGOT
(1981)



logo

Seit 19 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F Schmid

Grundsätzliches (www.wolfgang-schmid.de)

 

Archiv

Januar 2024
Dezember 2023
Oktober 2023
August 2023
Juli 2023
Juni 2023
Mai 2023
April 2023
Januar 2023
Dezember 2022
Oktober 2022
September 2022
Juni 2022
Mai 2022
März 2022
Februar 2022
Januar 2022
Dezember 2021
November 2021
Oktober 2021
September 2021
August 2021
Juli 2021
Mai 2021
April 2021
März 2021
Februar 2021
Januar 2021
Dezember 2020
November 2020
Oktober 2020
September 2020
Juni 2020
Mai 2020
April 2020
März 2020
Februar 2020
Januar 2020
Dezember 2019
November 2019
Oktober 2019
Juni 2019
Mai 2019
April 2019
März 2019
April 2018
März 2018
Februar 2018
Januar 2018
Dezember 2017
November 2017
Oktober 2017
September 2017
August 2017
Juli 2017
Juni 2017
Mai 2017
April 2017
März 2017
Februar 2017
Januar 2017
Dezember 2016
November 2016
Oktober 2016
September 2016
August 2016
Juli 2016
Juni 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
Dezember 2015
November 2015
Oktober 2015
September 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
April 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Juni 2014
Mai 2014
April 2014
März 2014
Februar 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
Mai 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
Oktober 2008
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
Dezember 2005
November 2005
Oktober 2005
September 2005
August 2005
Juli 2005
Juni 2005
Mai 2005
April 2005
März 2005
Februar 2005
Januar 2005
Dezember 2004

Aktuelle Beiträge

Dreamed out
If a priori represents a metaphysical congruence with...
wfschmid - 9. Januar, 05:24
Crossing boundaries
Seeing changes into looking Intuition and inner voice...
wfschmid - 8. Januar, 03:48
I myself
I myself The ego encounters itself daily in the self....
wfschmid - 3. Januar, 04:35
Metaphysics
Thinking metaphysically means looking beyond what can...
wfschmid - 30. Dezember, 04:57
Fortsetzung der Metaphysik-Folge
Auf meiner Webseite wird o.a. Reihe fortgesetzt! www.wolfgan g-schmid.de
wfschmid - 26. Oktober, 11:58
Metaphysik
Metaphysik bedeutet, hinter das sinnlich Vernehmbare...
wfschmid - 19. Oktober, 10:20
Buchtitel: Paradox -...
Neues Buch Nach dem Link zu Apple Books auf"My...
wfschmid - 17. Oktober, 11:10
Buchtitel: Paradox -...
Neues Buch Nach dem Link zu Apple Books auf"My...
wfschmid - 14. Oktober, 12:35

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 7154 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 9. Januar, 05:24

Suche (AND, OR erlaubt) - Nächste (leere) Zeile anklicken!

 

Credits

 

 

Es gelten die Rechtsvorschriften für Webseiten der Universität Flensburg © Texte: Wolfgang F. Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) wfschmid(at)me.com Bilder: Ulrike Schmid (sofern nicht anders ausgewiesen) mail(at)ulrike-schmid.de

 wfs